Die Menschheit ist religiös

Eine Rezension

Christoph Fleischer


Rezension des Buches "Religionsmonitor". hrsg. von der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, Preis:14,95 Euro, ISBN 978-3-579-06465-9



Die Erfahrung der Globalisierung beschreibt die Tatsache, dass die Menschheit sich zwar in unterschiedliche Nationen und Kulturen teilt, aber dennoch in bestimmten Grundkategorien inzwischen eine gemeinsame Erfahrungsebene besitzt. Diese sind neben der Pop-Kultur, die Unterhaltungselektronik, die Vernetzung durch PC, Internet und Telefonie, die Weltwirtschaft, die UNO, die sich gerade dem Weltklima zuwendet und die Weltwirtschaft. Kann das Phänomen der Religion mit seinem stark individuell persönlichen Charakter zu dieser globalen Wirklichkeit gerechnet werden?

Die Frage auf der Ebene der Kommunikation ist die, ob die Erfahrungsebenen der Religion in eine Sprache überführt werden können, die es möglich macht sehr unterschiedliche religiöse Identitäten und Erfahrungen sprachlich vergleichbar darzustellen. Dabei müsste gleichzeitig der Wahrheitsanspruch jeder einzelnen Religion unangetastet bleiben, denn sonst würden sich die Einzelnen ja wohl kaum zu diesem Thema äußern.

Und eben diesen Versuch macht die Religionssoziologie mit der Umfrage unter dem Begriff "Religionsmonitor" durchgeführt und in diesem Buch dargestellt von der Bertelsmann Stiftung. Jeder, der die ersten Erfahrungen mit der Umfrage zur Kenntnis nehmen will, sollte sich zuerst dem Fragebogen zuwenden und ihn persönlich bearbeiten (S. 239-254). Dazu öffne man im Internet die Seite www.religionsmonitor.com. Nach der Bearbeitung des Fragebogens kann man sich dort auch eine Auswertung anzeigen lassen, die aber leider nur den grafisch dargestellten Vergleich mit dem Durchschnitt ermöglicht, nicht jedoch eine verbalisierte Auswertung und Darstellung der eigenen Religiosität. Diese wird hier überprüfbar eingeteilt in die Bereiche der Hochreligiösen, der Religiösen und der Nichtreligiösen.

Bereits diese Einteilung ist ein global gültiges Phänomen und funktioniert offensichtlich auf dem Hintergrund jeder religiösen Ausprägung. Dabei werden religiöse Kerndimensionen angesprochen wie: Intellekt, Ideologie (Glaube), öffentliche religiöse Praxis, Erfahrung, Konsequenzen im Alltag. Die religiöse Grunderfahrung kann entweder theistisch oder pantheistisch ausgedrückt werden. Diese Unterscheidung wird nicht von allen Interpreten als glücklich angesehen (z.B. Wolfgang Huber). Dennoch zeigt gerade die Anwendung, dass es sich dabei um einander ergänzende Grundfragen handelt, die in den einzelnen Religionen vermischt werden. Weder ein grundsätzlicher Traditionsabbruch (Hans-Georg Ziebertz) noch ein Ende des Säkularismus wird konstatiert (Monika Wohlrab-Sahr). Der These einer Wiederkehr der Religion wird jedoch aufgrund der Fakten widersprochen (Heiner Meulemann). Die Religion ist das Thema einer Wahl geworden und die Menschen machen davon Gebrauch (Walter Kardinal Kasper). Die Interviews, die vertiefend durchgeführt wurden, zeigten jedoch, dass eine Zuordnung zu bestimmten konfessionellen Mustern schwierig ist. Authentische Transzendenzerfahrungen sind typisch für den persönlichen Glauben. Oft ist dieser persönliche Glaube sehr individuell gestrickt: „Jeder hat seinen eigenen Glauben." (Armin Nassehi).

Eine relative Klarheit scheint dagegen bei den Muslimen vorzuliegen, die an einen persönlichen Gott glauben und anerkennen, dass sich die Religion auf alle Lebensbereiche auswirkt. Die Vermischung mit Lehren anderer Religionen wird hier überwiegend abgelehnt. Jedoch akzeptieren Muslime die religiöse Vielfalt und meinen allgemein, jede Religion habe einen wahren Kern (Gudrun Krämer).

Sehr bezeichnend ist, dass nur für den Teil der Hochreligiösen die Religion den Lebensalltag dominiert. Selbst Katholiken in Deutschland besuchen nur noch zu 7% den sonntäglichen Gottesdienst (Hans Langendörfer, S.J.). Überraschend ist vielleicht sogar, dass dabei die Älteren sich nicht als wesentlich religiös aktiver darstellen als die Jüngeren (Michael Ebertz). Selbst Menschen, für die der Glaube eine exklusive Bedeutung hat, sind bereit ihren Glauben zu hinterfragen, bezeichnen sich auch als auf der Suche befindlich und sind zum Dialog mit Angehörigen anderer Religionen bereit und offen (Volkhard Krech).

Zunächst wird nur ein vorläufiges Fazit gezogen, da diese weltweit angelegte Studie weitergeht und dabei noch weiter ausgewertet wird. Für unseren Bereich lässt sich schon jetzt die Beobachtung festigen, dass sehr viele Menschen religiös ansprechbar sind, ihren eigenen Glauben haben und in ihren je eigenen Alltag auch übernehmen. Dabei ist Religion weit weniger zentral, als sich dies die Kirchen und Religionsgemeinschaft vielleicht wünschen. Von der Kirche wird daher nicht in erster Linie erwartet, dass die Bedürfnisse der Hochreligiösen befriedigt werden, sondern dass sie in der Öffentlichkeit die Gedanken der Ethik, Toleranz und Orientierung vertritt, in der Bevölkerung grundlegende Glaubensinhalte vermittelt und zum Dialog und Kontakt mit anderen Religionen bereit ist.

Die Frage ist natürlich, ob nicht durch die Art der Fragen dieses Ergebnis schon irgendwie vorgezeichnet worden ist. Dennoch ist die Methode dieser Befragung  an die bekannten Persönlichkeitstests angelehnt und erlaubt schon für die einzelne Person weit reichende Rückschlüsse. Daher sollte man diesen Fragenkatalog ruhig einmal selbst beantworten, auch wenn man nicht so sehr an der Auswertung der Ergebnisse allgemeine interessiert ist. Und: An den harten Fakten, die zugleich erfragt werden, wie Kirchenzugehörigkeit, Gottesdienstbesuch usw. lässt sich nicht deuteln.

Die Umfrage erweckt den Eindruck, dass von der Fragestellung der vergleichenden Religionswissenschaft und Soziologie Sätze und Fragen gewonnen werden, auf die Menschen völlig unterschiedlicher Herkunft und religiöser Orientierung antworten können. Dies ist ein Beitrag zum interreligiösen Austausch und zur gegenseitigen globalen Anerkennung der Religionen. Die Umfrage zeigt ohnehin, dass die Basis dafür ohnehin schon jetzt breiter ist, als die Nachrichten über die Taten fanatischer Religionsanhänger uns glauben machen wollen. So ist die Religiosität allgemein, sowie deren Ausprägung in einen individuellen Glauben bis in die Gruppe der Nichtreligiösen hinein schon jetzt ein globales Phänomen. Es gehört weniger an die große Glocke der Weltöffentlichkeit, als in die Gespräche und Lebensumstände  des Alltags besonders dort, wo sich die Religionen bereits schon sehr vermischt haben. Dabei ist es dabei natürlich genauso sinnvoll, dass die Religionen sich der säkularen Sprache gegenüber öffnen, da abgesehen von den USA es immer weiter einen Anteil geben wird, der gegen über religiöser Lebenshaltung allgemein immun zu sein scheint.  (Olaf Müller, Detlev Pollack)

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/51/cf7.htm
© Christoph Fleischer 2008


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