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Magazin für Theologie und Ästhetik


Der Heilige Antonius von Padua

Letzte Versuchung

Wilhelm Busch

Der heilige Antonius von Padua
Saß oftmals ganz alleinig da
Und las bei seinem Heilgenschein
Meistens bis tief in die Nacht hinein. -



Einst, als er wieder so sitzt und liest -
- Auf einmal, so räuspert sich was und niest;
Und wie er sich umschaut, der fromme Mann,
Schaut ihn ein hübsches Mädchen an. - -
- Der heilige Antonius von Padua
War aber ganz ruhig, als dies geschah.
Er sprach: »Schau du nur immer zu,
Du störst mich nicht in meiner christlichen Ruh!«



Als er nun wieder so ruhig saß
Und weiter in seinem Buche las -
Husch, husch! - so spürt er auf der Glatzen
Und hinterm Ohr ein Kribbelkratzen,
Dass ihm dabei ganz sonderbar,
Bald warm, bald kalt zumute war. -
Der heilige Antonius von Padua
War aber ganz ruhig, als dies geschah.
Er sprach: »So krabble du nur zu,
Du störst mich nicht in meiner christlichen Ruh!«



»Na! - - Na!« - -



»Na, na! - sag' ich!!!« -



»Hm! hm! - - hm! hm!!!«



Auf einmal aber - er wusste nicht wie -
Setzt sich das Mädel ihm gar aufs Knie
Und gibt dem heil'gen Antonius
Links und rechts einen herzhaften Kuss.



Der heilige Antonius von Padua
War aber nicht ruhig, als dies geschah.
Er sprang empor, von Zorn entbrannt;
Er nahm das Kreuz in seine Hand:



»Lass ab von mir, unsaubrer Geist!
Sei, wie du bist, wer du auch seist!!«



Puh!! - da sauste mit großem Rumor
Der Satanas durchs Ofenrohr.



Der heilige Antonius, ruhig und heiter,
Las aber in seinem Buche weiter! -

Oh, heil'ger Antonius von Padua,
Du kennst uns ja!
So lass uns denn auf dieser Erden
Auch solche fromme Heil'ge werden!


© Wilhelm Busch 1864
Magazin für Theologie und Ästhetik 41/2006
https://www.theomag.de/41/wb1.htm