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Magazin für Theologie und Ästhetik


Spiel und Religion

Befragungen

Andreas Mertin

In der Reihe Wechsel-Wirkungen. Traktate zur Praktischen Theologie und ihren Grundlagen ist ein Themenheft "Spiel und Religion" erschienen. Das knapp 60 Seiten umfassende Heft enthält drei Gespräche, die der Journalist HARTMUT MEESMANN im Sommer 2001 für ein Radio-Feature zum Thema mit dem Baseler Philosophen HANS SANER, dem Paderborner Theologen HARALD SCHROETER-WITTKE und der Wuppertaler Pfarrerin SUSANNE WOLF-WITHÖFT geführt hat. Es sind - dem Genre entsprechend - kurze Radio-Gespräche, die das Thema zwar nicht erschöpfend erschließen können, aber nachdenkenswerte Impulse vermitteln. Interessant sind dabei zum einen die unterschiedlichen Ansätze, die die Interviewten zur Beschäftigung mit dem Spiel geführt haben, zum anderen aber auch die sich zum Teil ausschließenden Thesen, die sie vertreten. Das gilt zum Beispiel dort, wo HANS SANER gesprächsweise die drei großen Buchreligionen zu spielfeindlichen Religionen erklärt. "Christentum, Judentum und gerade auch der Islam sind spielfeindliche Religionen. Wenn es viele Götter gibt, die untereinander die Macht teilen müssen, dann spielen diese Götter mit- und sehr oft auch gegeneinander, so genannte 'Machtspiele' ... Geht man aber von dem einen und einzigen Gott aus, der alles im Vorhinein geplant hat, dann verschwinden die Spiel-Räume .... Wenn Sie die monotheistischen Schöpfungsmythen durchlesen, sehen Sie, dass das Spiel dort nicht vorkommt ... Bei den monotheistischen Religionen gibt es die Spielhölle und den Spielteufel, aber nicht den Spielgott und nicht den Spielhimmel." Dem wird man als Theologe unter Verweis auf Psalm 104, 26, Hiob 40, 29, Jesaja 11, 8 bzw. Sacharja 8,5 doch widersprechen müssen. Hier verwechselt Saner offenkundig Wirkungs- und Kirchengeschichte mit biblischen Quellen. Gott spielt nach biblischem Bekunden durchaus Spiele, darauf verweisen auch die beiden befragten Theologen. Nur sind es eben keine Macht-Spiele, die er spielt, sondern offenkundig ideale, das heißt zwecklose Spiele. Und gerade in den Schöpfungsmythen, die Saner bemüht, kommt das Spiel in der Hebräischen Bibel noch am häufigsten vor: eben im Psalm 104 und der Gottesrede im Hiobbuch. Und auch in utopischen Texten wird das Spiel sicher nicht zufällig erwähnt. HARALD SCHROETER-WITTKE verweist in seinem Beitrag zudem auf die christologische Trope, dass Gott sich mit Jesus Christus selbst aufs Spiel setzt, dass das Kreuzesgeschehen auch als "Spiel" begriffen werden kann, das zwar tödlich endet, aber über den Tod hinaus zu neuem Leben führt. Für SUSANNE WOLF-WITHÖFT, die das Spiel an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal im Rahmen eines homiletischen Seminars eingeführt hat, hat das Spiel grundsätzlich "eine religiöse Komponente. Spiel ist immer auch ein Vorgriff auf den Himmel." Und sie fügt hinzu: "Im Grunde ist es der Rechtfertigungsgedanke, der sich im Spiel verwirklicht." [s. dazu auch den Beitrag "Spielend selig werden? Ein spielpädagogischer Blick auf das Rechtfertigungsgeschehen" von ANDREA NICKEL-SCHWÄBISCH]

Schritt für Schritt, Frage für Frage werden so verschiedene Facetten des Spiels abgearbeitet. Ein Problem ist aber sicherlich, dass der verwendete Spielbegriff zu unscharf ist, um wirklich zu erhellenden Aussagen und Erkenntnissen zu kommen. Wenn zum Spiel ebenso Bibliodrama, Predigt-Spiel, Klavierspiel, Mensch-ärgere-Dich-nicht und die Kreuzigung gezählt werden (ohne dass der jeweils unterschiedliche metaphorisch-heuristische Gebrauch des Spielbegriffs ausreichend deutlich wird), verschwindet die Kontur des Spiels. Wenn Machtspiele Spiele sind, dann könnte man nach ADAM SMITH den Kapitalismus als "freies Spiel der Kräfte" doch auch gleich noch mit einbeziehen. Und wie ist es dann mit den Kriegsspielen (Wargames)? Und so fragt sich der Leser am Schluss der durchaus gewinnbringenden Lektüre: wenn selbst Predigten noch Spiele sind, was ist dann eigentlich kein Spiel? Der Tod? Der aber spielt zum Tanz auf.


Das Heft kann über jede Buchhandlung oder direkt beim Fachbuchversand Hartmut Spenner, Postfach 449, 45725 Waltrop zum Preis von 5 Euro bezogen werden. ISBN 3-933688-91-4


© Andreas Mertin 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 24/2003
https://www.theomag.de/24/am80.htm