Magdeburger Manifest

Magdeburg 1996

Die rund 500 Teilnehmer des 22. Evangelischen Kirchbautages, der vom 19.-22. September 1996 in Magdeburg und Zerbst stattfand, erklären:

Sechs Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands verfallen trotz großer Anstrengungen vieler Menschen und Institutionen in unvorstellbarem Maße bedeutende kirchliche Kulturgüter. Hunderte von historisch wertvollen Kirchbauten, die Identifikationspunkte von Städten und Dörfern, werden in den nächsten Jahren verschwinden, wenn wir nicht alle zu ihrem Erhalt beitragen. Es liegt in der Verantwortung und in den Möglichkeiten jeder Bürgerin und jedes Bürgers dieser Republik - Christen wie Nichtchristen -, daß dies nicht geschieht. Kirchen sind Seele und Gedächtnis des Gemeinwesens.

Wir appellieren an den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung, an die Bundesländer, an die Wirtschaft, an alle privaten Besitzer von Vermögenswerten, an Kirchenleitungen und Kirchengemeinden:

Rettet die Kirchengebäude in unserem Lande!

Zur Begründung vier Leitsätze:

  1. Kirchengebäude sind in einer offenen Gesellschaft Orte der Öffentlichkeit. Sie prägen das Gesicht der Städte und Dörfer. Sie stehen im Brennpunkt des Lebens, an Orten der Begegnung und des Erinnerns, sind sie Orte des Gebets, der Stille und Besinnung. Sie werden von Christen wie von Nichtchristen gebraucht. Für die Erhaltung sind alle gesellschaftlichen Gruppen verantwortlich.
  2. Kirchengebäude brauchen für ihre Zukunft mittel- und langfristige Konzepte der Finanzierung und Nutzung: zum Beispiel neue Finanzie-rungs- und Nutzungsmodelle mit Anreiz für Stiftungen, Spenden, steuerliche Entlastungen und mit Garantieverpflichtungen von Staat, Kirche und Finanzwirtschaft. Wir fordern ein eigenes staatliches Förderprogramm Kirchenbau. Für den Anspruch auf Fördermittel müssen ehrenamtliche Eigenleistungen als Sockelbeträge gelten. Zur Beratung vor Ort sind die Bauämter und Kunstdienste der Kirchen unerläßlich.
  3. Das Kulturerbe Kirche ist eine gemeinsame Aufgabe der politisch, religiös, kulturell und wirtschaftlich Verantwortlichen. Unabhängig von gewachsenen historischen Nutzungs- und Eigentumsrecht sind vom Bund, Ländern, Kommunen und Kirchen wirksamere Modelle als bisher zur Erhaltung und Tradierung dieses Erbes zu entwickeln.
  4. Kirchengebäude sind ein großes Potential für den christlichen Glauben. Sie wollen von mehr Menschen als bisher zu einer neuen Identifikation und zu geistlicher Motivation genutzt werden. Damit dies gelingt, sind sie soweit wie irgend möglich zu erhalten und überzeugender zu gestalten. Die Bevölkerung will dies, die Kirchen müssen auf allen ihren Ebenen den Anfang machen.

Bundestag und Bundesregierung werden aufgefordert, die steuerlichen Bedingungen für Stiftungen und Spenden für Kulturgüter endlich zu verbessern. Außerdem fordert der Evangelische Kirchbautag Kompensationen des Staates für die Einbußen an Kirchensteuern bei der Steuerreform. Arbeits- und Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose, insbesondere Jugendliche, müssen in großem Maße die ehrenamtlichen Tätigkeiten beim Wiederaufbau der Kirchengebäude ergänzen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/58/prog14.htm
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