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Magazin für Theologie und Ästhetik


Rückblick

Kunst und Religion als biographische Herausforderung

Andreas Mertin

Ein schönes Buch liegt vor mir auf dem Schreibtisch, Günter Rombolds im Münsteraner Lit-Verlag erschienenes Werk "Bilder - Sprache der Religion". Dieses Buch, so heißt es auf dem Cover, "zieht das Fazit eines Lebens, das von der von der Faszination durch Kunst und Religion, ihrer Verwandtschaft und Gegensätzlichkeit, geprägt war. Viele Begegnungen mit Künstlern waren befruchtend, wie die Gespräche mit Adolf Frohner, Karl Prantl und Günther Uecker bezeugen. Wesentlich waren aber auch die theologischen Auseinandersetzungen. Grundlegend war die Erkenntnis, dass Bilder und Symbole für die Bibel ebenso essentiell sind wie für die Kunst. Die religiöse Wirklichkeit kann nur in Symbolen mitgeteilt werden. Das geschieht in Kunstwerken ebenso wie in Ritualen."

Günter Rombold, Jahrgang 1925, ist einer der großen und bedeutenden Menschen im Gespräch von Kunst und Religion. Er hat in einer Zeit, in der die offene Begegnung des Christentums mit der modernen Kunst keineswegs selbstverständlich war, in der die Akzeptanz autonomer Kunst im Christentum unter Schlagworten wie "Gestaltloses Christentum" angegriffen wurde, sich in besonderer Weise für diese Kunst eingesetzt - vergleichbar auf evangelischer Seite vielleicht nur mit dem zur gleichen Generation gehörenden Paul Gräb.

Das Buch zeichnet auf 120 Seiten in zehn Abschnitten die verschlungenen Wege und Konfliktfelder der Annäherung von Kunst und Kirche in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts nach, nicht ohne auch Ausflüge in die Kunstgeschichte des Christentums zu machen. Sehr persönlich zeichnet Rombold im ersten Kapitel "Begegnungen" seinen Werdegang und seine Entwicklung nach, schildert das Treffen mit Künstlern und Weggefährten. Das zweite Kapitel "Bilder - Sprache der Religion" zeichnet die Grundlagen seines Denkens nach, setzt sich mit dem Symbolbegriff und dem Bilderverbot auseinander, skizziert die Bildgeschichte des Christentums, setzt sich mit dem Erhabenen auseinander und stellt sich der Dialektik von Schönheit und Hässlichkeit. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema "Kunst und Religion in Österreich". Interessant sind vor allem die im Buch abgedruckten Künstlergespräche, etwa mit Adolf Frohner, mit Karl Prantl oder mit Günter Uecker. Mir wird dabei deutlich, dass die Begegnung von Kunst und Religion bzw. Kunst und Kirche weniger ein Problem der systematisch- oder praktisch-theologischen Durchdringung ist, als vielmehr eines der persönlichen Begegnung und Auseinandersetzung. Auf einer abstrakten Ebene und theologisch sicher korrekt kann man sagen "Auch das Schöne muss sterben - Schönheit im Lichte der Wahrheit", auf der Ebene der Begegnung mit und dem Lernen von Künstlern helfen derartige dogmatische Prolegommena nicht weiter. Das Gespräch suchen, so wie Rombold es hier vorführt (und wie es ja auch all die anderen wichtigen Vertreter dieses Gebietes wie Paul Gräb, Horst Schwebel und Friedhelm Mennekes es praktiziert haben), ist das A und O einer gelingenden Verhältnisbestimmung. Schon allein das macht das Buch gewinnbringend für die Lektüre.

Eine persönliche Notiz: Günter Rombold gehört deutlich einer anderen Generation an als der Rezensent. Seine Generation musste die Kunst in Theologie und Kirche erst gegen alle Widerstände wieder in der Kirche diskursfähig machen, musste Gräben überwinden, die sich - auf beiden Seiten - aufgetan hatten. Daher prägt nicht nur das vorliegende Buch ein leichter apologetischer Grundton. Die Beschäftigung mit den Konflikten rund um das Blasphemische und das Obszöne, der Nachweis religiöser und christlicher Gehalte steht daher oftmals im Vordergrund. Aus meiner Perspektive eines nach dieser Konfliktstellung Geborenen wäre das aber gar nicht nötig. Auch wenn in der Kunst nichts Religiöses mehr vorkäme - oder vielleicht sogar gerade dann -, wäre sie ein (über-)lebenswichtiger Gesprächspartner von Theologie und Kirche. Dass ich das so locker sagen bzw. schreiben kann, verdankt sich natürlich dem Engagement jener Lehrer, die uns den Gedanken einer theologischen Beschäftigung mit Kunst zwingend und plausibel nahegebracht haben. Zu diesen Lehrern gehört Günter Rombold - auch wenn ich nicht bei ihm studiert habe, sondern ihn nur in den 80-Jahren des öfteren in Marburg beim Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart getroffen und gesprochen habe. Sein Buch mit Horst Schwebel über das Christusbild war eben auch Anlass und Herausforderung über die religiöse Ikonografie hinaus zu denken und den ikonoklastischen Streit um derartige Bilder als produktiven Impuls für Theologie und Kunst zu deuten.


© Andreas Mertin 2005
Magazin für Theologie und Ästhetik 34/2005
https://www.theomag.de/34/am152.htm

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