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Magazin für Theologie und Ästhetik



Doris Salcedo, Fridericianum - Documenta11

Die Kolumbianerin Doris Salcedo schafft in ihrer künstlerischen Arbeit Raum, um Zustände von politischer Gewalt und sozialem Elend konkret zu vergegenwärtigen. Sie macht elementare Gebrauchsgegenstände, die bereits eine konkrete Nutzung erfahren haben, zum Material einer skulpturalen Bearbeitung von Geschichte: Alte Möbel, abgetragene Schuhe, Stoffreste, Knochenstücke.

Bei ihrer Arbeit für die documenta11 ist erneut die jüngste Geschichte von Kolumbien ihr Thema. "1985 wurde der Justizpalast in Bogotá von einer Guerilla-Gruppe besetzt. Die Regierung behauptete, eine friedliche Lösung sei nicht möglich, und beschloss, das Gebäude und seine Insassen unter Beschuss zu nehmen. Diese Aktion endete in einer schrecklichen Tragödie. Das Ereignis berührte eine ganze Nation in ihrem Innersten und machte deren Bürger zu unfreiwilligen Zeugen eines unvorstellbaren Verbrechens." Soweit die Beschreibung im Kurzführer.

Zu sehen sind grau angestrichene Stühle mit ungewöhnlich langen Beinen und Lehnen, die Salcedo einmal, einer scheinbar zufälligen Ordnung folgend, frei im Raum des Fridericianums stellt - ein Arrangement, das einzig die seltsame Form der Stühle in den Blick rückt und so den einzelnen Stuhl zeichenhaft isoliert.

Einem erweiterten Umgang mit den Stühlen begegnet man in einer Raumnische, deren schmale Öffnung den Blick zunächst so begrenzt, dass lediglich lange, horizontal gelagerte Vierkantstreben, dicht gelagert, zu sehen sind, die sich dann bei näherem Herankommen als gleichsam "gestreckte" Beine der zu beiden Enden quer gestellten Stühle erweisen.

Die Beklemmung, die die eingeklemmten Stühle evozieren, ist enorm. Diesem Gefühl korrespondiert ein Verlust an proportionaler und perspektivischer Klarsicht, sowohl was den Raum, als auch das genaue skulpturale Setting im Raum betrifft. So entsteht in der Tat ein Bild für etwas in seiner Gänze nicht Vorstellbares und gleichwohl konkret Begrenztes. Dabei geht vom Eindruck des Bodenlosen ein Sog aus, etwas zu erinnern oder es zu vergessen? [KW]