Einblicke

Rezensionen

Andreas Mertin

Evangelischer Kunstdienst

Dorothea Körner, Zwischen allen Stühlen. Zur Geschichte des Kunstdienstes der Evangelischen Kirche in Berlin 1961-1989, Berlin 2005

Von einer tiefen Melancholie getragen sind Vorwort und Schlussanzeige dieses Buches. Der Kunstdienst der Ev. Kirche in Berlin hat 2005 seine Tätigkeit eingestellt. Die Evangelische Kirche organisierte ihre Tätigkeiten neu und an Stelle einer konkreten Schnittstelle von Kunst und Kirche erschien ihr eine repräsentative Stelle für das Kultursystem wichtiger und profilfördernder.

Manfred Richter skizziert in seinem Vorwort zum Buch diese Entwicklung und wirft ein Schlaglicht auf die – oft gar nicht genug gewürdigte – Bedeutung des Kunstdienstes und seine oftmals stiefmütterliche Behandlung durch die Evangelische Kirche.

Den Kern des Buches bildet aber die Aufarbeitung der Geschichte des Kunstdienstes der Evangelischen Kirche in Berlin 1961-1989 durch Dorothea Körner. Dazu arbeitet sie in einem ersten Schritt die Vorgeschichte des Kunstdienstes seit seiner Gründung im Jahr 1950 auf, schildert dann die Aktivitäten des Kunstdienstes der Ev. Kirche in Ost-Berlin zwischen 1961 und 1989, also nach dem Mauerbau bis zur so genannten „Wende“ und wirft dann noch einen Blick auf die Aktivitäten nach 1989. Ergänzt wird die Darstellung durch ein Interview mit Heinz Hoffmann, dem Leiter des Kunstdienstes nach 1974.

Jedem Jahrzehnt wird im Buch ein Abschnitt gewidmet, der die jeweilige Situation der bildenden Künste in der DDR beleuchtet, die Ausstellungen und Veranstaltungen des Kunstdienstes vorstellt und das Ganze bewertet bzw. ein Resümee zieht.

Damit leistet das Buch einen gewichtigen Beitrag zur jüngeren Geschichte von Kunst und Kirche.

Lichtpyramiden

Lichtpyramide. Gabriela Nasfeter. Hrsg. von Manfred Richter, Berlin 2003.

Als "ökumenisches Abenteuer" weist der Untertitel dieses Kunstkatalogs über die "Lichtpyramide" von Gabriela Nasfeter die Kunstinszenierung aus. An zwölf verschiedenen Orten hatte Gabriela Nasfeter ihre Lichtpyramiden installiert und ermöglicht so einen Einblick in die unterschiedlichen Raum-Atmosphären und -Gestaltungen. St. Sulpice in Paris, der Berliner Dom, das Ulmer Münster, die St. Elisabeth-Kirche in Breslaus, St. James's in London, St. Thomas in Strassburg, die Erlöserkirche in Jerusalem, die St. Laurenskerk in Rotterdam, die Hagia Irene in Konstantinopel, Gazatoun in Etschmiadzin, St. Georg in Wismar und St. Antonius/St. Shenouda in Berlin bilden die Stationen der Inszenierung. Der wunderschön gestaltete Katalog lädt zum Blättern und Nachvollziehen ein. Das Projekt ist sicher nachahmenswert und in der jüngeren Geschichte von Kunst und Kirche in seiner Anlage ohne Vorbild. Gerade seine Internationalität ist beeindruckend.

Ästhetik und Religion

Gräb/Herrmann/Kulbarsch/Metelmann/Weyel (Hrsgg.), Ästhetik und Religion. Interdisziplinäre Beiträge zur Identität und Differenz von ästhetischer und religiöser Erfahrung, Frankfurt u.a. 2007

Aus einem Symposion hervorgegangen ist diese Textsammlung, die sich von ganz unterschiedlichen Ansätzen her und unter verschiedenen Aspekten mit dem Thema "Ästhetik und Religion" beschäftigt.

In vier Großabschnitten (I. Erfahrung - Ästhetik - Religion; II. Ästhetik; III. Religion; IV. Ästhetische Erfahrung und Religion) wird das Thema bearbeitet. Was ist eigentlich "Erfahrung" im historischen Quershnitt des 20. Jahrhunderts fragen Jörg Herrmann und Jörg Metelmann und Wilhelm Gräb steuert vorläufige Bemerkungenzum Verhältnis von ästhetischer und religiöser Erfahrung bei.

Allerdings sind einige Beiträge nicht besonders originell, sie entfalten Perspektiven, die so oder ähnlich schon an anderen Stellen zu lesen waren. Auch die Systematik des Buchers leuchtet nicht zwingend ein. Eine striktere Konzentration auf die Fragestellung "Was ist ästhetische Erfahrung?" - "Was ist religiöse Erfahrung?" - "Wie beziehen sich ästhetische Erfahrung und religiöse Erfahrung aufeinander?" wäre mir wünschenswert gewesen. So aber wird viel Unterschiedliches auf sehr hohem Niveau reflektiert, ohne dass eine wirkliche Perspektive deutlich würde. Neueste Entwicklungen im Beziehungsgeflecht der Erfahrungsformen (etwa der Nivellierung religiöser Erfahrung zugunsten der Ästhetisierung von Religion und die radikale Vergleichgültigung der Kunst gegenüber der Religion) kommen nur ansatzweise zur Diskussion. Aber immerhin bekommt man ein Spektrum der verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten durch ausgewiesene Experten des Themas geboten. Wenn sich allerdings in der Gegenwart eine neue Verhältnisbestimmung von Kunst und Religion im Sinne ihrer radikalen Simultaneität abzeichnet (und das Paradigma der religiösen Erfahrung mit ästhetischer Erfahrung sich überholt), müsste die Forschungsarbeit in diesem Sinne weiter entwickelt werden.

Kunst des Glaubens - Glaube der Kunst

Christian Wessely (Hg.), Kunst des Glaubens - Glaube der Kunst, Regensburg 2006

Den "Blick auf das 'unverfügbare Andere' pflegen möchte dieses Buch, das zugleich eine Festschrift für Gerhard Larcher zum 60. Geburtstag ist. Das Buch entfaltet das Thema auf 400 Seiten in zwei Bearbeitungsformen: zunächst gibt es grundlegende Erörterungen und dann folgen die konkreten Applikationen. Die Zahl der für das Buch gewonnenen renommierten Autoren ist beeindruckend (Alex Stock, Egon Kapellari, Reinhard Hoeps, Michael Haneke, Reinhold Zwick, Christian Wessely u.v.m.), die Bandbreite der behandelten Themen groß: von der klassischen Kunst bis zur Moderne, vom Film bis zur Kultur allgemein.

Aus der Vielzahl der Beiträge möchte ich nur einige Beiträge hervorheben:

  • Joachim Valentins fundamentaltheologische Überlegungen zur Bildtheologie unter der Überschrift "Fiktion Bild Text", die sich unter andem mit den Aspekten von Visionsbildern und Text, und der Poetischen Dogmatik von Alex Stock auseinandersetzen.
  • Reinhold Esterbauers Beitrag, der den Satz "Dieses Bild spricht mich an" durchbuchstabiert.
  • Reinhard Hoeps "Vom Himmel nichts als Bilder?" zum schwierigen Thema der Symbolisierung der wege des Aufstiegs.

Eine bereichernde und empfehlenswerte Textsammlung.

Vom Design zur Sache

Andreas Hellgermann, Vom Design zur Sache. Eine fundamentaltheologische Untersuchung zum Umgang mit den Dingen, Münster 2006.

Als ich das Buch "Vom Design zur Sache. Eine fundamentaltheologische Untersuchung zum Umgang mit den Dingen" von Andreas Hellgermann zur Rezension auf den Schreibtisch bekam, war ich zuerst irritiert. Der Gedanke, dass Bildende Kunst, Literatur oder Musik zur Theologie in Beziehung gesetzt wird, war und ist mir vertraut - aber Design? Muss denn alles und jedes mit Theologie in Beziehung gesetzt werden?

Um so überraschter war ich dann von der Lektüre. Ich finde diese Arbeit außerordentlich produktiv, erhellend und weiterführend. Der Autor versteht es nicht nur, die Entwicklung der Diskussion um das Design im 20. Jahrhundert darzulegen, sondern auch, diese Entwicklung in das theologische Denken einzuordnen. Unter den leitenden Begriffen "Design - Gestalten - Welt - Sachlichkeit" setzt Hellgermann die Frage der Gestaltwerdung mit philosophischen Konzepten und theologischen Entwürfen in Beziehung.

Kritisch würde ich allenfalls einwenden, dass einige bedeutsame philosophische Ansätze, die ich für die Auseinandersetzung für unentbehrlich halte (etwa Rüdiger Bubners kritische Auseinandersetzung mit der Ästhetisierung der Lebenswelten oder Albrecht Grözingers grundlegende Studie zur Praktischen Theologie und Ästhetik) keine Berücksichtigung finden.

Ein Buch, mit und in dem man dennoch viel lernen kann und Gestaltungsfragen unter neuen (theologischen) Aspekten wahrnimmt.

Zehn Gebote

Veronika Thum, Die zehn Gebote für die ungelehrten Leut'. Der Dekalog in der Graphik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, München/Berlin 2006

Mit der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Graphik zum Dekalog setzt sich diese Forschungsarbeit auseinander. In der Regel werde der Graphik, so meint die Autorin, in der kunstgeschichtlichen Forschung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das Buch sucht dies an den populären Szenarien zum Dekalog nachzuholen.

In einem ersten Schritt geht es zunächst um den Dekalog im Christentum. Dass dabei mehrfach der Begriff "Alttestamentarische Quellen" fällt, ist - auch wenn man berücksichtigt, dass auch renommierte kunsthistorische Fachwissenschaftler diese Unsitte pflegen - schon erschreckend. Es zeigt, wie weit sich die kunstgeschichtliche Forschung iim Bereich religiöser Bildwerdung von der korrespondierenden Fachwissenschaft der Theologie entfernt hat. "Alttestamentarisch" ist ein antijudaistischer Tendenzbegriff des 19. Jahrhunderts und fand in der theologischen Fachwissenschaft niemals Verwendung. Auch Begriffe wie "frühes Judentum" sind höchst problematisch. Die neueren theologischen Forschungen zum Dekalog werden in der Studie leider nicht berücksichtigt, Grundlage der Skizze sind Texte der 60er- und 70er-Jahre.

Andere Aspekte werden einfach aus der tradierten Literatur übernommen, ohne sie einer neuen wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen. Das gilt zum Beispiel für die verbreitete These, dass Bilder für die des Lesens unkundigen Menschen eingesetzt worden seien. Ob dies vor dem 16. Jahrhundert wirklich der Fall war, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Das macht nur Sinn, wenn man unter "des Lesens Unkundigen" nicht die unteren Schichten im heutigen Sinne, sondern eben auch und gerade die Herrschenden versteht, die oft genug Analphabeten waren. Die unteren Schichten jedenfalls dürften vor 1500 kaum in der Lage gewesen sein, Bilder zu "lesen". Selbst heutige Gymnasiasten sind dazu kaum in der Lage, weil ihnen in der Regel die semantischen Gehalte fehlen.

In der Sache selbst ist das Buch aber dann doch gewinnbringend, indem es mit zahlreichen Abbildungen das Genre nahebringt. Manche Abbildungen sind zwar für eine genauere Betrachtung zu klein (etwa S. 81, Cranachs Katechismustafel) und erfüllen so nur eine dekorative Funktion, aber in der Regel lässt sich die Argumentation am Material gut nachvollziehen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/47/am207.htm
© Andreas Mertin