Leitsätze des dritten Kirchenbaukongresses

Magdeburg 1928

1.
Der evangelische Kultraum ist nicht schlechthin „Predigtkirche", sondern Stätte einer Selbstkundgebung Gottes und des Verkehrs mit ihm und daher als Ganzes sakraler Raum und einheitlich als solcher zu gestalten.

2.
Der Zielstrebigkeit des Glaubens und des Gottesdienstes der Gemeinde entspricht es, dass auch der Raum dennoch zugleich eine gewisse Zielstrebigkeit hat.

3.
Durch Heraushebung eines bevorzugten Teiles des einheitlichen Raumes als Gnadenmittelstätte wird der Gemeinde am besten veranschaulicht, dass dem menschlichen Ich das göttliche Du gegenübertritt. Doch muss auf seine innige Verbindung mit dem Gemeinderaum besonderer Wert gelegt werden.

4.
In Gemeinden lutherischer Observanz wird darin dem Altar, dem symbolischen Repräsentanten des in Christi Todesopfer gegebenen objektiven Heiles, als der Grundlage auch des gesamten kultischen Handelns, die Hauptstelle zukommen.

5.
Eine Überordnung der Kanzel, wie sie im Kanzelaltar geschieht, ist für jene nicht angemessen, da die Predigt nur eine, wenn auch besonders wichtige Darbietungsform von Gotteswort ist. Am besten wird ihr eine mehr amboartige Gestaltung und Aufstellung nach altchristlichem Vorbild unmittelbar vor der Gemeinde gegeben, sei es in der Mittelachse, sei es etwas seitlich davon, etwa korrespondierend mit einem Lesepulte.

6.
Der Taufstein als Stätte eines Sakramentes hat Anspruch auf einen Platz im Altarraum; ein geeignetes Gegenstück zur Kanzel ist er nicht.

7.
Auf die Möglichkeit, den Kirchenraum nach Bedürfnis zu erweitern oder zu verengern, ist stets Bedacht zu nehmen.

8.
Emporen sind als Mittel zu zeitweiser Raumerweiterung zu behandeln.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/58/prog08.htm
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