Juni 2013

Liebe Leserinnen und Leser,

in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts gab es einmal einen Commonsense zwischen den Konfessionen über die Theologie des Kirchenraums, den der katholische Theologe Heinrich Kahlefeld so zusammenfasste:

„Für die neutestamentlichen Gemeinden gibt es keinen durch Kultgesetze sanktionierten und baulich gesicherten Heiligkeitsbezirk. Für sie entsteht mitten im Leben, jeweils dort, wo sich die Gestalt der brüderlichen Versammlung unter der Namensmacht des Kyrios herstellt, ein geistiger Raum heiliger Anwesenheit. Es bedarf keiner heiligen Orte. Der für die Versammlung erwählte Saal besitzt als solcher keine Heiligkeit; heilig ist nur die Gemeinde, die ihn in Gebrauch nimmt.“

Heute, knapp 50 Jahre später kann man sich dieser Einigkeit nicht mehr sicher sein. Die Hervorhebung der Heiligkeit bzw. auch der Sakralität der Orte feiert fröhliche Urständ (= Auferstehung) und die Rede vom Sakralen stößt trauriger Weise kaum noch auf Widerspruch. Der prononcierte Satz „das Begriffspaar Sakral und Profan hat im Innenraum des Evangeliums keinen Platz“ (Kahlefeld) fände heute – bei aller Wahrheit des damit Ausgedrückten – kaum mehr Zustimmung. Religion scheint sich zunehmend wieder und auch gerade im protestantischen / lutherischen Bereich an das dinglich Zeichenhafte zu binden. Dabei böte gerade die anstehende Frage der Begegnung der Religionen Anlass, über alternative Lösungen jenseits der wieder aufgelebten Sakralität nachzudenken.

HINWEIS: Das Marburger Institut für Kirchenbau veranstaltet vom 12.-13. Juli 2013 unter dem Titel Viele Religionen - ein Raum!? eine Tagung zu multireligiösen Räumen als Ausdruck der Transformation von Religion in der Moderne. Nähere Informationen finden sich im Internet unter der Adresse http://www.kirchbautag.de/ . Hingewiesen sei an dieser Stelle aber auch auf das Heft 54 von Tà katoptrizòmena, das sich mit religiösen Räumen beschäftigt, darunter insbesondere der Artikel zur interreligiösen Gastfreundschaft.

Die reformierte Tradition hat sich in ihrer Geschichte einem ästhetisch scheinbar sehr reduziertem Raumverständnis angenähert, das aber in diesem Heft als dezidierte „Geste des weißen Raumes“ erläutert werden soll. Das Thema der aktuellen Ausgabe ist daher der White Cube, der seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch in der „säkularen“ Kultur die vorherrschende Inszenierungspraxis geworden ist.

Unter VIEW finden Sie Überlegungen von Andreas Mertin zur Szenografie reformierten Glaubens: „es geht darum, die Entscheidung für diese spezifische Raumgestaltung positiv zu beschreiben, als eine sich aus der religiösen Überzeugung entwickelnde Ausdrucksform, die nicht nur auf etwas verzichtet, sondern etwas formt.“

Die RE-VIEWs gibt es eine Besprechung von Wolfgang Vögele der Mannheimer Inszenierung von Wagners „Götterdämmerung“. Vom selben Autor stammt der Bericht von der Ausstellung mit Werken Ferdinand Hodlers in der Fondation Beyerle. Barbara Wucherer-Staar stellt eine aktuelle Ausstellung im Dortmunder U vor. Hans-Jürgen Benedict rezensiert Revolutionsetuden. Andreas Mertin setzt sich mit einem Buch zur Bilderpredigt, einem neuen Band der Anderen Bibliothek und dem neuesten Videoclip von David Bowie auseinander.

Unter POST stehen drei Beiträge: Hans-Jürgen Benedict greift aus aktuellem Anlass Heines Vorschlag zur Lösung der Kamelfrage auf. Andreas Mertin stellt das Videoclip-Oeuvre von Gotye vor und beginnt mit einer Reihe von Blog-Notizen, die in den kommenden Ausgaben fortgesetzt werden sollen.

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Mit dieser Ausgabe verabschieden wir uns von der vertrauten Institution unserer BLACKBOX. Die Nutzung eines Java-Applets wurde uns zu problematisch und sicherheitsanfällig. Wir suchen nach einer alternativen Lösung. Haben Sie ein wenig Geduld.

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Weiterarbeit: In der kommenden Ausgabe 84 geht es um die Fortsetzung der Reflexionen von Stefan Schütze zu den Paradigmen theologischen Denkens in der Gegenwart.

Das Heft 85 wird sich unter dem Titel VIEW mit verschiedenen Aspekten des Films beschäftigen.

Für das Heft 86 im Dezember haben wir uns eine besondere Fragestellung ausgesucht: Wozu geht der Theologe ins Kino? Über den theologischen Erkenntniswert der Kultur. Seit der Dialektischen Theologie gibt es eine Kontroverse darüber, welche Bedeutung die Kultur für die Theologie hat. Waren früher die Fronten noch übersichtlich, so herrscht heute eher eine Neue Unübersichtlichkeit. Barthianer betreiben inzwischen Kulturprojekte und setzen sich für das Kino ein, während der präzise theologische Gewinn immer noch umstritten ist. Wir fragen also alle an der Diskussion Beteiligten und Interessierten: Warum machen wir das – uns mit dem Kino, der Literatur, der Bildenden Kunst, der Musik auseinanderzusetzen? Weil wir uns für Kultur interessieren – oder weil es einen theologischen Mehrwert gibt?

Leserinnen und Leser, die Beiträge zum Heft 84 einreichen wollen, werden gebeten, diese bis zum 15. Juli 2013 bei der Redaktion abzugeben. Die Abgabetermine für die folgenden Hefte liegen jeweils spätestens 2 Wochen vor dem jeweiligen Erscheinungstermin.Wir wünschen eine angenehme und erkenntnisreiche Lektüre!


Andreas Mertin, Jörg Herrmann und Horst Schwebel

Heft

Thema

Redaktion

Termin

84

Paradigmen theologischen Denkens

Schütze / Mertin

01.08.2013

85

VIEW

Mertin

01.10.2013

86

Wozu geht der Theologe ins Kino? Über den theologischen Erkenntniswert der Kultur

Herrmann / Mertin

01.12.2013