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Magazin für Theologie und Ästhetik


Kulturkirche Köln

Neues Konzept für eine traditionsreiche Kirche

Susanne Hartmann

Wo sonst in Köln-Nippes die Orgel zur Andacht ruft, ertönen seit September ganz andere Klänge - die evangelische Lutherkirche wird einmal im Monat zur Kulturkirche Köln. In der neogotischen Kirche treten in einem anspruchsvollen Crossover-Mix bekannte Größen wie Gerd Köster und Eva-Maria Hagen auf, es gibt Workshops, Video-Installationen, Bildende Kunst, Theater und Comedy. Der Initiator, Pfarrer Thomas Diederichs, will die besondere Atmosphäre des Raums nutzen: "Künstler, Kirche und Besucher werden sich gegenseitig beeinflussen - ob thematisch oder atmosphärisch, bleibt den einzelnen Akteuren überlassen."

Kultur als Chance

Die Gemeinde in Nippes ist für innovative Ansätze bekannt. Musik-, Film- und Kunst-Projekte entstanden, und irgendwann wurde die Kirche für ein Event zum ersten Mal leergeräumt. Der Erfolg der Spark-Nacht, mit Installationen, Musik und Videos, die sich live mit dem Phänomen "Raum" befassten, machte der Gemeinde Mut zu ähnlichen Abenden. Die Idee, aus dem Veranstaltungsraum Kirche die Kulturkirche Köln zu machen, hat aber eine weitere Perspektive. Die Gemeinde Köln-Nippes ist - wie viele andere auch - von einschneidenden Sparmaßnahmen bedroht. Gleichzeitig wird das Image und der Bekanntheitsgrad der einzelnen Kirchen in Köln immer schwächer, die Menschen identifizieren sich nicht mehr unbedingt mit dem eingespielten Programm. Hier liegt die Chance für eine Kirche, die auch Distanzierten wieder einen Anreiz gibt, sich neu mit der Gemeinde auseinanderzusetzen - unter Umständen auch "nur" mit dem Ort Kirche beim Besuch einer Veranstaltung. Mit dem Engagement vieler ehrenamtlicher Helfer, professioneller Kommunikation, ansprechendem Programm und der Zusammenarbeit mit Sponsoren kann mit der Kulturkirche ein zukunftsweisender Schritt aus der Image- und Finanzmisere gemacht werden.

Positives Feedback

Nach der START-Veranstaltung im September, bei der bekannte Kölner Größen wie die Schäl Sick Brass Band, die A-Capella-Band Basta und innovative Computerkünstler in einem von Odo Rumpf skulptural verfremdeten Ambiente spielten, gab es auf der Internet-Seite der Kirche einen Fragebogen zum Projekt. Von den 155 Personen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, waren 116 in der für Kirchen schwer anzusprechenden Altersgruppe zwischen 20 und 50 Jahren. Fast alle fanden das Projekt Kulturkirche sehr gut, aber nur 25 gaben an, dass sie einen guten Kontakt zu ihrer Gemeinde hätten, nur 22 gehen regelmäßig in die Kirche. Fazit: Gerade die Zielgruppe der distanzierten Erwachsenen fühlt sich durch solch ein Programm ernstgenommen und angesprochen - das zeigten auch die zahlreichen begeisterten Kommentare.

Und wo bleibt das Evangelium?

Kulturevents in einer Kirche werden nicht uneingeschränkt befürwortet. Die Frage ist, inwieweit die Gemeinde die Grundlage ihres theologischen Handelns verlässt, wenn sie als Kulturveranstalter aktiv wird. Zu dieser Grundlage gehört in einem Umfeld wie Köln-Nippes neben diakonischen und seelsorgerlichen Aufgaben bestimmt auch die Wahrnehmung von gesellschaftlichen, sozialen und eben auch kulturellen Aufgaben. Kirche hat immer schon am kulturellen Diskurs der Gesellschaft partizipiert und produziert selbst Kultur - denn Religion ist auch eine Form der Kulturkommunikation.

Regional statt "global village"

Wenn Kirche ihre Moderatorenrolle ernst nimmt und ein Kulturangebot in der Nähe der Menschen schafft, das die Identifikation mit dem Ort stärkt, Begegnungen ermöglicht und Faszination ausübt, wird sie in Zeiten einer globalen Einheits-Popkultur eine vielversprechende Nische besetzen können. In Nippes jedenfalls ist der Andrang zu den Veranstaltungen groß - und das wird angesichts des attraktiven Programms hoffentlich auch im nächsten Jahr so bleiben.

Weitere Informationen: Thomas Diederichs 0221-733700
info@kulturkirche-koeln.de / www.kulturkirche-koeln.de


© Susanne Hartmann 2002
Magazin für Theologie und Ästhetik 20/2002
https://www.theomag.de/20/sh1.htm