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Magazin für Theologie und Ästhetik

Februar 2004

Liebe Leserinnen und Leser,

wer im Interesse der Beschäftigung mit dem Populären im Kontext des Religiösen und des Ästhetischen sich mit der einschlägigen grundlegenden Literatur der Cultural Studies beschäftigt, wird überrascht von der Tatsache, dass nach der Meinung mancher ihrer Vertreter, die Populärkultur das direkte Gegenüber von Religion und Kunst ist. Schlägt man im Register derartiger Bücher unter dem Stichwort "Religion" nach, so taucht dieses oft im Kontext der Erörterungen der "ideologischen Staatsapparate" auf. Die Darstellung der Religion ist dabei derart klischeeartig verzerrt, dass man sich an Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts erinnert fühlt. Ein Beispiel dafür ist etwa die Eröffnung von John Fiskes Aufsatz "Lustvoll Shoppen":

"Einkaufszentren sind Kathedralen des Konsums - eine glatte Phrase, die ich in dem Moment bereue, in dem ich sie zu Papier bringe. Die Metapher des Konsums als einer Religion, in der die Waren zu Ikonen der Anbetung und die Rituale des Tausches Geld gegen Güter ein säkulares Äquivalent der heiligen Kommunion werden, ist schlicht zu oberflächlich, als daß sie hilfreich wäre ... Die Metapher konstruiert Ähnlichkeit aus der Differenz, und wenn eine Metapher zum Cliche wird, wie dies für jene der Einkaufszentrum-Kathedrale gilt, dann muß sich eine widerständige Lektüre eher den Differenzen, als den Ähnlichkeiten anschließen, da Cliches nur aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für den common sense Cliches werden: Das Cliche hilft dabei, die Verbindlichkeit des common sense zu konstruieren. Nun zu den Differenzen: Die religiöse Gemeinde ist machtlos, sie wird wie eine Herde Schafe durch die Rituale und Bedeutungen geleitet, gezwungen, die angebotene Wahrheit zu 'kaufen', die ganze Wahrheit, nicht nur ausgewählte Stückchen davon. Wo die Interessen der Autorität oben von jenen der Gemeinde unten abweichen, hat die Gemeinde keine Macht zu verhandeln, zu unterscheiden: Alle Anpassungen werden von den Machtlosen in Unterwerfung unter die große Wahrheit vorgenommen."

Anders dagegen, nach Meinung von Fiske, der Konsummarkt, der von der Rezeption der Konsumenten und eben nicht der Produzenten beherrscht werde. Das ist natürlich ebenso lächerlich wie es zugleich ein Stereotyp kirchenkritischer Betrachtungsweise ist und bleibt. Nicht nur in calvinistischen Gemeinden ist die Macht der Gemeinde immens, auch in anderen christlichen Denomminationen haben "die oben" die divergierenden Lesarten derer "da unten" schmerzhaft zu spüren bekommen. Es wäre daher an der Zeit, auch einmal Cultural Studies des Religiösen in den europäischen Ländern vorzulegen.

Allein, die Zeit ist wohl noch nicht reif dazu, jedenfalls fanden sich nur wenige Reaktionen auf den Vorschlag, Cultural Studies mit Religion und Kunst in Beziehung zu setzen. Um so mehr danken wir jenen, die die aktuelle Ausgabe des Magazins mit Lesarten des Populären bereichert haben.

Unter den ARTIKELN finden Sie Beiträge von Gerd Buschmann zu religiösen Motiven in der Popmusik, von Ton Zondervan über Meditation, Liturgie und gregorianische Gesänge in religiöser Jugendarbeit und von Inge Kirsner über Erlöserinnen im Film.

Unter REVIEWS finden Sie eine Besprechungen von Roland Wicher über Michael Hanekes Kino, von Karin Kontny über den Heiligen Sebastian in Wien und Rezensionen von Andreas Mertin.

Unter MARGINALIEN ein Einwurf von Andreas Mertin zum virtuellen Kirchenbau und Notizen von Inge Kirsner zum Film K-PAX .

In der Rubrik SPOTLIGHT finden Sie das WEBLOG, das unter dem Titel "aufgespießt" läuft, die vertrauten Kolumnen zum Ausstellungskultur und zur Bücherwelt von Karin Wendt, sowie zum Internet und zur Videoclipästhetik von Andreas Mertin.

In diesem Sinne wünschen wir den Leserinnen und Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre dieses Heftes!


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