Wozu geht der Theologe ins Kino?


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Animal Symbolicum, Religion, Kultur, Sinnmaschine

Vorläufige Thesen zum Erkenntniswert theologischer Kulturhermeneutik

Jörg Herrmann

1. Was ist Kultur?

Wer systematisch darüber nachdenken will, was die Auseinandersetzung mit Kultur für das theologische Denken bedeutet und austrägt, kommt an einer Klärung des Kulturbegriffs m.E. nicht vorbei. Ausgehen lässt sich dabei von einer nach wie vor gültigen grundlegenden Formulierung Paul Tillichs. Sie lautet: „Kultur ist das, was der menschliche Geist über das Gegebene hinaus schafft. (...) Das heißt, Kultur umschließt das gesamte geistige Leben des Menschen, und nichts kann davon ausgeschlossen sein, (...) auch nicht Religion.”[1]

Tillichs Formulierung stammt aus den 1950er Jahren.[2] Damals war er einer der wenigen Theologen, die sich überhaupt für Kulturtheorie interessierten. Die Schlüsselstellung des Kulturbegriffs in den aktuellen vor allem praktisch-theologischen Diskursen verdankt sich nicht zuletzt einem cultural turn, der in den späten 60er und frühen 70er Jahren seinen Anfang nahm.[3] Seitdem sind kulturwissenschaftliche Fragestellungen und Perspektiven vor allem in der sozialwissenschaftlich orientierten angelsächsischen Wissenschaftskultur auf dem Vormarsch, so dass heute von einem cultural turn in den Sozial- und Kulturwissenschaften die Rede ist.[4] Konzeptioneller Kern dieses Wandels ist die Entdeckung der handlungskonstitutiven Bedeutung kultureller Sinnmuster oder symbolischer Ordnungen.[5]

Zum realhistorischen Kontext dieser Entwicklung gehört die Transformation der Industriegesellschaft in eine nachindustrielle Gesellschaft, in der die Produktion und Konsumption von symbolischen Gütern – vorzugsweise Medien – erheblich an Bedeutung gewonnen hat, dazu gehört weiterhin die Pluralisierung der kulturellen Kontexte und das damit einhergehende gesteigerte Kontingenzbewusstsein im Blick auf die Gültigkeit von Sinnsystemen. Innertheoretischer und gesellschaftlicher Wandel arbeiten also Hand in Hand.

Ernst Cassirers Charakterisierung des Menschen als animal symbolicum hat sich vor dem Hintergrund dieser Theorieentwicklung einmal mehr als treffend erwiesen.[6] Auch darüber hinaus bilden Grundorientierungen seiner Kulturphilosophie nach wie vor das Fundament heutiger Kulturtheorien, dazu gehört nicht zuletzt die zentrale Stellung des Sinnbegriffes. Konzeptionalisiert Cassirer das Subjekt als symbolisierende und damit sinnzuschreibende Instanz, so hat sich in der weiteren Entwicklung der Kulturtheorien ein Antagonismus zwischen strukturalistischen und interpretativen Theorien herausgebildet, zwischen solchen Optionen, die die Sinnkonstruktion wie Cassirer als subjektive Interpretationsleistung fassen, und solchen, die sie als das Ergebnis übersubjektiver Strukturen beschreiben. Dieser Antagonismus ist, so die plausible These von Andreas Reckwitz, im Begriff, sich aufzulösen: der strukturalistische Diskurs integriert Elemente der interpretativen, subjektzentrierten Strömung und der interpretative Theoriestrang umgekehrt Elemente der strukturalistischen Sichtweise – er lässt sich somit auf eine Dezentrierung des von ihm so hoch geschätzten Subjekts (das ist etwas anderes als der Tod des Subjekts!) ein, die sich schon bei Alfred Schütz als Wendung zur Lebenswelt andeutet.[7] Beide Bewegungen übernehmen also Stärken der jeweils anderen Seite und stellen zunehmend das Konzept der Praktiken in den Mittelpunkt.[8] Die dabei schrittweise emergierende praxistheoretische Orientierung ist daran interessiert, den Dualismus von Innen und Außen, von Körper und Geist, von Subjekt und Objekt aufzulösen und diejenigen Prozesse zum Gegenstand der Kulturanalyse zu machen, in denen Kultur konkret realisiert wird: die körperlichen Praktiken sinnverstehender Akteure.[9]

Vor dem Hintergrund dieser Theorieentwicklung geht der Trend in den Kulturwissenschaften, das zeigen auch die Arbeiten des Berliner Sonderforschungsbereiches „Kulturen des Performativen“, schon seit einiger Zeit eindeutig dahin, die konkret gelebte Kultur im Modus ihrer Aufführung zu beobachten und zu analysieren.[10] Dabei geht es immer auch um das Verhältnis von Textualität und Performativität. Kulturhermeneutik als Werkhermeneutik bleibt also im Blick. Die Gewichte haben sich jedoch verschoben: die kulturelle Praxis hat mehr Beachtung gefunden. Beide Orientierungen, sowohl die zentrale Stellung des Kulturbegriffes als auch das Interesse an der Analyse konkreter Praxis, finden sich nun auch in der Praktischen Theologie.[11] Die kulturwissenschaftliche Akzentuierung kommt vielleicht am deutlichsten in den Arbeiten Wilhelm Gräbs zum Ausdruck. Er konzipiert die Praktische Theologie dezidiert als „Hermeneutik der gelebten Religion“ und ihrer „kulturellen Ausdrucksgestalten“.[12] Praktische Theologie ist für Gräb „kulturhermeneutisch verfahrende Religionstheologie“.[13] Kulturtheoretisch referiert Gräb dabei auf einen semiotischen Kulturbegriff, wie ihn Clifford Geertz im Anschluss an Ernst Cassirer, Max Weber und Susanne Langer ausgearbeitet hat.[14] So kann Gräb formulieren: „Kultur ist die von Menschen geschaffene, sinnbestimmt gestaltete und in ihren Sinnbestimmungen bzw. Symbolen erschlossene und bezeichnete Welt.“[15]

Zusammenfassend lässt sich sagen: Kultur ist das Korrelat der Unbestimmtheit des „Mängelwesens” (Arnold Gehlen) Mensch. Der Mensch steht somit zum einen unter dem Zwang, sich kulturelle Orientierungssysteme schaffen bzw. anzueignen zu müssen. Kultur ist so gesehen notwendig. Der Mensch ist andererseits als Kulturschaffender zugleich frei. Kultur ist darum von Friedrich Wilhelm Graf und Klaus Tanner treffend als „Gestaltungsraum menschlicher Freiheit” beschrieben worden.[16] Im Prozess der Kultur geht es darum um nichts weniger als um die Menschwerdung des Menschen.

2. Was ist Religion, was Theologie?

Christliche Theologie ist das systematische Nachdenken über den christlichen Glauben, über das Christentum. Das Christentum ist eine Religion. Der begriffstheoretische Weg von der Theologie zur Kultur führt m.E. über den Begriff der Religion. Generell lässt sich sagen, dass es sich bei Religionen um kulturelle Bearbeitungen menschlicher Sinn- und Kontingenz-probleme handelt. Wilhelm Gräb formuliert: „Religion lässt sich definieren als die Kultur der Symbolisierung letztinstanzlicher Sinnhorizonte alltagsweltlicher Lebensorientierung.“[17] Thomas Luckmann spricht von der individuellen Religiosität als dem „individuellen System letzter Relevanzen“[18]. Mit Niklas Luhmann kann man auch sagen, dass Religion Immanenz im Horizont von Transzendenz interpretiert. Dies kann in explizit religiöser Sprache geschehen, muss es aber nicht. Für einen funktionalen Religionsbegriff ist die Verwendung explizit religiöser Sprache keine notwendige Bedingung. Letzte Relevanz kann in dieser Perspektive Vieles haben: Der Beruf, die Liebe, das Kino, die Familie, die Nation usw. usf. Es geht hier also um eine implizite Religion, die nur in der Perspektive eines weiten funktionalen Religionsbegriffs als Religion identifiziert werden kann. Eindeutiger ist die Lage, wenn religiöse Sprache im Spiel ist. Dann kann von expliziter Religion gesprochen werden.

3. Wie ist das Verhältnis von Kultur und Religion zu denken?

Paul Tillich hat in seiner Kulturdefinition schon darauf hingewiesen: Religion ist ein Teilbereich von Kultur. Darum ist es auch sinnvoll, von Religionskulturen zu sprechen. Mit Religion und Kultur stehen sich somit nicht zwei fremde Sektoren gegenüber. Ihr Gemeinsames ist die Arbeit am Sinn - in unterschiedlichen Hinsichten. Gemeinsamkeiten und Differenzen wollen dabei genauer bestimmt sein. Gemeinsam ist Kultur und Religion zunächst ihre symbolische Form. Was ist damit gemeint? Ernst Cassirer formuliert: „Unter einer ‘symbolischen Form’ soll jede Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird. In diesem Sinne tritt uns die Sprache, tritt uns die mythisch-religiöse Welt und die Kunst als je eine besondere symbolische Form entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das Grundphänomen aus, dass unser Bewusstsein sich nicht damit begnügt, den Eindruck des äußeren zu empfangen, sondern dass es jeden Eindruck mit einer freien Tätigkeit des Ausdrucks verknüpft und durchdringt.”[19]

Symbolische Formen sind mithin als vom menschlichen Geist geschaffene Verbindungen von Sinn und Sinnlichkeit zu verstehen. Aufgrund der basalen anthropologischen Bedeutung dieses Vorganges hat Cassirer den Menschen auch ein „animal symbolicum” genannt.[20] Durch die Symbolisierung schafft der Mensch ein Geflecht von Bedeutungsstrukturen, das seine Welt in einer von ihm selbst gestalteten Weise repräsentiert. Man könnte darum auch sagen: Die Grundfunktion von Symbolen ist ihre Repräsentationsfunktion. Sie vergegenwärtigen Abwesendes. Oswald Schwemmer beschreibt diesen Vorgang folgendermaßen: „Symbole sind (...) Gegenstände, die von sich selbst weg- und auf etwas anderes hinweisen, die ihre eigene gegenständliche Präsenz in der Gegenständlichkeit des Repräsentierten aufgehen lassen. Um dies leisten zu können, muss die Form ihrer Gegenständlichkeit von besonderer Art sein. Einerseits müssen sie unsere Aufmerksamkeit klar und eindeutig auf sich ziehen - sonst blieben sie ebenso unbemerkt wie die Gegenstände, die sie repräsentieren sollen. Andererseits müssen sie, indem sie unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, diese Aufmerksamkeit zugleich weiterleiten auf die repräsentierten Gegenstände.”[21]

Die Verbindung von Symbol und Sinn ergibt sich dabei nicht von selbst, sie wird, wie schon Cassirer betonte, durch kulturelle Prozesse von Bedeutungszuschreibungen hergestellt. Symbole sind darum keine feststehenden Entitäten, sondern interpretationsabhängige Größen. Ihr Sinn oder Unsinn ist abhängig von Kommunikationsprozessen - in der Sprache der Semiotik: von gesellschaftlichen Codierungen. Dieses semiotische Symbolverständnis ist gegenüber den ontologisierenden Tendenzen in der religionspädagogischen Symboldidaktik hervorzuheben.[22] Symbole sind Codierungen, die sich wandeln, keine archetypischen oder ontologischen Wahrheiten.[23]

Oswald Schwemmer hat auf zwei Grundtendenzen kultureller Symbolisierungsprozesse hingewiesen. Die eine Tendenz nennt Schwemmer die „Tendenz zur Selbstbestätigung und Selbstbehauptung”.[24] Man könnte auch von der affirmativen Tendenz der Symbolisierungsprozesse sprechen. Bei ihr geht es um orientierende Ordnung und um Identität. Ihr Muster ist reproduktiv, ihre Triebkraft das Bedürfnis nach Beheimatung. Der Gegentrend ist der Trend zu Innovation und Differenz. Er speist sich aus dem Interesse am Neuen. Beide Trends charakterisieren zusammen die dialektische Dynamik von Symbolisierungsprozessen.

Man wird Schwemmers These eine gewisse Plausibilität nicht absprechen können. Sie korrespondiert der oben im Kontext des Kulturbegriffes schon beschriebenen Ambivalenz der Kultur: ihrer reproduktiven Notwendigkeit auf der einen Seite und ihrer kreativen Freiheit auf der anderen.

Was nun unterscheidet Religion von Kultur? Wenn es in Kultur und Religion um die Interpretation und Artikulation mit Hilfe von Symbolen geht, bleiben nur zwei Möglichkeiten der Unterscheidung: die Themen symbolischer Artikulation und die Art der Symbolisierung.

Im Blick auf die Spezifik der Symbolisierung ist zunächst auf die religiöse Sprache zu verweisen. Im Blick auf den Gegenstandsbereich ist an die Fragen nach einem letzten Sinn und Halt zu denken, nach dem Sinn fürs Unendliche und den Umgang mit dem Unverfügbaren.

4. Warum Kulturtheologie?

Paul Tillich hat die Fragestellung der methodischen Verhältnisbestimmung von Kultur und Theologie mit seiner „Methode der Korrelation” aufgegriffen.[25] In ihr sind Theologie und Kultur nach dem Schema von „existentiellen Fragen und theologischen Antworten” aufeinander bezogen.[26] Dieses einseitige und hierarchische Modell berücksichtigt zu wenig, dass auch kulturelle Deutungen existenzielle Sinnfragen beantworten.[27] Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis ist Tillichs Modell im Sinne einer dialogischen Beziehung zwischen Theologie und Kultur abzuwandeln. In diesem Modell sind in beiden Bereichen Fragen und Antworten vorhanden, die aufeinander bezogen werden können.

Immer noch plausible Anregungen für die konzeptionelle Ausgestaltung des Vermittlungsmodells finden sich in Tillichs frühem Aufsatz „Über die Idee einer Theologie der Kultur” von 1919.[28] Darin versteht Tillich die Theologie als normative Kulturwissenschaft. Als Vermittlungsbegriff zwischen Theologie und Kultur etabliert er den Begriff der Religion. Weiterhin unterscheidet er zwischen dem „Kirchentheologen” und dem „Kulturtheologen”. Aufgabe des Kulturtheologen sei es, die religiöse Substanz der Kultur herauszuarbeiten.

Beide Aspekte, sowohl die zentrale Stellung des Religionsbegriffes wie auch die Unterscheidung von mehr innenorientierter und mehr außenorientierter theologischer Arbeit, sind nach wie vor aktuell. Die Schlüsselstellung des Religionsbegriffs verweist dabei auch auf einen zentralen Ausgangspunkt gegenwärtiger Kulturtheologie.

Heutige Kulturtheologie findet sich vor allem im Umkreis der Praktischen Theologie und ihrer „empirisch-hermeneutischen Wende”.[29] Im Zuge dieser Orientierung hat sich die Praktische Theologie zunehmend für die heute gelebte Religion interessiert und sich darum auch dem Phänomen der Religion außerhalb der Institution Kirche zugewandt.[30] Seither beteiligt sich die Praktische Theologie „selbst daran, das Phänomen der Religion in seiner expliziten und oft auch impliziten - also hermeneutisch erst zu erschließenden - Vielfalt verstehen zu lernen”.[31] Im Verlauf dieser Entwicklung hat sich die Praktische Theologie immer mehr als eigenständige Disziplin definiert, die an der Schnittstelle von Theorie und Praxis operiert und eine Dialogfunktion hat, die nicht darin aufgeht, Theoriekonzepte der Systematik oder der biblischen Fächer im Blick auf kirchliche Praxisfelder umzusetzen, sondern vor allem auch darin besteht, einen produktiven Austausch zwischen Gegenwartskultur und Religionskultur zu ermöglichen. Es hat also eine „kulturhermeneutische Neubestimmung und Erweiterung der Praktischen Theologie” stattgefunden.[32] Ihr besonderes Anliegen ist der Aufbau einer „religiösen Gegenwartskunde”.[33] Im Zentrum einer sich so verstehenden Praktischen Theologie steht ein funktionaler Religionsbegriff, der dabei hilft, die religiösen Dimensionen der Gegenwartskultur hermeneutisch zu erschließen, die gelebte Religion, die sich in kulturellen Gestaltungen artikuliert. Kulturtheologie bringt die religiösen Sinnhorizonte der Gegenwartskultur mit den Sinnhorizonten der Tradition ins Gespräch. Dadurch kann wechselseitige Erschließung und Erhellung geschehen, wechselseitige Kritik und Herausforderung. Ohne dieses Gespräch würde sich die kirchliche Religionskultur immer mehr in einer Sonderwelt abkapseln, die nur noch Eingeweihten verständlich ist. Ohne diesen Dialog würde aber auch die religiöse Dimension der Gegenwartskultur unerkannt und verdeckt bleiben.

Vor diesem Hintergrund noch einmal die Ausgangsfrage: Welchen Erkenntnisgewinn hat die theologische Auseinandersetzung mit der Kultur? Zuerst: Sie gibt Auskunft über die Konturen heute gelebter Religion. Das ist von elementarer Bedeutung. Denn die gelebte Religion ist ein Phänomen, das sich im Kulturprozess entwickelt, verändert, transformiert. Das Neues hervorbringt und zur Anschauung kommen muss. Am Beispiel des Films will ich versuchen anzudeuten, was ich meine. Daneben und darüber hinaus artikuliert die Kultur generell Gegenwartserfahrungen. Erfahrungen, die in ihrer jeweiligen individuellen Konkretion neu sind. Auch darum ist Kulturtheologie notwendig: Um die Gegenwart zu verstehen. Auch darum sollte der Theologe ins Kino gehen. Denn Kinobilder sind Ausdruck von Gegenwartserfahrungen. Sie spiegeln die Realitäten und Probleme, die Träume und Alpträume und nicht zuletzt die gelebte Religion der Gesellschaft.

5. Vom Erkenntniswert der Filmkultur

Im Blick auf die religiöse Dimension des Films lassen m.E. vor allem vier Ebenen unterscheiden: 1. die Ebene der Verarbeitung explizit religiöser Motive und Traditionen, 2. die Ebene der funktionalen Gemeinsamkeiten von Film und Religion, 3. die Ebene der strukturellen und formalen Parallelen zwischen Film und Religion und schließlich 4. die Ebene der Verwandtschaft von Filmpraxis und Religionspraxis.

Filme setzen sich wie religiöse Symbolisierungen mit existenziellen Lebensfragen auseinander und geben Antworten auf Sinnfragen. Auf der Basis eines weiten funktionalen Begriffes von Religion kann man im Blick auf solche Filme von der unsichtbaren Religion des Kinos sprechen. Filme, die sich selbst nicht als religiös verstehen, lassen sich in der Perspektive einer funktionalen Religionsbestimmung religiös lesen, sie haben wichtige Funktionen im Bereich narrativer Lebensdeutung übernommen, die in früheren Zeiten in weitaus stärkerem Maße von den Narrationen der kirchlichen Religionskultur erfüllt wurden. Die unsichtbare Religion des Kinos kommt dabei weithin ohne Gott aus. An seine Stelle sind andere Sinnquellen getreten: die Liebe etwa oder das Ideal des authentischen Lebens. Oft finden sich in diesen Filmen, die sich mit der Sinn- und Kontingenzproblematik auseinandersetzen, mit der Fragestellung also, die in der religionstheoretischen Diskussion als das zentrale Bezugsproblem der Religion gilt, jedoch noch Spuren der religiösen Traditionen. Die implizite Religion im Sinne funktionaler Äquivalenz steht im Vordergrund, Reste der Tradition zeugen jedoch wie ein Nachhall noch von explizit religiösen Bearbeitungen der jeweiligen Problemstellungen. Ein gutes Beispiel ist der seit „Avatar“ nun weltweit zweiterfolgreichste Film „Titanic“, der von einer Liebe erzählt, die stärker ist als der Tod, und in dem an einer Schlüsselstelle der Konfrontation mit Ereignissen sinnverwirrender Kontingenz aus der Offenbarung des Johannes zitiert wird.

In Stichworten will ich zum Schluss versuchen anzudeuten, was die Hermeneutik einzelner Filme bzw. die Beforschung von Medienerfahrungen für neue und spezifische Erkenntnisse von theologischer Relevanz hervorbringen kann oder auch, wie Filme zur aktuellen Anschauung bringen, was wir in den religiösen Traditionen in Bildern großer Allgemeinheit ausgesagt finden.

Eine Zeit lang sah es so aus, als müsste sich die theologische Filmanalyse in Zukunft vor allem mit der unsichtbaren Religion des Kinos befassen. Bis auf Ausnahmen schien sich das westliche Kino für religiöse Themen und Motive immer weniger zu interessieren. Seit einiger Zeit lässt sich jedoch ein Gegentrend beobachten. Religiöse Motive sind wieder präsenter geworden.

Ich denke dabei u.a. an Lars von Triers umstrittenen Film „Antichrist“, an Michael Hanekes „Das weiße Band“, ebenfalls aus dem Jahr 2009, aber auch an Jessica Hausners Wundergeschichte „Lourdes“, das Endzeitdrama „The Road“, die Hiobgeschichte „A Serious Man“ der Coen-Brüder und James Camerons Blockbuster „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, mit dem er seinen eigenen 1997er Kassenschlager „Titanic“ auf den zweiten Platz der weltweit an der Kinokasse erfolgreichsten Filme verwiesen hat. 2010 folgten dann der schöne Dokumentarfilm „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“ über das Mit- und Gegeneinander der christlichen Konfessionen in der Jerusalemer Grabeskirche, Susanne Biers „In einer besseren Welt“ und Xavier Beauvois „Von Göttern und Menschen“, der die wahre Geschichte einer 1996 von Islamisten ermordeten Gruppe von Mönchen in einem Trappistenkloster in Algerien als Spielfilm nacherzählt. 2011 ist Terrence Malicks „The Tree of Life“ hinzugekommen, der den Hauptpreis der Festspiele in Cannes erhalten hat. Aber auch Lars von Triers „Melancholia“ und Ang Lees „Life of Pi. Schiffbruch mit Tiger“ sind Schwergewichte, die religiöse Motive aufgreifen und verarbeiten. Und natürlich sind in den letzten Jahren auch weiterhin Filme entstanden und in diesem Zusammenhang zu nennen, die zwar keine Spuren expliziter Religion aufweisen, sich aber mit existenziellen Lebensfragen auseinandersetzen, dazu Perspektiven entwickeln und darum in einem weiten Sinne auch religiöse Dimensionen aufweisen. Ich denke etwa an Andreas Dresens „Halt auf freier Strecke“, Aki Kaurismäkis „Le Havre“ und Michael Hanekes „Liebe“. Auf je ihre Weise verkünden diese Filme ein Evangelium der Liebe, repräsentieren Aspekte einer unsichtbaren Religion des Kinos: „Le Havre“, indem der Film erzählt, wie der Schuhputzer Marcel Marx dem Flüchtlingsjungen Idrissa begegnet, ihn versteckt und zu seinem Fluchthelfer wird. „Halt auf freier Strecke“ zeigt, wie eine Familie es schafft, den an einem Hirntumor sterbenden Vater nicht allein zu lassen. Ebenfalls von Liebe und Tod handelt Hanekes „Liebe“, in dem ein liebender Ehemann zum Sterbehelfer seiner Frau wird. Weitere Beispiele: „Esmas Geheimnis“, der zeigt, wie die Liebe zwischen einer Mutter und einer Tochter ein Trauma überwinden kann. Oder auch „Gran Torino“, der davon erzählt, dass nur durch ein Selbstopfer aus Liebe der Ausstieg aus der Eskalation der Gewalt gelingt.

Doch auch religiöse Motive finden sich, wie gesagt, wieder häufiger. Ein relativ aktuelles Beispiel ist Malicks „The Tree of Life“, ein Film, der das Thema Schöpfung in einer so noch nicht gesehenen Weise aufgreift und sich zugleich an der Frage Hiobs abarbeitet. Seine Antwort, wenn man denn davon überhaupt sprechen kann, ist die Erfahrung von Schönheit, im Übrigen ein im Protestantismus vernachlässigtes Thema. Sehr überzeugend wird diese Thematik auch in dem schon etwas älteren „American Beauty“ aufgegriffen. Darin findet der in Konventionen erstarrte Lester Burnham zu einem anderen Blick auf das Leben, zu einer mystischen Religion der Schönheit. Inspiriert wird er dazu von Ricky, dem Freund seiner Tochter, der immer eine digitale Kamera dabei hat, um die Augenblicke der Erscheinung des Schönen festzuhalten.

Und zu guter letzt: Das Kino hilft, die eigene Gegenwart zu verstehen. Ich denke dabei zum Beispiel an einen Film wie „Matrix“, der von kultureller und religiöser Hybridität handelt, an „Walk with Bashir“, der zeigt, was ein junger israelischer Soldat erlebt, der mit 19 Jahren in den Krieg gegen den Libanon ziehen muss. Unterschiedlich Perspektiven und Einblicke in Fragen des Naturverhältnisses gaben mir der Dokumentarfilm „More than Honey“ über das Aussterben der Bienen und James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, der instrumentelle und mimetische Naturverhältnisse kontrastiert. Die Gegenwart ist immer auch das Produkt von Vergangenheit. Ein Schlaglicht auf diese, mit Bildern, die sich wie „grelle Blitze“ (so1987 die Jury der Evangelischen Filmarbeit) ins Gedächtnis einbrennen, wirft Elem Klimovs „Komm und sieh“, der von einem Jungen handelt, der sich den Partisanen anschließt, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen kämpfen. Ich habe in einem anderen Text über meine Erfahrung mit diesem Film geschrieben: „Ich kann für mich sagen, dass ich nach diesem Film ein anderes Bild von der Welt hatte, ein anderes Bild, von dem, wozu Menschen fähig sind, und vor allen Dingen ein Bild davon, was deutsche Soldaten der russischen Zivilbevölkerung angetan haben.“[34]

Im Sinne der eingangs beschriebenen Hinwendung zu konkreten Praktiken im Kontext der Kulturanalyse lässt allerdings eine reine Werkhermeneutik zu wünschen übrig. Es muss schließlich gefragt werden, ob die religionshermeneutisch herausgearbeiteten religiösen Dimensionen auch für Rezipienten relevant werden. Ich habe diese Fragestellung in meiner schon genannten Habilitationsschrift mit Hilfe von qualitativen Interviews verfolgt.[35] Dabei konnte das Interviewmaterial die These bewahrheiten und konkretisieren, dass Medien wichtige Funktionen der Sinndeutung und der Lebensstrukturierung erfüllen. Medienprodukte werden genutzt, um das Leben zu verstehen und zu deuten, zu strukturieren und zu entwerfen, sich von ihm vorübergehend zu distanzieren und es im Zusammenhang eines größeren Sinnkontextes zu betrachten, es zu bewältigen, zu steigern und zu perspektivieren. Die in theologischen, kulturwissenschaftlichen, medienwissenschaftlichen und philosophischen Diskursen vertretene These von der Übernahme von Sinndeutungsfunktionen aus dem Bereich der kirchlich vermittelten christlichen Religionskultur durch die aktuelle Medienkultur und hier insbesondere durch Literatur (Sölle, Rorty, Huizing), Kinofilm (Blothner, Gräb, Herrmann) und Fernsehen (Hickethier, Reichertz, Thomas) konnte für alle untersuchten Einzelmedien empirisch bestätigt und konkretisiert werden.

Dabei zeigte sich erneut, dass Medienreligion eine im Kern implizite bzw. unsichtbare Religion ist: Sie versteht sich in der Regel nicht selbst als Religion, sondern erscheint nur in der funktionalen Interpretation als solche. Die Medienreligion kommt zumeist ohne explizit religiöse Semantik aus, sie ist eine Diesseitsreligion: explizite Bezugnahmen auf große Transzendenzen fehlen in der Regel. Auch das von manchen zum Unterscheidungsmerkmal von Religion erhobene Unbedingtheitskriterium im religionsphilosophischen Sinne ist nicht erfüllt. Man könnte allenfalls davon sprechen, dass die Unbedingtheit ganz ins Subjektive hineingezogen ist. Medienreligiös bedeutsam ist, was mich unbedingt angeht, was im »individuellen System letzter Relevanzen« von letzter Bedeutung ist.

In medienbiographischer Hinsicht zeigte sich, dass Bücher und/oder das Fernsehen die Kindheit bestimmen und das Kino erst im Verlauf des Jugendalters und des frühen Erwachsenenalters wichtiger wird. In funktionaler Hinsicht fällt auf, dass bei der jugendlichen Kinofilmrezeption mimetische Aspekte und Vorbildfunktionen im Vordergrund stehen. Mit zunehmendem Alter – ab der Adoleszenz etwa – wird der Kinofilm dann als Kontingenzbewältigungsmodell interessanter, realistische Problemfilme finden ein verstärktes Interesse, Filme, die von Lebenskrisen und deren Bewältigung erzählen.

Typisch für die Kinoerfahrung ist ihre soziale Einbettung, ihr präsentativer Alteritätscharakter und ihr mimetisches Stimulationspotential. Charakteristisch für das Lesen ist der private Raum, die hohe Rezeptionsinvestition, die starke Stimulation der Imagination und die Komplexität der Erfahrung. Bezeichnend für die Fernsehnutzung ist ihr alltagsbegleitender Charakter, ihre rituelle Strukturierungsfunktion, ihre Unterhaltungs-, Informations-, Lebensbewältigungs- und ethisch-moralische Orientierungsfunktion. Insgesamt kristallisierten sich drei zentrale medienreligiöse Funktionen heraus: die Lebensbewältigungsfunktion (Kontingenzbewältigung, Alltagstrukturierung, Konfliktlösung, Selbst- und Weltverstehen), die Lebenssteigerungsfunktion (ästhetische Perspektive, Unterhaltung) und die Lebensperspektivierungsfunktion (Vorbilder, Ideal des authentischen Lebens, Horizonterweiterung, imaginative Variation). Sie korrespondieren mit den Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und den entsprechenden christlich-religiösen und zugleich dogmatischen Kategorien Schöpfung, Erlösung und Erneuerung.

Am deutlichsten wird die Lebens- und Kontingenzbewältigungsfunktion in den Rezeptionspraktiken, die man als rituelle Videopraktiken bezeichnen könnte. So hat Patrick, der mit einer psychischen Erkrankung leben muss, die Verfilmung des Musicals Linie eins zeitweise zwei Mal am Tag gesehen, manchmal nur bis zu dem Lied eines Mädchens, das darin von seinem schweren Leben erzählt. Der in diesem Lied zum Ausdruck gebrachte Mut dieses Mädchens habe ihm immer wieder »ein bisschen Hoffnung gegeben«. Auch Johanna hat so einen Film, der aufgrund seines starken Bezuges zu ihrer eigenen Lebenssituation seelsorgerliche Funktionen hat und den sie immer wieder hervornahm, wenn »es irgendwo schwierig war«. Dann habe sie sich den Film angesehen, sei dadurch auf neue Ideen gekommen und habe sich durch die Wahrnehmung, »dass es anderen auch so geht« getröstet gefühlt. Und Klaus interessiert sich als Erwachsener zunehmend für realistische Geschichten ohne Happy End, für Filme, die zeigen, wie Menschen mit dem Scheitern umgehen und Krisen bewältigen.

Ich habe versucht anzudeuten, dass ich vielfältige Kontinuitäten, Schnittstellen und Übergänge zwischen der christlichen Tradition und der Filmkultur sehe. Die Arbeit an diesen Schnittstellen und damit der Dialog zwischen Filmkultur und Religionskultur ist nicht auf eine Synthese gerichtet. Es geht um eine offene Interpretationsarbeit.

Fünf Perspektiven dieser Arbeit will ich abschließend nennen.

  1. Der Dialog von Film und Religion liefert einen Beitrag zum Sinnorientierungsdiskurs, der sowohl für die Sinnarbeit der Individuen als auch für den öffentlichen Sinndiskurs von Bedeutung ist.

  2. Inszenierungen des Dialogs von Film und Religion können dazu beitragen, Brücken zwischen Filmkultur und Religionskultur zu bauen und so zur wechselseitigen Erschließung von Filmkultur und Religionskultur beitragen.

  3. Die Theologie kann durch die Filmanalyse etwas über die gelebte Religion der Gesellschaft erfahren. Denn Kinobilder sind immer Ausdruck von Gegenwartserfahrungen. Sie zeigen seismographisch, wie die Erfahrungen von letzter Bedeutung, wie also die gelebte Religion der Gesellschaft sich entwickelt. Im Dialog mit dem Film ist die Theologie im Gespräch mit der Gegenwart.

  4. Die Bildermaschine Kino kann heilsame ästhetische Irritationen theologischer Allgemeinbegriffe bewirken. Überhaupt kann das kritische Wechselgespräch zwischen Film und Religion (Religionskritik aus filmischer Perspektive und Filmkritik aus theologischer Perspektive) einen Beitrag zur Film- wie zur Religionskompetenz leisten.

  5. Die theologische Filmanalyse kann die Filmwissenschaft bereichern, weil sie ein für die Erschließung von religionshaltigen Filmen relevantes Wissen einbringen kann.

Anmerkungen

[1]    Paul Tillich, Über die Grenzen von Religion und Kultur, in: Gesammelte Werke Bd. IX, hrsg. von Renate Albrecht, Stuttgart 1959ff., 94-99, 94.

[2]    Im Folgenden greife ich Überlegungen auf, die ich im Rahmen meiner Habilitationsschrift vorgetragen haben, Verf., Medienerfahrung und Religion. Eine empirisch-qualitative Studie zur Medienreligion, Göttingen 2007, 17ff.

[3]    Vgl. Andreas Reckwitz, Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms, Weilerswist 2000, 16ff.

[4]    Vgl. Reckwitz, Transformation, 15ff.

[5]    So das treffende Resümee von Reckwitz, Transformation, 16ff.

[6]    Ernst Cassirer, Versuch über den Menschen. Einführung in die Philosophie der Kultur, Hamburg 1996, 51.

[7]    Vgl. Reckwitz, Transformation, 47ff u. 173ff.

[8]    Um das zu zeigen, greift Reckwitz die gewichtigsten und repräsentativsten Autoren der beiden Stränge heraus und macht seine These anhand von Einzelinterpretationen plausibel. Dabei beginnt die transdiziplinäre Rekonstruktion (Reckwitz bezieht sich auf Soziologen, Philosophen und Anthropologen) im neostrukturalistischen Bereich mit Claude Levi-Strauss und schreitet über den frühen Foucault, Ulrich Oevermann und den späten Foucault voran bis hin zu Pierre Bourdieu. Im interpretativen Lager geht Reckwitz von Alfred Schütz aus, rekonstruiert dessen Spätwerk und verfolgt seine Interpretationslinie weiter über Erving Goffmann hin zu Charles Taylor – eine Seitenlinie bildet Clifford Geertz mit seinem Textualismus (vgl. auch das Schaubild in: Andreas Reckwitz, Transformation, 190).

[9]    Die Endpunkte der praxistheoretischen Konvergenzbewegung bilden im neostrukturalistischen Diskurs Bourdieu und im interpretativen Taylor. Ihrer beider Praxistheorien stimmten, so Reckwitz, in den Grundzügen überein. Zu diesen Übereinstimmungen gehört, dass „die Theorien sozialer Praktiken die Verarbeitung und Umsetzung von übersubjektiven Sinnmustern in subjektiven Sinnzuschreibungen thematisieren, ohne den Anti-Subjektivismus der Strukturalisten und ohne den Anti-Objektivismus der Sozialphänomenologie zu teilen.“ Ders., Transformation, 558.

[10]   „In den Kulturwissenschaften (d.h. den Geistes- und Sozialwissenschaften) hat sich in den letzten Jahren ein Wechsel der Forschungsperspektiven angebahnt. Bis in die späten achtziger Jahre dominierte die Erklärungsmetapher ‚Kultur als Text’, das heißt, Kultur insgesamt wie auch einzelne kulturelle Phänomene wurden als strukturierter Zusammenhang von Einzelelementen aufgefasst, denen bestimmte Bedeutungen zugeschrieben werden können. Eine Leistung dieser Forschungsrichtungen, die mit textwissenschaftlichen Methoden arbeiten, besteht vor allem in der Erweiterung und Öffnung des Gegenstandsbereichs. Dessen Betrachtung bleibt indessen weitgehend statisch. Wird hingegen die Performativität von Kultur in den Blick gerückt, verlagert sich das Interesse auf die Tätigkeiten des Produzierens, Herstellens, Machens und auf die Handlungen, Austauschprozesse, Veränderungen und Dynamiken, die Akteure und kulturelle Ereignisse ausmachen. Die Fruchtbarkeit dieses Perspektivenwechsels erweist sich seit einigen Jahren in so unterschiedlichen Disziplinen wie der Theaterwissenschaft, der Diskursanalyse, der Ethnologie, der Soziologie, der (Sprach-)Philosophie, der Linguistik, den Literatur- und Medienwissenschaften, der Psychologie oder der Pädagogik.“ http://www.sfb-performativ.de (17.9.2003).

[11]   Vgl. u.a. Karl Ernst Nipkow/Dietrich Rössler, Friedrich Schweitzer (Hg.), Praktische Theologie und Kultur der Gegenwart. Ein internationaler Dialog, Gütersloh 1991. Davon, dass auch die Kirche als Institution das Thema der Kultur wieder neu entdeckt hat, zeugt die Denkschrift „Räume der Begegnung. Religion und Kultur in evangelischer Perspektive. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen“ (im Auftrag des Rates der EKD hg.v. Kirchenamt der EKD, Gütersloh 2002). Auch dieser Denkschrift liegt eine semiotische Kulturtheorie zugrunde. Gegenüber den im engeren Sinne wissenschaftlichen Publikationen zum Themenfeld fällt (erwartungsgemäß) auf, dass die Momente der Kritik und Gestaltung von Kultur stärker betont werden.

[12]   Wilhelm Gräb, Lebensgeschichten, Lebensentwürfe, Sinndeutungen. Eine praktische Theologie gelebter Religion, Gütersloh 1998, 44.

[13]   Ders., Sinn fürs Unendliche. Religion in der Mediengesellschaft, Gütersloh 2002, 53.

[14]   Ders., Sinn, 53 ff.

[15]   Ders., Sinn, 57.

[16]   Friedrich Wilhelm Graf/Klaus Tanner, Kultur. II. Theologiegeschichtlich, in: TRE, Bd. XX, hrsg. von Gerhard Müller, Berlin/New York 1990, 187-209, 187.

[17]   Wilhelm Gräb, Religion in der Alltagskultur, in: Barbara Heller (Hg.), Kulturtheologie heute? Hofgeismarer Protokolle 311, Hofgeismar 1997, 97-108, 100.

[18]   Thomas Luckmann, Unsichtbare Religion, Frankfurt/M. 1991, 118.

[19]   Ernst Cassirer, Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, Darmstadt 1983, 175.

[20]   Ders., Versuch über den Menschen, Einführung in eine Philosophie der Kultur. Hamburg 1996, 51

[21]   Oswald Schwemmer, a.a.O., 143.

[22]   Mit Michael Meyer-Blanck, Vom Symbol zum Zeichen. Symboldidaktik und Semiotik, Hannover 1995.

[23]   In dieser semiotischen Fassung kommt der Symbolbegriff dem Zeichenbegriff sehr nahe. Gleichwohl hat der Zeichenbegriff den Symbolbegriff in der zeitgenössischen Kultur- und Religionstheorie nicht ersetzt. Das hat meines Erachtens unter anderem damit zu tun, daß in der Codierung des Symbolbegriffs zum einen der kulturelle Wachstumsprozeß von Bedeutungszuschreibungen stärker enthalten ist als im Zeichenbegriff und zum anderen die manchen Symbolen eigenen Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Signifikant und Signifikat im Symbolbegriff stärker mitschwingen.

[24]   Oswald Schwemmer, Die kulturelle Existenz des Menschen, Berlin 1997, 178.

[25]   Paul Tillich, Das Problem der theologischen Methode, in: Ergänzungsband IV zu den gesammelten Werken, hrsg. von Ingeborg C. Henel, Stuttgart <1946> 1975, 19-35; Systematische Theologie, Bd. II, Stuttgart <Chicago 1957> 5/1977, 19ff. u.ö.

[26]   Ebd., 19.

[27]   Albrecht Grözinger kritisiert Tillichs These von der religiösen Grundierung der Kultur als „einen heimlichen theologischen Imperialismus”. Vgl. Albrecht Grözinger, Theologie und Kultur. Praktisch-Theologische Bemerkungen zu einem komplexen Zusammenhang, in: Theologia Practica 24. Jg., 1989 Heft 3, 201-213, 210.

[28]   Ders., Über die Idee einer Theologie der Kultur, in: Gesammelte Werke Bd. IX, hrsg. von Renate Albrecht, Stuttgart 1959ff., 13-31.

[29]   Wilhelm Gräb und Richard R. Osmer, Editorial, International Journal of Practical Theology, Volume 1, 1997, 6-10, 7; vgl. dazu und zum Folgenden auch: Wilhelm Gräb, Lebensgeschichten, a.a.O., 23ff.

[30]   Dietrich Rössler, Grundriß der Praktischen Theologie, Berlin/New York 1986, 3ff. u. 90ff.

[31]   Wilhelm Gräb und Richard R. Osmer, a.a.O., 8

[32]   Ebd., 7.

[33]   Ebd.

[34]   Vgl. Verf., Das Kino - ein Ort der Offenbarung. Überlegungen zur religiösen Dimension von Kinoerfahrungen, in: Magazin für Ästhetik und Theologie 67, 2010, www.theomag.de/67/jh21.htm.

[35]   Verf., Medienerfahrungen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/86/jh28.htm
© Jörg Herrmann, 2013