Musik als Reformation – Reformation als Musik

Harald Schroeter-Wittke

Im Rahmen der Dekade zur Reformation hatte die EKD das Jahr 2012 als "Jahr der Kirchenmusik" ausgerufen. Ich beginne mit einem Kalauer: Besser als "Jahr der Kirchenmusik" wäre gewesen: Ja, die Kirchenmusik! Kirchenmusik soll nicht nur ein Jahr im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sondern sie soll in ihrer bejahenden Kraft als unabdingbare Grunddimension evangelischen Christ- und Kircheseins auch über dieses Jahr hinaus zur Geltung kommen. Selbstverständlich hat die Kirchenmusik eben auch mit allen anderen Themen der Lutherdekade zu tun: mit Bekenntnis, mit Bildung, mit Freiheit, mit Toleranz, mit Politik, mit Bild und Bibel und mit der Einen Welt.

Martin Luther hat 6. Oktober 1544 in seiner berühmten Predigt zur Einweihung des ersten evangelischen Kirchenbaus, der Schlosskirche zu Torgau, eine grundlegende Beschreibung für den Gottesdienst gegeben.[1] Sie bringt Gottes Ja zu uns Menschen als Grundlegung auch der Musik in der Gemeinde kräftig zur Geltung: In diesem neuen Gotteshaus, so Luther, soll nämlich nichts anderes geschehen, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang.

  • Ja, die Kirchenmusik – sie ist notwendiger Bestandteil dessen, was Protestanten als Gottesdienst verstehen, nämlich den Dialog zwischen Gott und Menschen, der hin und her geht.
  • Ja, die Kirchenmusik – sie ist Ant-Wort, Gegenwort, Gegenrede, vielleicht besser: Gegenüberrede zu dem, was als Wort Gottes im Gottesdienst geschieht. Als Dialogpartnerin kommt ihr dabei selber die theologische Qualität des Wortes Gottes zu.
  • Ja, die Kirchenmusik – sie verantwortet das Wort Gottes in einer für die Sinne anderen Dimension als derjenigen des Wortes.
  • Ja, die Kirchenmusik – sie hält den Gottesdienst lebendig.
  • Ja, die Kirchenmusik – sie hat sehr viel für die Verbreitung reformatorischen Gedankenguts in Europa getan. Sie ist ein wesentliches neues Medium für die reformatorische Bewegung gewesen. Bis in die Gegenwart gilt das Singen deutscher Lieder in vielen Städten und Gemeinden als der jeweilige Beginn der Reformation.

Damit wären wir bei dem Thema: Reformation als Musik! Aber statt kulturgeschichtliche Einsichten über die Bedeutung des Zusammenhangs von Reformation und Musik zu vertiefen,[2] möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern Musik als Reformation verstanden werden, inwiefern also die Musik dazu beitragen kann, dass die ecclesia reformata immer eine ecclesia reformanda ist, dass also Kirchenreform ein dauernder Prozess für den Protestantismus darstellt, der eben auch in, mit und unter Musik vonstatten geht.

Zunächst will ich der Frage nachgehen, was Kirchenmusik ist: Kirchenmusik ist nach evangelischer Auffassung keine besondere religiöse Musik. So wenig wie es eine religiöse Politik gibt, so wenig gibt es eine religiöse Musik. Musik gehört wie die Politik ins Reich der Welt, ins Reich des Vorletzten. Hier gibt es gute und schlechte Musik, aber keine spezifisch religiöse Musik. Kirchenmusik wird daher nicht an ihrem Stil erkennbar, sondern Kirchenmusik ist all diejenige Musik, die Christenmenschen in der ihnen von Gott geschenkten Freiheit praktizieren, hören, in Gebrauch nehmen zum Lobe Gottes, was die Klage einschließt, und zur Ergötzung und Recreation des Gemüths, wie Bach das genannt hat. Kirchenmusik lässt sich daher nicht klar abgrenzen von anderer Musik. Nahezu alles kann Kirchenmusik werden. Kirchenmusik beschreibt daher zunächst nur die Tatsache, dass sie in einer Kirche bzw. in einer Gemeinde gespielt wird. Und Gemeinde kann dort sein, wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind.

Ich will dies exemplarisch anhand von Lutherliedern durchdeklinieren, indem ich frage, was und wie Lutherlieder heute eine Rolle spielen können. Dabei spielt die Frage nach dem Singen eine große Rolle. Lieder sind etwas anderes als Gesagtes. Lieder sind etwas anderes als Botschaft. Lieder sind nicht in erster Linie für den Verstand da, in erster Linie jedenfalls nicht für die kognitive Hälfte des Hirns, sondern für die andere. Luther selber hat daher von der Mär gesungen, die das Evangelium für uns bedeute: "davon ich singen und sagen will" (EG 23,1). Also, erst das Singen, dann das Sagen – erst die Performance, dann das kognitive Verstehen – oder auf den Glauben übertragen: Glaube ist zuallererst fiducia, Vertrauen, kindliches Zutrauen, fides qua, und dann erst Wissen, Verstehen, fides quae. Dieser Vorgang ist für den christlichen Glauben grundlegend. Denn Singen bringt anderes zur Sprache als Sprechen – nicht nur neurophysiologisch. Kulturwissenschaftlichen Vermutungen zufolge scheint das Singen älter zu sein als das Sprechen. Der Neanderthaler hat vermutlich gesungen, bevor er sprechen konnte.

Als gestaltete Lautgebärde ist das Singen jedenfalls phylogenetisch im Lallen und Schreien früher ausgeprägt als das Sprechen. Sprache und Gesang werden "zwar durch denselben Lautapparat hervorgebracht, aber von verschiedenen Gehirnhälften gesteuert"[3]. Das Sprechen wird von der linken, das Singen von der älteren rechten Hirnhälfte gesteuert. Dabei wird in der älteren rechten Hirnhälfte ebenfalls die Steuerung der Emotionen lokalisiert, während in der jüngeren linken Hirnhälfte auch die Steuerung von Intellekt und Willen lokalisiert ist. Beide lautlichen Tätigkeiten schließen keineswegs die Beteiligung der jeweils anderen Hirnhälfte während ihres Vollzuges aus – zumal wenn es sich dabei um komplexe musikalische Gebilde oder Handlungsvollzüge handelt. Aber sie zeigen eine unterschiedliche neurophysiologische Schwerpunktsetzung an, vielleicht könnte man auch sagen, eine unterschiedliche Heimat dieser beiden Vollzüge.

Dies ist von besonderer Bedeutung z.B. in der Seelsorge mit solchen Menschen, die nicht oder nicht mehr sprechen können. Hier vermag sowohl das Vorsingen der Seelsorgerin als auch das Summen, das textlose Singen, das Lallen auf seiten derer, die nicht sprechen können, Räume zu öffnen für die Darstellung von Gefühlen, Botschaften, Stimmungen, die ansonsten undarstellbar in der Unsagbarkeit verharrten.[4]

Wer singt,     beansprucht Körper, spricht Körper an.
Wer singt,     gibt etwas von sich preis.
Wer singt,     lässt anderes erklingen, als er oder sie im Griff hat.

Ich höre mich anders als Sie mich hören. Daher erschrecke ich regelmäßig, wenn ich mich auf Band singen oder sprechen höre.

Wer singt,     ist Körper und hat zugleich Körper.
Wer singt,     tritt über sich hinaus, ex-istiert.

Aufgrund dieser elementaren Ambivalenzen ist Singen uns oft so peinlich. Andererseits stiftet Singen auch auf sehr elementare Art und Weise Gemeinschaft.

Ich möchte diese Phänomene anhand von sechs Punkten im Bezug auf Lutherlieder[5] durchdeklinieren. Meine Punkte lauten:


1. Agon:

Singen: EG 319: Die beste Zeit im Jahr ist mein.

Frau Musika spricht:
„1. Die beste Zeit im Jahr ist mein,
da singen alle Vögelein,
Himmel und Erde ist der voll,
viel gut Gesang, der lautet wohl.

         2. Voran die liebe Nachtigall
         macht alles fröhlich überall
         mit ihrem lieblichen Gesang,
         des muß sie haben immer Dank.

3. Vielmehr der liebe Herre Gott,
der sie also geschaffen hat,
zu sein die rechte Sängerin,
der Musika ein Meisterin.

         4. Dem singt und springt sie Tag und Nacht,
         seins Lobes sie nicht müde macht:
         den ehrt und lobt auch mein Gesang,
         und sagt ihm einen ewgen Dank.“

Das ist ein schönes Lied Luthers, von dem man sich wundert, warum es bei uns so wenig bekannt ist. Es ist der zweite Teil der Vorrede auf alle guten Gesangbücher zu Johann Walters "Lob und Preis der löblichen Kunst Musica", Wittenberg 1538.[6] Himmel und Erde ist voll von Musik und Klang, die uns bewegen. Joachim-Ernst Berendts aus dem Buddhismus gewonnene Erkenntnis, die Welt ist Klang,[7] begegnet also auch bei Luther.

Da wird der Sommer gelobt, der so überschwänglichen Reichtum in jeglicher Hinsicht bringt. Es wird deutlich, warum Musik jenseits alles Nützlichen eine gute Gabe ist wie die Rechtfertigung allein aus Gnaden: nicht billig, sondern umsonst – ja, im doppelten Sinn des Wortes vergeblich.

Doch Luthers Vorrede hat auch einen ersten Teil, der bei uns noch unbekannter ist und der von dem redet, was ich mit dem Stichwort Agon benenne. Manche Zeilen dieser Vorrede sind nach dem Motto "Reim dich oder ich fress dich", so dass man fast von einer Büttenrede sprechen könnte:

Frau Musika spricht:
„Für allen Freuden auf Erden / kann niemand kein feiner werden,
denn die ich geb mit meim Singen / und mit manchem süßen Klingen.
Hie kann nicht sein ein böser Mut, / wo da singen Gesellen gut.
Hie bleibt kein Zorn, Zank, Hass noch Neid, / weichen muss alles Herzeleid.
Geiz, Sorg und was sonst hart anleit / fährt hin mit aller Traurigkeit.
Auch ist ein jeder des wohl frei, / dass solche Freud kein Sünde sei,
sondern auch Gott viel bass (besser) gefällt / denn alle Freud der ganzen Welt.
Dem Teufel sie sein Werk zerstört / und verhindert viel böser Mörd.
Das zeugt David, des Königs Tat, / der dem Saul oft gewehret hat
mit gutem süßen Harfenspiel, / dass er in großen Mord nicht fiel. (1. Sam 16,23)
Zum göttlichen Wort und Wahrheit / macht sie das Herz still und bereit;
solchs hat Elisäus bekannt, da er den Geist durchs Harfen fand. (2 Kön 3,15)

Da er den Geist durchs Harfen fand – eine wunderschöne Umschreibung für einen in Ekstase fallenden Propheten, der durch das Harfenspiel eines bestellten Spielmannes zu der Vision kommt, die es dann dem Volk Israel erlaubt, eine Schlacht zu gewinnen.

Aber in erster Linie ist mir an diesem Text wichtig, dass Musik das Werk des Teufels zerstört und Morde verhindert. Musik, Lied und Gesang sind damit in erster Linie Kampfgeschehen. Diese Dimension kommt in unseren theologischen Spiel- und Gottesdiensttheorien jedoch kaum noch vor.[8]

Agon, also der Kampf, der Wettstreit ist nach Roger Caillois[9] eine der vier Grundformen des Spiels. Agon kommt aber in theologischen Spieltheorien kaum vor. Anders bei Luther: Für ihn war der Gottesdienst noch dazu da, den Teufel zu vertreiben, woran die Musik und der Gesang wesentlichen Anteil haben. Demgegenüber wird Gottesdienst im Gefolge Schleiermachers vor allem als Darstellung des religiösen Bewusstseins der Glaubenden bzw. der Gemeinde verstanden. Da kommt Circulation vor, aber nicht mehr Kampf. Folgerichtig ist Gottesdienst nach Schleiermacher darstellendes und nicht wirksames Handeln. Im Gottesdienst wird etwas gemeinschaftlich aufgeführt bzw. in Szene gesetzt.[10]

Das geht auch besonders gut, wenn die eigenen Gefühle positiv gestimmt sind, weil es dann keinen Gegner gibt, von dem oder der sich die im Gottesdienst Versammelten abgrenzen müssten. Ich betone ausdrücklich: Solch positiv gestimmte Gottesdienste sind wichtig für eine Volkskirche, die von der Distanz ihrer Mitglieder lebt. Solche Gottesdienste sprechen viele Menschen an, z.B. im Advent, an Heilig Abend, bei Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen, Jubiläen, Gemeindefesten, Kirchentagen etc.

In einer Paderborner Umfrage zum Singen im Gottesdienst wurde dieser Zugang zum Gottesdienst grundsätzlich bestätigt.[11] Die Menschen gaben dort an, am wenigsten gerne zu singen, wenn sie bedrückt sind. Gottesdienstliches Singen wird demzufolge mit Lob, Dank und Bitte in Verbindung gebracht, weniger jedoch mit Klagen.

Nur in wenigen Gottesdiensten kommt der Umstand explizit zur Geltung, dass wir eben auch ohnmächtig sind gegenüber dem, was passiert, dass wir uns bedroht fühlen und gegen einen Feind zu Felde ziehen. Solches geschieht etwa in Gottesdiensten angesichts von drohenden Kriegen oder nach Katastrophen, die in unser landeskirchlichen Gottesdienstkultur jedoch glücklicherweise meist extreme Ausnahmesituationen darstellen.

In der weltweit stark boomenden Christenheit hingegen, also in den Pfingstbewegungen, ist der Gesang als agonales Geschehen, als Kampf gegen die Leben zerstörenden Mächte eine wesentliche gottesdienstliche Komponente.[12]

So stellt sich auch für unseren Sonntagsgottesdienst die Frage, was geschieht, wenn jeden Sonntag Schönwetterliturgie gemacht wird. Dann kann es schnell langweilig werden, weil da nichts mehr auf dem Spiel steht. Bei Luther hat der Gottesdienst demgegenüber noch eine exorzistische Note: da wird der Teufel vertrieben, das Böse, Unterdrückende und Lebensfeindliche benannt und gebannt. Ich versuche diesen Impuls zu transformieren, so dass meine Kardinalfrage für die eigene Gottesdienstvorbereitung immer lautet:

  • Was steht in diesem Gottesdienst auf dem Spiel?
  • Wo riskiert die Kirche, der Glaube, meine Theologie, mein Musikgeschmack in diesem Gottesdienst etwas?
  • Wie kann Gott dabei ins Spiel kommen? Wo geht es hierbei ans Eingemachte?
  • Und welche bösen Geister kann ich in diesem Gottesdienst vertreiben?

Wenn wir einen Blick auf Kirchen in nicht privilegierten oder gar Unterdrückungssituationen werfen, wie z.B. den Black Churches und ihren Traditionen, aber auch auf die hymnologische Praxis in der Bekennenden Kirche oder in der DDR,[13] z.B. bei den Friedensgebeten, dann zeigt sich eine Gottesdienstkultur, die dieses agonale Element immer mit sich trägt. Die Bekennende Kirche etwa hat das gemeinsam im Stehen gesprochene Glaubensbekenntnis als Kampfansage gegen die Gottlosigkeit der Nazis für sich entdeckt.[14] Oder: Die Black Churches haben mit ihrer Call-and-Response-Struktur beim Gospel ebenso wie in der Predigt eine agonale Grundstruktur, in der sich die Gottesdienstteilnehmenden gegenseitig anstacheln.[15] Als ein besonders gelungenes zeitgenössisches Beispiel verweise ich auf Barack Obamas Gottesdienstansprache in der Mother-Emanuel-Church am 26. Juni 2015[16] als funeral für Senator Pinckney und die anderen Opfer des Massakers am 17. Juni 2015 in eben dieser ersten afroamerikanischen Kirche der Südstaaten.[17] Schließlich: Die Friedensgebete in der DDR im Angesicht der Bedrohung durch die Staatsmacht hatten einen wesentlichen Anteil an der friedlichen Revolution 1989. Dieser friedliche Widerstand beinhaltete eine intensive agonale Dimension.[18]

Es ist ja interessant, dass in unserer Kultur diese agonale Grundstruktur bei nahezu allen Spaß machenden Formen des öffentlichen Singens vorhanden ist, sei es im Karneval, im Fußballstadion, beim Karaoke oder bei DsdS und verwandten Fernsehformaten – immer steht hier was auf dem Spiel. Mal wird der Gegner lustvoll und schamlos in Grund und Boden gesungen, wobei man selber zum 12. Mann auf dem Platz wird und damit die Jüngerzahl verkomplettiert. Oder es steht die eigene Ehre schamvoll auf dem Spiel. Singen in agonalen Grundstrukturen macht deshalb Spaß, weil es als darstellendes Handeln eminent wirksames Handeln ist und umgekehrt – auch wenn ich als Fan des MSV Duisburg daran mitunter meine Zweifel habe.

Die folgende Lied-Inszenierung eines Weihnachtsliedes von Martin Luther lässt eine agonale Situation anklingen:

Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23)[19]

Das ganze Lied wird strophenweise unter zwei Gruppen aufgegliedert, rechts und links, nur das „Kyrieleis“ singen immer alle.

Strophe 1:   alle (danach die Paradoxa des Textes = die Extreme liegen weit auseinander):

Strophe 2:   rechter Block stellt sich und singt mit dem Gesicht zur Wand

Strophe 3:   linker Block stellt sich und singt mit dem Gesicht zur anderen Wand

Strophe 4:   alle, mit dem Gesicht nach oben bzw. zu einem Fenster ("das ewig Licht")

Strophe 5:   die beiden Gruppen wechseln zeilenweise

Strophe 6:   alle, Kopfe gebeugt ins Buch, nach unten singen ("auf Erden kommen arm")

Strophe 7:   alle gehen und singen aufeinander zu (Richtung Mittelgang), schauen sich dabei an und geben sich zum Schluss die Hand.


2. Kein Gewinn

Für manche Ohren stoßen Luthers Texte mitunter auf Rezeptionsschwierigkeiten. Schon oft habe ich dies bei einem protestantischen Kardinallied gehört, dessen Rezeptionsgeschichte nur wenige Ruhmesblätter aufzuweisen hat: Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362).[20] So habe ich wiederholt den Vorwurf der typisch protestantischen leibfeindlichen Tendenz gehört, wenn es dort heißt: "Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin; 's hat all kein Gewinn. Das Reich muss uns doch bleiben."

Ich habe erst bei der Vorbereitung dieses Artikels gemerkt, dass das allgemeine "'s hat all kein Gewinn" gar nicht im Liedtext steht, sondern: "sie haben's kein' Gewinn."

Das ist natürlich ein gravierender Unterschied, aber noch gar nicht das Entscheidende. Natürlich kann man sagen: Ist das nicht grausam, wenn jemand alle diese Werte fahren lässt? Ja, das ist grausam, aber so muss man diesen Text nicht unbedingt interpretieren. Ich versuche daher eine andere Interpretation.

In einer Zeit, in der alles, was es an Menschengemachtem und Gottgeschenktem gibt, auf Gewinn- und Verlustrechnungen getrimmt und bewertet wird, ist es einerseits unerhört und andererseits eine Wohltat, wenn jemand sagt: "sie haben's kein' Gewinn." In Luthers Lied wird eine Grenze dessen benannt, was der Kategorie Gewinn unterworfen werden darf und was nicht. Und diese Grenze heißt: Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib gehört nicht zu dem, was unter teuflische Gewinnmaximierungsprozesse fallen darf. Dabei meint Luther beim Thema Gut nicht den Luxus, sondern das Lebensnotwendige, die Grundsicherung. So stellt Luther das Reich dem Reichtum strikt entgegen.

Das Fahren-Lassen-Können, oder mystisch gesprochen, die Gelassenheit in diesen Angelegenheiten ist eine schwierige Einsicht. Sie gilt nach Luther nicht im politischen, sondern im geistlichen Bereich. Wenn jedoch im geistlichen Bereich diese Gelassenheit, diese Unabhängigkeit vom Eingemachten da ist, dann kann – nein, dann muss und wird es auch im politischen Bereich dazu kommen, dass Christenmenschen sich gegen solch teuflische Machenschaften wenden und etwas gegen solche Leben zerstörenden Strukturen unternehmen.

Wir befinden uns mit diesen Fragen nicht zufällig mitten im Zentrum der Reformation.[21] Luther hatte die katholische Kirche seiner Zeit mit den Ablassthesen[22] an einem ökonomisch empfindlichen Punkt getroffen. Denn das Ablasswesen finanzierte u.a. den Petersdom, der sich mitten im Bau befand. Luther interessierte die Heilsökonomie, nicht die ökonomischen Verflechtungen seiner Kirche. Er stieß aber mit seinen heilsökonomischen Thesen in ein ökonomisches Wespennest. Im Gefolge seiner Ablassthesen hat sich für Luther sehr schnell und klar seine Rechtfertigungslehre heraus kristallisiert, von der Luther behauptete, der Heilige Geist habe ihm diese auf der Cloaka, also auf dem Klo geschenkt[23] – und der psychoanalytische Zusammenhang von Geld und alldem, was auf dem Klo so runtergespült oder in die Tiefe gelassen wird, ist ja sprichwörtlich.

Wie dem auch sei, Luther hat deutlich gemacht: Die Gnade ist nicht billig, sondern umsonst – ja, die Gnade ist vergeblich. Vergeblichkeit ist das zentrale Kennzeichen dieser teuren Gnade. Das ist eine der zentralen Aussagen der Ablassthesen Luthers. In Luthers Ablassthesen ging es vor allem um den sog. thesaurus ecclesiae, den Schatz der Kirche. Aus diesem thesaurus ecclesiae nämlich bezog die Kirche ihr Recht zum Ablass. Dieser thesaurus ecclesiae, dieser Schatz der Kirche bestand aus den überschüssigen Verdiensten Christi und aller Heiligen, weshalb Luther auch seine Thesen einen Tag vor Allerheiligen veröffentlichte. Diese Verdienste maßte sich die Kirche nun an, unters Volk verjubeln zu dürfen. Luther setzt dagegen: Der thesaurus ecclesiae ist das liebe Evangelium. Und dieses heißt: Die Gnade ist umsonst. Dafür bedarf es keines Ablasses. Das Evangelium ist so überschwänglich reich, dass alle unsere Vorstellungen davon, es mit Geld aufzuwiegen, töricht sind. Damit greift Luther jedes System an, welches sich das Heil mit Geld zu erkaufen sucht.[24] Der Ablass mit seinen bekannten inflationären Tendenzen ist die Kehrseite des beginnenden Zinswuchers, den Luther bei den Fuggern, den Mitbegründern des kapitalistischen Systems, ja auch stark kritisierte.[25]

Zwischen dem Ablass und der Börse bestehen nicht nur zufällig Verbindungen. Beide treten zur gleichen Zeit als wirkmächtige Faktoren in Erscheinung. Sie verbindet inhaltlich folgender Gedanke: Beide erkaufen sich aufgrund eines imaginären Tauschhandels Zukunft bzw. Zukunftsoptionen, beide wetten auf Gewinne in der Zukunft: beim Ablass sind dies Erleichterungen im Fegefeuer, bei der Börse sind dies die zu erwartenden Gewinne einer Aktie. Wichtig ist bei beiden: Der zu erwartende Gewinn liegt in der Zukunft, wird aber jetzt schon investiert oder verbraten. Und diesen Gewinn kann ich mir jetzt schon kaufen, erhandeln, raushandeln.

Und genau diese Spekulationsblase lässt Luther mit seiner Rechtfertigungslehre platzen. Denn das Heil, das auf uns Zukommende, das Letzte, ja das Allerletzte ist umsonst. Als solches ist dieses Letzte verletzlich und verlässlich.

Nun könnte man sagen, man soll doch die Börse und das Böse nicht verwechseln, denn die Börse ist doch ein weltlich Ding. Ja, in der Tat. Sie ist ein weltlich Ding, sie ist maximal Vorletztes, das Allerhintervorletzte. Aber – und das ist das Problem – so wird sie in unserer Welt nicht gehandhabt. Von ihr werden Dinge erwartet, die nur Gott zukommen. In ihr entstehen existenzielle Abhängigkeiten, die als religiös zu qualifizieren sind. Von ihrem Funktionieren wird das Heil dieser Welt erwartet. Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott – so Luther im Großen Katechismus.

Und genau hier lässt Luther die Luft raus, wenn er sagt: Zu Deinem Heil kannst Du gar nichts hinzutun. Deine Zukunft kannst Du Dir nicht erkaufen, da kannst Du Dir auch keine Optionen heraushandeln. Das alles ist umsonst, vergeblich, Geschenk, reine Gnade. Das ist entwaffnend – und das wollen viele Menschen nicht!

Vielleicht klingt die feste Burg nach diesen Überlegungen etwas anders, etwas weniger siegessicher, dafür aber stärker uns in Bewegung versetzend. Dafür müssen wir uns aber auf ihren Rhythmus einlassen, den Luther komponiert hat:

EG 362 (Melodie I) im Laufen singen:
rechts – links Schritte im alla-breve-Tempo gehen, ein Schritt auf jeweils 2 Halbe


3. In Szene setzen

Nicht nur Gottesdienst und Predigt werden in der Praktischen Theologie als Inszenierungen begriffen, auch der Religions- und Konfirmandenunterricht und natürlich auch das Gesangbuch und all das, was wir mit dem Gesangbuch so anstellen. Wer einmal begonnen hat, Lieder als Theaterstücke, als Performances anzusehen und sie hin und wieder auch als solche zu inszenieren, wird im Gesangbuch ohne Ende Entdeckungen machen können. Was mit der Bibel z.B. im Bibliodrama oder Bibliolog gemacht wird, lässt sich genauso gut auch mit Liedern machen: Hymnolog oder Hymnodrama. Die Inszenierungsdimension möchte ich hier an zwei der berühmtesten Lutherlieder deutlich machen.

Vom Himmel hoch, da komm ich her z.B. (EG 24) ist nichts Geringeres als ein Drehbuch für ein Krippenspiel.[26] Luther hatte dieses Lied bewusst als Kinderlied komponiert und ihm eine weltliche Tanzmelodie zugrunde gelegt. Das mittelalterliche Krippenspiel bildet sich in den drei Teilen des Liedes ab:

1. Verkündigung der Geburt des Heilands durch den Engel (Str. 1-5)
2. Aufbruch der Hirten nach Bethlehem (Str. 6)
3. Die betrachtende Anbetung vor der Krippe (Str. 7-15)

Eine solche Liedstruktur kann ich mir sehr gut als Inszenierungsidee für einen Advents- oder Weihnachtsgottesdienst vorstellen, aber auch für den Auftrag an Konfirmandinnen und Konfirmanden, eine Foto-Story oder ein Video mit Bildern aus ihrer Stadt oder Gemeinde dazu zu drehen.

Solche Inszenierung kann auch dann gelingen, wenn man die Dinge auf den Kopf stellt. Die folgenden Anweisungen gelten für das jeweilige Singen der 1. Strophe:[27]

EG 24, 1: Vom Himmel hoch, da komm ich her
1. Normale Melodie
2. Krebs (Melodie von hinten)
3. Umkehrung (Gesangbuch auf den Kopf stellen)
4. Krebs der Umkehrung (Gesangbuch auf den Kopf gestellt, Melodie von hinten)

Ein anderes Modell der Inszenierung kann darin bestehen, ein bestimmtes Lied auf unterschiedliche Melodien zu singen, welche auch unterschiedliche Emotionen anklingen lassen.

So lassen sich bei "Nun freut euch lieben Christen g'mein" (EG 341) alle Kirchenjahreshauptfeste wieder finden.

Dementsprechend können dazu auch Melodien gesungen werden:[28]

Nun freut euch lieben Christen g’mein (EG 341)
341,1: Originalmelodie
341,2: Dem Teufel ich gefangen lag: Aus tiefer Not (EG 299 I)
341,3: Mein guten Werk, die galten nicht: Es ist das Heil uns kommen her (EG 342)
341,4: Da jammert Gott in Ewigkeit: Brich an, du schönes Morgenlicht (EG 33) Letzte Zeile 2x
341,5: Er sprach zu seinem lieben Sohn: Vom Himmel hoch (EG 24, 2x), Letzte Zeile 2x
341,6: Der Sohn dem Vater g'horsam ward: Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23, 2x), Letzte Zeile 2x
341,7: Er sprach zu mir: Ein Lämmlein geht (EG 83), drei letzte Zeilen 2x
341,8: Vergießen wird er mir mein Blut: Mit Freuden zart (EG 108)
341,9: Gen Himmel (1.+3. Zeile 2x): O Heilger Geist, kehr bei uns ein (EG 130)
341,10: Originalmelodie


4. Rhythmus[29]

Das wesentliche Kennzeichen der Populären Musik gegenüber der klassischen Musik stellt der Rhythmus dar, der auch in der Kirchenmusik wenig Bedeutung hat, was natürlich auch am wichtigsten Instrument der Kirchenmusik, der Orgel liegt. Natürlich kann man nun einwerfen, dass auch die Klassik vom Rhythmus geprägt sei, was ja z.B. auch viele Einspielungen der letzten Jahrzehnte, angefangen mit John Eliot Gardiner, zu Gehör bringen. Und natürlich ist auch die Orgel kein rhythmusloses Instrument. Dennoch wird man sagen können, dass die Trommeln, also das, was in Afrika den Ton angibt und woraus in der heutigen Musik der sog. Beat bzw. Groove entsteht, nicht zum Standard des kirchenmusikalischen Repertoirs gehört.

Als wir in Paderborn unter Grundschulkindern eine Umfrage zu religiöser Musik gemacht haben, haben wir ihnen 10 unterschiedliche Stücke vorgespielt, darunter auch Händels Halleluja in der Originalversion gespielt von Sir Neville Marriner sowie Handel's Hallelujah in der Funk-Version von Quincy Jones auf der Scheibe: Handel's Messiah – a Soulful Celebration. Die Reaktion der Kinder war eindeutig: Schöne Musik, aber, so die Kinder zu Händels Originalversion: Schade, hier fehlt das Schlagzeug!

Es ist schon angeklungen, dass einige der Lutherlieder ganz schön komplizierte und interessante Rhythmen haben, die uns in Schwung bringen können, wenn wir uns darauf einlassen. Ich gehe nun aber den umgekehrten Weg gehen und singe mit einem allseits bekannten Rhythmus ein altes Lied, das zwar nicht von Luther stammt, dessen Melodie aber in Wittenberg 1529 mitgeprägt wurde: Christ ist erstanden: EG 99.

Es gibt aus meiner Sicht nur drei musikalische Motive, die wir innerlich sofort weiterführen, wenn wir sie hören:

1. Motiv: Bachs Toccata d-moll,
2. Motiv: Beethovens 5. Symphonie,
3. Motiv: Queen: Rhythmus-Motiv We will, we will rock you (gefolgt natürlich von: We are the Champions). 2 x klatschen auf die Oberschenkel, 1x in die Hände klatschen.

Das Rhythmus-Motiv von We will rock you lege ich nun unter den Champions-Auferstehungs-Choral EG 99, der dabei einstimmig gesungen wird.


5. Sound

Neben dem Rhythmus stellen der Sound bzw. das Arrangement immer wichtigere Elemente der heutigen Populären Musik dar. In unserer Paderborner Umfrage zum Singen im Gottesdienst war es sehr interessant, dass sich auch dieses Phänomen deutlich widerspiegelte, denn die Kategorie "Musik/Klang" wurde für das Singen höher bewertet als die Kategorie "Text". Der Ton macht eben die Musik, was insbesondere auch für die Musikkultur in unseren Gemeinden gilt. Zur Beruhigung kann ich sagen, dass der Text bei den Älteren fast gleichauf lag mit der Kategorie "Musik/Klang". Wir haben da also noch eine gewisse Schonfrist. Aber die Soundgestaltung wird immer wichtiger werden für unsere Gottesdienste.

Sound-Experiment: Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124[30])
Das Fünfermetrum des Liedes wird in 5 Gruppen gesungen:


6. Pop

Luthers Lieder werden heute nur dann wieder belebt werden können, wenn sie Pop werden, wie damals. Luthers Lieder waren eines der wichtigsten Medien für die Ausbreitung der Reformation und des Protestantismus. In vielen Städten wird der Beginn der reformatorischen Bewegung mit dem Zeitpunkt festgelegt, als dort zum ersten Mal ein deutschsprachiges Lied im Gottesdienst gesungen wurde. Für eine wenig alphabetisierte Bevölkerung war der Gesang das wichtigste Medium, um an der neuen Glaubensbewegung teilhaben zu können. Im Gefolge der Lieder Luthers ist dann eine hoch entwickelte Gesangskultur entstanden, nicht nur im Protestantismus, sondern kurze Zeit später auch im Katholizismus, ich erinnere hier nur z.B. an den Paderborner Theologen und barocken Liederdichter Friedrich Spee (1591-1635).[31]

Das wichtigste Medium der Popkultur ist die Unterhaltung,[32] die eine lange theologische Tradition hat. Unterhaltung beinhaltet in der deutschen Sprache drei Dimensionen:

1. Gott unterhält die Welt. Unterhaltung ist das, was uns nährt.
Wir kennen das von der Unterhaltszahlung.

2. Wir unterhalten uns miteinander.
Solche Unterhaltung stellt Gespräche auf Augenhöhe dar.
Solche Unterhaltung ermittelt nach presbyterial-synodalem Verständnis Wahrheit.
Wahrheit wird nicht dekretiert, sondern ist ein Unterhaltungsprodukt.

3. Und schließlich macht Unterhaltung Spaß,
sie rührt und berührt uns, sie begeistert.

Alle drei Dimensionen zusammen ergeben ein theologisch fundiertes Verständnis von Unterhaltung, die unseren Gottesdiensten ebenso gut tun würde wie unserer Kirchenmusik:

1. Unterhaltung als Ernährung;
2. Unterhaltung als Gespräch von Gleichberechtigten zur Ermittlung von Wahrheit;
3. Unterhaltung als Lust.

Was für die eine aber Unterhaltung ist, ist für den anderen häufig der letzte Mist. Es gibt in unterschiedlichen Milieus unterschiedliche Verständnisse und Kulturformen von Unterhaltung. Keine dieser Unterhaltungsformen ist dem Evangelium ferner oder näher als andere. So müssen wir als Kirche in all unseren Arbeitsfeldern diese unterschiedlichen Formen von Unterhaltung mit so wenig Wertung wie möglich lesen lernen. Nur dann werden wir Zugänge finden zu den Menschen und ihren Kulturen.

Wenn Luthers Lieder heute wieder Pop sein sollen, dann muss man sie auch Popkünstlern zur Bearbeitung, Inszenierung, Ingebrauchnahme vorlegen. Sarah Kaiser hat hier einige sehr interessante CDs hervorgebracht, allerdings kein Lutherlied darunter. Der Wuppertaler Pfarrer Erhard Ufermann hat viele Choräle im Latino-Stil verjazzt, ebenso das Rostocker Trio um den Organisten Karl Schwarnweber. Sie machen Choral-Concert mit Orgel, E-Gitarre und Saxophon.

Meine Empfehlung für das Thema Reformation und Musik lautet: Geben Sie eine Popkulturalisierung von Luthers Chorälen an Musikerinnen und Musiker Ihrer Gemeinde oder Ihres Kirchenkreises in Auftrag. Von mir aus dürfen die auch richtig Punk machen! Trauen Sie sich, diesen großen Schatz weit nach draußen in die Welt zu geben und bearbeiten zu lassen. Und lassen Sie sich überraschen vom Wirken des Heiligen des Geistes auch extra muros ecclesiae.

Gute Unterhaltung dabei!

Anmerkungen

[1]    Vgl. dazu Harald Schroeter-Wittke, Liturgische Moderation. Praktisch-theologische Erwägungen zu einem exemplarischen Modus zeitgenössischer Verkündigung, in: Pastoraltheologie 99 (2010), 449-463.

[2]    Vgl. dazu Wolfgang Hochstein / Christoph Krummacher (Hg.), Geschichte der Kirchenmusik. Band 1: Von den Anfängen bis zum Reformationsjahrhundert. Enzyklopädie der Kirchenmusik I/1, Laaber 2011, 210-360. Zur Musikauffassung im Luthertum vgl. Christoph Krummacher, Musik als praxis pietatis. Zum Selbstverständnis evangelischer Kirchenmusik, Göttingen 1994; sowie Johannes Block, Verstehen durch Musik: Das gesungene Wort in der Theologie. Ein hermeneutischer Beitrag zur Hymnologie am Beispiel Martin Luthers, Tübingen/Basel 2002. Zur reformierten Musikauffassung vgl. Institut für Kirchenmusik der ev.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich (Hg.), Musik in der evangelisch-reformierten Kirche. Eine Standortbestimmung, Zürich 1989. Zum Zusammenhang von Musik und Mission vgl. Verena Grüter / Benedict Schubert (Hg.), Klangwandel. Über Musik in der Mission, Frankfurt/M. 2010.

[3]     Ernst Klusen: Singen. Materialien zu einer Theorie, Regensburg 1989, 16.

[4]    Vgl. Harald G. Wallbott: Kommunikation von Emotionen – Zur Bedeutung der Sprechstimme, in: Wege zum Menschen 47 (1995), 201-214.

[5]    Vgl. dazu Gerhard Rödding, Ein neues Lied wir heben an. Martin Luthers Lieder und ihre Bedeutung für die Kirchenmusik, Neukirchen-Vluyn 2015.

[6]    Vgl. dazu Henning P. Jürgens, Das Evangelium singen. Gesangbücher und Psalter im europäischen Kontext, in: Irene Dingel / Ute Lotz-Heumann (Hg.), Entfaltung und zeitgenössische Wirkung der Reformation im europäischen Kontext, Gütersloh 2015, 103-123; sowie Jürgen Heidrich, Der Beitrag der Musik zur Bildung reformatorischer Identitäten: das Beispiel Johann Walter, in: ebd., 124-134.

[7]    Joachim-Ernst Behrendt, Nada Brahma. Die Welt ist Klang, Frankfurt/M. 1983.

[8]    Vgl. dazu Thomas Klie, Zeichen und Spiel. Semiotische und spieltheoretische Rekonstruktion der Pastoraltheologie, Gütersloh 2003; sowie Oliver Kliss, Das Spiel als Bildungstheoretische Dimension der Religionspädagogik, Göttingen 2009.

[9]    Roger Caillois, Les jeux et les hommes. La masque et le vertige, Paris 1958 (dt.: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch, München u.a. 1960).

[10]   Vgl. dazu Michael Meyer-Blanck, Gottesdienstlehre, Tübingen 2011, 25-40.

[11]   Klaus Danzeglocke / Andreas Heye / Stephan A. Reinke / Harald Schroeter-Wittke (Hg): Singen im Gottesdienst. Ergebnisse und Deutungen einer empirischen Untersuchung in evangelischen Gemeinden, Gütersloh 2011.

[12]   Vgl. dazu Gregor Etzelmüller, … zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn. Eine biblische Theologie der christlichen Liturgiefamilien, Frankfurt/M. 2010. Etzelmüller würdigt diese Gottesdienstkultur als eine von fünf biblisch begründbaren Gottdienstkulturen neben der orthodoxen, der römisch-katholischen, der lutherischen und der reformierten Gottesdiensttradition.

[13]   Vgl. dazu grundlegend Michael Haspel, Politischer Protestantismus und gesellschaftliche Transformation. Ein Vergleich der Rolle der evangelischen Kirchen in der DDR und der schwarzen Kirchen in der Bürgerrechtsbewegung in den USA, Tübingen/Basel 1997.

[14]   Friedrich Kalb, Grundriss der Liturgik, München 31985, 138. Für die Hymnologie ist die agonale Situation während der NS-Zeit sehr differenziert untersucht worden von Matthias Biermann, „Das Wort sie sollen lassen stahn…“ Das Kirchenlied im „Kirchenkampf“ der evangelischen Kirche 1933-1945, Göttingen 2011. Zur kritischen Situation der Kirchenmusik in der NS-Zeit vgl. Klaus Danzeglocke (Hg.), Kirchenmusik unter dem Hakenkreuz. Dokumentation der Tagung vom 5. bis 8. Juni 1987 in Ev. Studentengemeinde Essen, Selbstverlag Essen 1990; sowie Dietrich Schuberth (Hg.), Kirchenmusik im Nationalsozialismus, Kassel 1995.

[15]   Dass die von uns Weißen geprägten Kirchen diese Gottesdienstform nicht einfach übernehmen können, weil sich diesen Formen auch das Leiden aufgrund der Unterdrückung durch die Weißen eingeprägt hat, zeigt Andrea Bieler, Gottesdienst interkulturell. Predigen und Gottesdienst feiern im Zwischenraum, Stuttgart 2008, 229f.

[18]   Vgl. dazu Kay-Ulrich Bronk, Der Flug der Taube und der Fall der Mauer. Die Wittenberger Gebete um Erneuerung im Herbst 1989, Leipzig 1999; Susanne Höser / Richard Scherer, Wir hatten Hoffnung auf eine Demokratie. Rostocker Protestanten im Herbst ’89, Mössingen-Talheim 2000; sowie Hermann Geyer, Nikolaikirche, montags um fünf. Die politischen Gottesdienste der Wendezeit in Leipzig, Darmstadt 2007.

[19]   Nach Christa Kirschbaum, Melodiespiele mit Gesangbuch-Liedern. Singen bewegt 1, München 2005, 11 Variante D. Für weitere Gesangbuchlieder-Inszenierungen vgl. auch Wolfgang Teichmann, Choral-Groove. Rhythmusspiele und einfache Körper-Begleit-Rhythmen zu Gesangbuchliedern. Singen bewegt 2, München 2006; sowie Siegfried Macht, Gesangbuch-Lieder als Tänze entdecken. Singen bewegt 3, München 2007.

[20]   Vgl. dazu Michael Fischer, Religion, Nation, Krieg. Der Lutherchoral Ein fest Burg ist unser Gott zwischen Befreiungskriegen und Erstem Weltkrieg, Münster/New York 2014.

[21]   Auf der symbolischen Ebene wurde der Thesenanschlag schon zu Luthers Lebzeiten als Beginn der Reformation betrachtet; zur neueren Diskussion um den Thesenanschlag vgl. Joachim Ott / Martin Treu (Hg.), Luther Thesenanschlag – Faktum oder Fiktion, Leipzig 2008.

[22]   Vgl. dazu Robert Kolb, Luthers Appell an Albrecht von Mainz. Sein Brief vom 31. Oktober 1517, in: Irene Dingel / Henning P. Jürgens (Hg.), Meilensteine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Luthers, Gütersloh 2014, 80-88; Wolfgang Thönissen, Luthers 95 Thesen gegen den Ablass (1517). Ihre Bedeutung für die Durchsetzung und Wirkung der Reformation, in: ebd., 89-99; sowie Falk Eisermann, Der Einblattdruck der 95 Thesen im Kontex der Mediennutzung seiner Zeit, in: ebd., 100-106.

[23]   Ich verdanke diese Sicht auf Luther dem großen Reformationshistoriker Heiko Augustinus Oberman, Luther – Mensch zwischen Gott und Teufel, Berlin 1983.

[24]   Die Ablassthesen von 1517 spielen inhaltlich kaum eine Rolle in der allgemeinen Rezeption der Reformation. Auch in der Lutherforschung werden sie eher stiefmütterlich behandelt. Für 2017 haben die pädagogisch-theologischen Einrichtungen der Evangelischen Kirchen in Deutschland einen Versuch publiziert, diese 95 Thesen in ihrer aktuellen Brisanz mit den Mitteln performativer Religionsdidaktik zu präsentieren: Stefan Herrmann / Silke Leonhard / Peter Schreiner / Harald Schroeter-Wittke / Lothar Teckemeyer (Hg.), 95 Thesen – jetzt! Ein Bildungsbuch, Loccum/Hannover 2017.

[25]   Vgl. dazu systematisch-theologisch Friedrich-Wilhelm Marquardt, Gott oder Mammon, aber: Theologie und Ökonomie bei Luther, in: Friedrich-Wilhelm Marquardt / Dieter Schellong / Michael Weinrich (Hg.), Einwürfe 1, München 1983, 176-216.

[26]   Zum Folgenden vgl. Ansgar Franz, Vom Himmel hoch, da komm ich her, in: Gerhard Hahn / Jürgen Henkys (Hg.), Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch Heft 12, Göttingen 2005, 16-24.

[27]   Nach Christa Kirschbaum, a.a.O., 13f., Veränderung 5.

[28]   Nach Christa Kirschbaum, a.a.O., 39. Manchmal müssen Zeilen zweimal gesungen werden.

[29]   Vgl. dazu Harald Schroeter-Wittke, Rhythmus, in: Gotthard Fermor / Harald Schroeter-Wittke (Hg.): Kirchenmusik als religiöse Praxis. Praktisch-theologisches Handbuch zur Kirchenmusik, Leipzig 2005, 42-49; sowie ders., Intakt und Ekstase. Praktisch-theologische An- und Vorschläge zum Rhythmus, in: ders., Musik als Theologie. Studien zur musikalischen Laientheologie in Geschichte und Gegenwart, Leipzig 2010, 199-215 (auch in https://www.theomag.de/23/hsw1.htm).

[30]   Nach Christa Kirschbaum, a.a.O., 25f., Variante A.

[31]   Vgl. Theo G.M. van Oorschot (Hg.), Friedrich Spee (1591-1635). Düsseldorfer Symposion zum 400. Geburtstag. Neue Ergebnisse der Spee-Forschung, Bielefeld 1993.

[32]   Vgl. dazu Harald Schroeter-Wittke, Unterhaltung. Praktisch-theologische Exkursionen zum honiletischen und kulturellen Bibelgebrauch im 19. und 20. Jahrhundert anhand der Figur Elia, Frankfurt/M. 2000.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/103/hsw20.htm
© Harald Schroeter-Wittke, 2016