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Magazin für Theologie und Ästhetik



Stan Douglas, Suspiria, Fridericianum / Herkules - Documenta11

Die Videoinstallation des Kanadiers Stan Douglas ist eine der wenigen ortsspezifischen Arbeiten auf der documenta 11 und sie ist unglaublich bestechend, weil sie mit dem Faszinosum der Kunst arbeitet, mit Täuschung und Verzauberung.

Zu sehen sind Schwarz-Weiss-Aufnahmen von einer unterirdischen Grotte. Das Verlies in einem Historienfilm, die Unterwelt in einem Fantasy-Film oder auch der Fluchtweg in einem Kriminalfilm? Die filmischen Topoi ließen sich erweitern. In dieser Grotte aber erscheinen - immer nur für kurze Zeit - Menschen und groteske Figuren. Schein-Körper in grellen Bildschirmfarben Rot, Blau, Gelb und Grün, die die Grotten geisterartig bevölkern. Die Isolation von Farben und Nichtfarben "beruht auf dem amerikanischen NTSC-Fernsehsystem, bei dem, anders als im PAL-System, eine Ebene mit schwarz-weißer Bildinformation mit einer zweiten Ebenen von Farbsignalen aufgepeppt wird." (Christoph Blase) Die Bilder von der Grotte, die eingeblendeten Figuren und Textfragmente in englischer Sprache sind über ein Programm so miteinander verknüpft, dass es zu wechselnden, nur indirekt gesteuerten Interaktionen kommt. So entstehen drei parallele Erzählstränge, an denen sich die Neugier entzündet und die Fantasie unendlich multipliziert.

Den gezeigten Ort kann man tatsächlich aufsuchen: Es sind, wie der Katalog verrät, die Grotten des Kasseler Herkules. Hoch über Kassel sind dort 13 bewegliche Kameras montiert, die Livebilder ins Fridericianum übertragen, während die Spielszenen in Studios gedreht wurden. Bei den Texteinblendungen hat Douglas auf die Märchen der Gebrüder Grimm zurückgegriffen, die im 19. Jahrhundert in Kassel lebten: "Erzähl-Bausteine, die von Riesen handeln, von geheimnisvollen Türen oder Tieren, von Äpfeln des Lebensbaums oder von gestohlenem Gold." Douglas nennt seine Arbeit "Suspiria" nach dem Horrorklassiker von Dario Argentos. Zwischen Fiktion und Realität, zwischen Fern-Sehen und (Für-)Wahr-Nehmen entspinnt sich so während der documenta ein unvergessliches Märchen aus Kassel und einer Nacht. [KW]

Der Herkules ist täglich von 10 bis 17 Uhr zugänglich.