Objets Corrigés aus der Aluminiumzeit

Hans Salentin

Barbara Wucherer-Staar

Ein sitzender Astronaut (1971), mit Felgensilber besprüht, eine hammerschlagblaue Pumpe oder ein blaues Wesen vom Mars, gebogene Metallteile, zu einer „Taube“ (1964) montiert - wer im Museum Schloss Morsbroich im Obergeschoß diese beachtlichen Collage-Skulpturen aus ausrangierten Schrottteilen erreicht hat, ist in der Aluminium-Zeit angekommen. Für den Maler, Zeichner, Skulpteur und Collage-Künstler Hans Salentin (*Düren, 1925 - † Köln 2009) folgt diese Epoche folgerichtig auf die Stein- und Eisenzeit. Mit einfachen, alltäglichen Fundstücken - objets trouvés im Sinne von Dada, Marcel Duchamp, Picasso oder Max Ernst - , die er zu objets corrigés überarbeitet, gilt er als einer der wichtigen Künstler der Nachkriegszeit und als einer der progressivsten Vertreter der Kölner Kunstszene der späten 1960er Jahre. Auf der documenta 1977 gewinnt er mit Science-Fiction Konstruktionen - Fundstück-Skulpturen wie dem „Mondwagen“ - internationales Renommé.

Neben einigen bildhauerischen Arbeiten - etwa auch einem utopischen Hocker, einem „Nicht-Ort“, so Kurator Fritz Emslander, dessen Grat in der Mitte der Sitzfläche ein menschliches Gesäß zwar abformt, aber überfordert - findet sich ein Konvolut aus etwa 130 Collagen, Zeichnungen, Reliefs, Fotoleinwänden und Materialbildern. Dazu zählen frühe Arbeiten, als Salentin zusammen mit Bernard Schultze und anderen Mitgliedern der Gruppe 53 tachistische Ausdrucksformen erprobte.

1957 gilt als Beginn der Raumfahrt: Sputnik, der erste sowjetische Satellit, startet in eine Erdumlaufbahn. Mit dem Ziel, eine puristische Kunst „vom Nullpunkt aus“ zu schaffen, formiert sich mit Otto Piene, Heinz Mack und Hans Salentin in diesem Jahr die Gruppe ZERO mit Lichtobjekten zwischen Bild und Skulptur. Salentin fertigt Reliefs aus Dachziegeln und Zinkblechen.

Nach seinem Weggang entwickelt er seine künstlerische Strategie weiter. Er überträgt das Montageprinzip seiner Skulpturen auf Fotomontagen und Bildcollagen. Material findet sich in seinem „Schnippselkasten“: eigene Zeichnungen, Fotografien, Schnappschüsse seiner Fundstücke für Skulpturen, Werbeprospekte, Gebrauchsanweisungen. Spielerisch klebt und zeichnet er wechselweise Schicht um Schicht  - Utopien seiner Zeit korrigiert und spiegelt er ironisch immer wieder anders in Vexierbildern. Von wiedererkennbaren Formen führt er weiter zu einem offenen, assoziativen Sehen aus mehreren Blickwinkeln und variablen, surrealen Bildräumen.

Es finden sich akkurate Strichcollagen oder Metamorphosen von technischen Apparaten und menschlichen Körpern, die sich der Neuen Figuration nähern und oft auf die Raumfahrt verweisen.

Aufgeklebte Flugzeuge kreisen um einen Hinterkopf („ohne Titel“, 1994), anstelle eines Kopfes sitzt eine futuristische Gaststätte auf einem Oberkörper. Was bleibt, wenn technisches Gestänge den Oberkörper eines Fotomodells korrigiert?


Hans Salentin. Collagen mit Papier und Metall Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Str. 80, 51377 Leverkusen, Tel. (0214) 85556-0; Dauer: 3.3.- 25.8; Zeiten:  Di-So 11-17 h, Do 11-21 h; vom 29.4.-25.5. wegen Umbauarbeiten im Haus geschlossen.

www.museum-morsbroich.de

Das Museum in der Alten Post in Mülheim zeigt parallel die Ausstellung „Im Schleudersitz durch die Galaxie. Hans Salentin, ZERO und der Weltraum“, Dauer: 28. 6.-25. 8. 2013

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/82/bws10.htm
© Barbara Wucherer-Staar, 2013