Wie liest man eine Stadt?

Padua auf historischen Karten und in Lexika

Andreas Mertin

Einleitung

Die Begehungen einer Stadt, also ihre leiblichen Lektüren, sind durch viele Faktoren bestimmt: die Nachrichten und Berichte, die schon vorab zur Kenntnis genommen wurden und die ein fiktives Bild einer Stadt im Kopf haben entstehen lassen. Im Blick auf Padua war das bis ins vorletzte Jahrhundert vor allem das Bild einer Gelehrtenstadt, deren Ruhm freilich mit der Zeit hinter Universitäten wie der von Bologna zurückfiel. Touristisch standen dagegen eher Venedig, Verona oder Ferrara im Blickpunkt – da war Padua nur ein möglicher Zwischenhalt auf der Reise. Literarisch ist es hier vor allem Goethe, der sich Padua auf den Schilderungen seiner Italienischen Reise intensiv widmet.[1] Dann wirkt seit dem 20. Jahrhundert das Kino mit seinen oft an eine Stadt gebundenen Erzählungen, wobei es einen Padua-spezifischen Kinofilm meines Wissens nicht gibt. Und heute berichtet uns das Fernsehen mit spezialisierten Reisesendungen, was uns in einer Stadt erwartet. Aktuell sind es natürlich Google Maps und Google View, die einem eine Stadt nahe, d.h. auf das Smartphone, Tablet oder den Desktop bringt. Wer Städtetouren mit Hilfe von Google-View vorbereitet, dem kommt dann vor Ort manche Situation merkwürdig vertraut vor, obwohl er noch niemals dort war. In früheren Jahrhunderten waren es nicht zuletzt Stadtpläne, die einem einen ersten Überblick verschafften, manchmal auch nur die Stadtansichten, wie sie etwa Franz Hogenberg[2] oder Matthäus Merian schufen. Im Folgenden will ich einen Blick auf einige historische Karten der Stadt Padua werfen und schauen, was sie uns im Verlaufe der Zeiten – hier von 1493 bis 1840 zu erzählen haben. Zum Abschluss werfe ich dann noch ein Blick auf zwei Lexikon-Artikel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die den Deutschen die wesentlichen Informationen über die Stadt vermitteln sollten.


Karten
2019 – Tourismuskarte

Dies ist eine normale vereinfachte touristische Karte, wie man sie in Padua im Hotel zur groben Orientierung in der Stadt ausgehändigt bekommt. Sie ist entsprechend den heutigen Vorstellungen genordet, während die Mehrzahl der historischen Karten geostet ist. Vom oberen Rand der Karte (wo sich heute der Bahnhof befindet) bis zum unteren Rand (dem Prato della Valle) sind es etwa 2000 Meter. Im Vergleich zu den historischen Karten fällt auf, dass ein Flusslauf mit Straßen bzw. der Tram überbaut wurde (hier mit der orangenen Strichellinie nachgestellt).

Die Karte verhilft jedenfalls dazu, die folgenden historischen Karten, die noch keine eigentlichen Stadtpläne sind, etwas besser zu verstehen.

1493 – Schedelsche Weltchronik

Während der beschreibende Text der Schedelschen Weltchronik von 1493 die Stadt Padua selbst relativ genau beschreibt, würde man das dazugestellte Bild heute eher ein Symbolfoto nennen.[3] Es zeigt nicht Padua, sondern irgendeine Anmutung einer mittelalterlichen Stadt. Das gleiche Bild wird auch für die Beschreibung von Trier eingesetzt. Offenkundig stand dem Herausgeber keine passende Stadt-Silhouette zur Verfügung.

Intuitiv ist man versucht, etwas aus den Beschreibungen im Text auf dem Bild zu erkennen (und man kann durchaus überrascht sein, wie sehr gut das funktioniert, weil Padua natürliche eine von Wasser umgebene Stadt mit Mauern und einer Kathedrale ist), aber wir haben hier dennoch noch kein historisches Bild von Padua vor uns.

1599 - Theatrum Urbium Italicarum

Der erste Stich, der sich bemüht, die Stadt Padua auf einer Karte einigermaßen genau wiederzugeben, stammt aus dem Theatrum Urbium Italicarum von Pietro Bertelli, publiziert im Jahr 1599. Man erkennt gut die äußere Umbauung der Stadt, die zahlreichen – z.T. bis heute erhaltenen – Stadttore. Auch der innere, von Kanälen umflossene Stadtkern ist schön akzentuiert.

In seinen Proportionen stimmt das Bild freilich nicht, der Platz des Prato della Valle am rechten Stadtrand ist viel zu groß dargestellt, die Entfernung von dort bis zum Rathaus dagegen zu gering, das Bild ist also dramatisch nach Osten gestreckt. Gleichzeitig ist das Rathaus, wie man auf Google-Maps gut sieht, aus der Innenstadtmitte zum süd-westlichen Rand verschoben.

Im Blick auf die „Geographie des Heiligen“[4] erkennt man dennoch ganz gut, dass die faktischen „heiligen Orte“ Paduas außerhalb des engeren Stadtkernes liegen, sowohl die (auf der Karte nicht verzeichnete) Scrovegni-Kapelle samt Eremitani-Kirche im Norden, als auch die Basiliken des Hl. Antonius und der Hl. Justina im Süden der Stadt. Die Kathedrale im Stadtkern ist dagegen kaum akzentuiert, es heißt, dass die Bewohner lieber in die Antonius-Basilika gingen. Man könnte sagen, die offiziellen Gebäude von Staat und Kirche liegen im Stadtkern, die bedeutungsvollen heiligen davor.

1618 - Civitates Orbis Terrarum

Auf der Stadtkarte, die der Kupferstecher Simon van den Neuwel als Nachfolger von Frans Hogenberg für das epochale Civitates Orbis Terrarum gestochen hat und die 1618 im sechsten Band des Gesamtwerkes publiziert wurde,[5] und die bereits betrachtete Karte von 1599 als Vorlage genutzt hat, sind die Proportionen schon deutlich besser eingehalten. Es ist zugleich die erste Karte, die die einzelnen Orte der Stadt durch eine nummerierte Liste kenntlich macht.

Der Prato della Valle ist nun etwas kleiner dargestellt, aber der Platz vor der Kirche St. Justina ist immer noch viel zu groß geraten. Die Kirche des Hl. Antonius ist, insbesondere wenn man sie mit dem dahinterliegenden Stadttor (Porta da Ponte Corbo) vergleicht, zu klein geraten. Das Rathaus ist – vor allem durch die kräftige Kolorierung – prominent in den Blick gerückt, der Dom wesentlich akzentuierter dargestellt. Die Scrovegni-Kapelle ist nicht abgebildet, wohl aber die römische Arena davor und die Eremitani-Kirche daneben.

Für unser Wissen über mittelalterliche Stadtstrukturen – vor den immensen Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und barocker Umbauten – sind diese Stiche von Hogenberg einzigartig. Zur Detailfülle von Stadt und Landschaft tritt die reich ausgestattete Staffage – Fuhrwerke, Schiffe, zeitgenössische Trachten sowie jeweils zahlreiche Genreszenen. Dekorative Wappen und Einzelaufrisse kommen hinzu.[6]

1640 - Itinerarium Italiae nov-antiquae, oder Raiß Beschreibung durch Italien

Martin Zeillers Reisebeschreibungen durch Italien, 1640 erschienen, enthält die Schilderung seiner Erkundung von Padua, das er im November 1618 von Venedig aus aufsucht.[7]

Martin Zeiller ist ein ungemein belesener Autor und trägt alle Informationen aus den klassischen Quellen zusammen, die für ihn verfügbar sind. Die beigefügte doppelseitige Karte ist die erste, die die Stadt weitgehend unverzerrt wiedergibt.

Man könnte sich – mit etwas gutem Willen – damit auch heute noch in der Stadt orientieren. So ist die Scrovegni-Kapelle eingezeichnet, aber auch die Universität, das Rathaus, der Glockenturm und der Dom sind gut erkennbar dargestellt. Man merkt, dass man ein Blatt aus der Werkstatt von Matthäus Merian vor sich hat.

1704 – Les Villes de Venetie

Die folgende Karte mit den Maßen 42,5 x 53 cm stammt aus einem 1704 erschienenen Buch über die Städte Venetiens: Het Nieuwe Stede Boek, Van Geheel Italie. - Nouveau Theatre D'Italie aus der Amsterdamer Druckerei von Pieter Mortier.

Es ist eine Zeit, in derartige Stadtkarten bereits üblich geworden sind und daher immer mehr an Präzision gewinnen. Zum ersten Mal wird die Basilika der Hl. Justina wenigstens in ihrer Länge von 122,5 m abgebildet, aber sie erscheint eher ein- oder dreischiffig und nicht fünfschiffig. Dennoch ist diese Karte ein relativ guter Überblick über die Stadt am Anfang des 18. Jahrhunderts. Sehr anschaulich erscheinen die Straßenblock-Orientierung und die herausragende Bedeutung, die die Stadttore weiterhin haben. Bis die Eisenbahn diese Stadttore in ihrer kanalisierenden Funktion in den Hintergrund drängt, hatten sie eine entscheidende Bedeutung. Heute gibt es nur noch wenige Reste dieser Tore, aber eine Initiative, die sich um deren Kultivierung und Restauration kümmert.

1750 – Kolorierte Stadtansicht von Friedrich Bernhard Werner

Zum Zeichner Friedrich Bernhard Werner (1690-1776) vermerkt die Wikipedia Folgendes:

Aus kleinen Verhältnissen stammend, besuchte Werner zunächst das Jesuitengymnasium zu Neisse, ging dann schon in jungen Jahren auf Wanderschaft und führte ein so abenteuerliches Leben als Soldat, Quacksalber, Übersetzer, Schreiber und Maschinendirektor eines Theaters, dass er sich selbst als einen „schlesischen Robinson“ bezeichnete. Auf seinen Reisen ließ er sich „in der Ingenieurkunst informieren“, um „bei Vermerkung meines natürlichen Triebs zur Zeichnung“ seine Fähigkeiten im Zeichnen zu verbessern. Als ihm 1720 die Augsburger Kunstverleger (Jeremias Wolffs Erben) die Möglichkeit boten, Vorzeichnungen für Stadtansichten anzufertigen, erwanderte und bereiste er große Teile Europas und fertigte von zahlreichen größeren Städten mit viel Erfolg für ihre Kupferstichproduktion als ein „vollkommen Scenographus“ die Vorlagen an.

Padua. George Balthasar Probst, Augsburg, c.1750. Coloured. Two sheets conjoined, total 300 x 1000mm.

Im Vergleich zu den bisherigen Stadtplänen ist eine Stadt-Silhouette natürlich für eine Stadtbegehung weniger hilfreich, es dient mehr als Erinnerung an einen vorherigen Stadtbesuch oder als atmosphärische Einstimmung zu einem solchen. Ihren Ort hat sie in vielen Wohnzimmern als schmückende Raumausstattung gefunden.

Wenn man auf der 3D-Ansicht der Google-Maps versucht, den Standpunkt zu rekonstruieren versucht, von dem aus Werne seine Skizze angefertigt hat, erkennt man schnell, dass es sich um eine synthetische Ansicht handelt. Es gib keinen Punkt, von dem aus die Silhouette von Padua so erscheinen könnte, wie auf diesem Bild. Grundsätzlich erfolgt der Blick aus dem Südwesten, denn der Dom erscheint links vom Rathaus. Aber die weiteren Orte und Kirchtürme sind dann aus leicht versetzten Positionen und in unmittelbarer Anschauung gestochen.

1784 – Giovanni Volpato

1784 wird auf dieser Karte erstmals der im Ausbau befindliche Prato della Valle als herausgehobener Ort präsentiert. Die Karte ist extrem detailliert, so dass bei näherer Betrachtung selbst der genaue Grundriss der Basilika des Heiligen Antonius samt der einzelnen Seitenkapellen zu erkennen sind. Umgeben ist die Karte von elf herausragenden Stadtmonumenten. Als beachtenswert werden hervorgehoben auf der linken Seite die Porta del Portello, der Palazzo del Monte Pietà Nuovo am Domplatz, die Piazza delle Erbe, die Loggia e Odeo Cornaro, die Basilika des Hl. Antonius. Auf der rechten Seite finden sich das Stadttor Savonarola, der Palazzo Monte di Pietà Vecchio, die Piazza della Signoria, die Universität und Specula, das Observatorium. Bemerkenswert an dieser Auflistung sind die Darstellungen der beiden Palazzi, weil sie perfekte Perspektiven zeigen, die vor Ort gar nicht wahrgenommen werden können, sondern eine ideale Wahrnehmung schildern. Unten rechts noch eine allegorische Anspielung auf die Vermessungskünste und die Geschichte der Stadt. Das ist schon eher ein Werbeplakat.

1791 – Pizzi Zanoni

Die erste Karte in unserer Reihe, die genordet ist und die vor allem alle Stadttore explizit benennt und das neu errichtete Observatorium besonders hervorhebt. Das ist etwa der Stand der Stadt, auf den Goethe traf, als er 1786 die Stadt Padua aufsuchte.

1840 - Padua im 19. Jahrhundert – Vincenzo Voltolino

Diese Karte aus der Werkstatt Vincenzo Voltolino ist 27 x 30 cm groß, gedruckt auf einem Blatt von 41 x 56 cm. Auf ihr werden dieses Mal acht Orte besonders hervorgehoben: zwei Stadttore, zwei Wissenschaftsorte, zwei öffentliche Orte und zwei Kirchen:

Porta di Venezia – Universität – Café Pedrocchi – Basilika des Hl. Antonius
Porta di Vicenza – Observatorium – Sala della Raggione – Basilika der Hl. Justina

Die beiden Stadttore können auch heute noch besucht werden, wenn sie heute auch andere Bezeichnungen tragen. Das auf der Karte als Porta di Vicenza bezeichnete Stadttor entspricht der Porta Savonarola, die jedoch nicht mehr als Stadttor genutzt wird. Das auf der Karte als Porta di Venecia bezeichnete Stadttor heißt Porta Ognissanti bzw. Porta Portello. Auffällig gegenüber der vorherigen Karte ist, dass die Palazzi nicht mehr herausgestellt werden, dafür aber ein durchaus revolutionär zu nennendes Café hervorgehoben ist. Dieses klassizistische Café ist erst 1831 erbaut worden, schafft es aber in kürzester Zeit, zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten der Stadt gerechnet zu werden. Stendhal wird über dieses Café schreiben: «C'est à Padoue que j'ai commencé à voir la vie à la vénitienne, les femmes dans les cafés. L'excellent restaurateur Pedrocchi, le meilleur d'Italie.» Dieser berühmte Venezianer wollte seine säkulare und aufgeklärte Vision der Gesellschaft auf die Architektur übertragen und schuf etwas, das eines der symbolischen Gebäude der Stadt Padua werden sollte.

1908 / 1911 – Der Baedeker im Vergleich

Der Vergleich der für den deutschen Italien-Reisenden nach der Jahrhundertwende wichtigsten Reiseinformation zeigt, dass es beim Baedeker zwischen der Ausgabe von 1908 und der von 1911 gravierende Unterschiede gibt. Die ältere Ausgabe von 1908 umfasst nur knappe drei Seiten plus der eingelegten Stadtkarte, die Ausgabe von 1911 immerhin 11 Seiten plus Karte. Das ist ein deutlicher Unterschied. Zunächst einmal ergänzt der Baedeker von 1911 zentrale historische Informationen über die Stadt, die vorher fast ganz gefehlt hatten. Dann wird aber auch der Zugang zur Stadt anders beschrieben. Während der alte Baedeker sich vom Bahnhof nach rechts wandte, um über die Piazza Petrarca zur Carmini-Kirche zu gehen, sich dem Stadtkern also von Nordwesten nähert, empfiehlt der spätere Baedeker aufgrund des Ausbaus des Corso del Popolo den direkten Weg von Nord nach Süd und trifft so als erstes auf die Arena-Kapelle. Beim älteren Baedeker stand diese am Ende der Stadterkundung. Die Beschreibung ist im neueren Text sehr viel ausführlicher, kunstgeschichtlich präziser und auch kritischer. Ähnliches gilt für die Beschreibung der Eremitani-Kirche mit den Fresken von Mantegna. Wenn die beiden Ausgaben ins Zentrum der Stadt gelangen, beschreiben sie zunächst knapp die Universität, behandeln dann aber beide den Palazzo della Ragione sehr stiefmütterlich. Das steigert sich noch einmal in der Spärlichkeit der Darstellung beim Baptisterium mit seinem vollständig erhaltenen Freskenzyklus von Guisto de Menabuoi, 2021 immerhin zum Weltkulturerbe erklärt. Die Darstellung der Reiterstatue von Donatello und der Basilika des Hl. Antonius ist in der Ausgabe von 1911 wesentlich komplexer und umfassender.

Es könnte sein, dass sich die Differenz der beiden Darstellungen durch die Wirkungsgeschichte der Schriften von Jacob Burckhardt erklärt. 1855 erschien dessen Werk Cicerone, in dem er die italienische Kunst von der Antike bis zu seiner Gegenwart schildert, 1860 sein bedeutendstes Werk Die Cultur der Renaissance. Zum ersten Mal tritt einer größeren Öffentlichkeit die Bedeutung der italienischen Kultur für die Genese der Moderne ins Bewusstsein. Und tatsächlich zitiert der Baedeker von 1911 Jakob Burckhardt ausführlich. Das hat Auswirkungen auf die Begehungen der Städte, denn nun wird der Museumsbesuch – hier des Museums Civico mit seinen herausragenden Werken – zu einem Teil des bürgerlichen Pflichtprogramms. Das Museum Civico, 1911 noch direkt bei der Basilika des Hl. Antonius platziert, wird nun in seinem Inventar über mehrere Seiten vorgestellt.

1943 – US-Militär

Mit der folgenden Karte verlassen wir den touristischen und kulturgeschichtlichen Pfad und blicken zum ersten Mal auf eine militärische Karte. The map was created for use by War and Navy Department agencies during World War II” lautet die entsprechende Erklärung. Jede Institution, die die Macht in einer Stadt übernehmen will, muss neu kartieren, vermessen, den Bestand aufnehmen. Ihre Einträge zeigen, was ihnen wichtig ist, die Straßennamen lassen erkennen, dass die alte Herrschaft noch besteht. Für das Militär ist es wichtig, wo Kirchen und Museen sind, wo feindliche Einrichtungen, seien es militärische oder zivile.

Und so ist die „Begehung“ der Stadt eine etwas andere, als die, die ein Tourist wie Walter Benjamin 30 Jahre vorher vollzogen hat. Wo ist die Questura, wo der Justizpalast, wo sitzt der Bürgermeister? Man kann sich vorstellen, dass Karten wie diese bei der Bombardierung von Padua genutzt wurden, die Teile der Nordstadt trafen, aber eben auch die einzigartigen Fresken von Mantegna in der Eremitani-Kirche nahezu vollständig vernichteten.


Konversationslexika

Konversationslexika entstehen im 18. Jahrhundert und dienen weniger der Beschreibung dessen, was ist, als vielmehr der flüssigen Kommunikation darüber, also für den „Sprachgebrauch der galanten Zeit“. Sie gehören zur populärwissenschaftlichen Kultur. Es dient also nicht dazu, sich auf eine Reise nach Padua vorzubereiten, sondern im Salon oder bei anderer Gelegenheit, angemessen darüber unterhalten zu können.

1834 - Das Damen-Conversations-Lexikon

Padua, jene uralte, noch vor Rom erbaute Stadt Italiens, jetzt zum lombardisch-venetianischen Königreich gehörend, breitet sich in einer üppigen, einem Garten gleichenden Ebene aus und hat 51,000 Einwohner. Ihr Inneres trägt das Gepräge des hohen Alters: enge Straßen und thurmhohe Häuser, an denen bedeckte Arkaden für Fußgänger hinlaufen; dagegen finden sich herrliche Plätze (Piazza di Strena, del Santo, de' Signori und Prato della valle) und durch Bauart und Denkmäler ausgezeichnete Kirchen. Canäle, von der Etsch und den Lagunen hergeleitet, durchschneiden die Stadt nach allen Richtungen, auf dem Prato della valle bilden sie eine Insel, welche mit Rasen bedeckt und durch schöne Alleen und Baumgruppen geziert einen anmuthigen Anblick gewährt. Ueberhaupt concentrirt sich auf diesem Platze das ganze Volksleben der Paduaner; gewöhnlich dient er als Corso und Marktplatz, am Feste des heil. Antonius zu Pferderennen und Wettläufen mit kleinen Wagen und dann zur Abhaltung der Antoniusmesse, wo die Stadt von vielen Tausend Fremden besucht wird. Ihre Universität (1228 gestiftet) steht in gutem Rufe, wozu ansehnliche wissenschaftliche Anstalten, als eine Bibliothek von 70,000 Bänden, Sternwarte, botanischen Garten etc. mit beitragen. Noch sind ein Seminar, 2 Gymnasien, treffliche Mädchenschulen- und Erziehungsinstitute und viele wohlthätige Anstalten zu erwähnen. Die Fabriken wollen nicht viel mehr bedeuten, sie beschäftigen sich jetzt fast nur mit der Fabrikation von Seidenzeugen, seidenen Bändern und Darmsaiten; der Handel mit Naturprodukten ist aber nicht unansehnlich.

Die Beschreibung ist ganz interessant, ich möchte bezweifeln, dass der Verfasser in Padua gewesen ist. Die überaus beeindruckenden Bauwerke der Stadt, wie der Pallazzo della Ragione werden überhaupt nicht erwähnt, Kunstwerke wie die von Donatello oder Giotto ebenfalls nicht. Aber wenigstens wird das Ambiente einigermaßen geschildert.

1837 - Bilder-Conversations-Lexikon

Padŭa oder Padŏva, die befestigte Hauptstadt der gleichnamigen Provinz des lombardisch-venetianischen Königreiches, hat 49,000 Einwohner, liegt in einer schön angebauten Ebene am Bacchiglione, über den eine 1826 erbaute Kettenbrücke führt und welcher durch Kanäle mit der Brenta und Etsch verbunden ist. Die Sage läßt Padua älter sein als Rom, jedenfalls aber gehört es zu den ältesten Städten Italiens, wurde durch Karl den Großen den Longobarden abgenommen und verlor die später behauptete Selbständigkeit 1405 an Venedig, mit dem es in Folge der französischen Revolutionskriege an Östreich kam, von diesem 1805 zwar an Frankreich abgetreten, 1814 aber zurückerlangt wurde. Padua hat ein alterthümliches, düsteres Ansehen und schlecht gepflasterte, unsaubere und enge Gassen; unter seinen zahlreichen Kirchen sind die des h. Antonius von Padua mit fünf Kuppeln und drei Thürmen, und die der h. Justina auszuzeichnen, vor welcher der außerordentlich große, kreisförmige Platz, Prato della valle, umgeben von schönen Gebäuden liegt. Hier finden jährlich Pferderennen und andere Volksfeste, sowie im Juni die vielbesuchte Antoniusmesse statt und in der Mitte des Platzes, der vormals ein Sumpf war, bildet ein Kanal eine schöne 250 Schritt lange Insel, an seinen Ufern aber stehen 188 Bildsäulen berühmter Männer, welche auf der angeblich schon 1221, nach Andern 1260 hier gestifteten, einst hochberühmten Universität studirt haben, die noch die vorzüglichste in Italien ist und 1200 Studirende zählt. Das schöne Rathhaus enthält einen 128 Schritt langen und 42 Schritt breiten, 75 Fuß hohen und säulenfreien Saal, mit einem Denkmale des hier geborenen römischen Geschichtschreibers Titus Livius und des ebenfalls von hier gebürtigen, im December 1823 zu Gato im Reiche Benin an der Sklavenküste gestorbenen, ägyptischen Alterthumsforschers Belzoni. Padua ist der Sitz einer königlichen Delegation und Provinzialcongregation, eines Bisthums, mehrer Gymnasien und wissenschaftlicher Vereine; der Handel mit Vieh, Wein, Öl, Getreide ist weit bedeutender als das am Orte betriebene Fabrikwesen.

Der Text ist etwas umfassender, aber auch deutlich wertender als der drei Jahre zuvor publizierte. Was erwähnt wird und was nicht, erscheint dennoch ziemlich willkürlich. Man nennt Belzoni, der in Padua nur geboren wurde, nicht aber Galilei, der hier gewirkt hat. Donatello und Giotto finden keine Erwähnung, dafür vor allem politische Entwicklungen. Natürlich ist es schwer, mit 2000 Zeichen eine Stadt zu beschreiben, aber hier ist diese doch etwas unterkomplex geraten.

1905 - Meyers Großes Konversationslexikon

Padua (ital. Padova), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz, liegt in schöner, gartenähnlicher Ebene, am Bacchiglione, von dem hier der Kanal Piovego zur Brenta führt, an den Eisenbahnlinien Venedig-Mailand, P.-Bologna, P.-Bassano, P.-Montebelluna und den Lokalbahnen P.-Fusina-Venedig, P.-Piove und P.-Bagnoli. Die Stadt hat eine Ringmauer, sieben Tore (zum Teil aus der Renaissancezeit), zahlreiche Brücken (darunter vier antike und eine Kettenbrücke von 1829, die älteste Italiens), hohe Häuser, enge, meist mit Bogengängen versehene Straßen, aber schöne, freie Plätze. Unter den letztern ist der größte die Piazza Vittorio Emanuele, mit 82 Statuen berühmter Männer von P. und einer Halle (Loggia Amulea), mit Statuen von Dante und Giotto. Mittelpunkt von P. ist die Piazza delle Erbe. Auf der Piazza del Santo erhebt sich das eherne Reiterstandbild des venezianischen Condottiere Gattamelata (von Donatello, 1453), auf der Piazza del Carmine das Marmorstandbild Petrarcas (1874). Unter den Kirchen Paduas befinden sich mehrere berühmte Bauten. Der Dom wurde 1551–77 im Hochrenaissancestil ausgeführt, aber erst 1754 beendet; anstoßend das Baptisterium aus dem 12. Jahrh., mit Fresken aus der Schule Giottos. Das hervorragendste kirchliche Bauwerk ist die Kirche Sant' Antonio (»il Santo«); sie wurde 1256–1424 als Grabkirche des heil. Antonius von P. errichtet und ist eine dreischiffige Basilika (115 m lang) mit sieben Kuppeln; sie enthält an der Fassade ein Fresko von Mantegna, im Innern zahlreiche Grabmäler, im linken Kreuzarm die Cappella del Santo, eine Prachtleistung der Renaissance (1500–53), mit Marmorreliefs von Minello, Antonio und Tullio Lombardo, Sansovino u.a., im Presbyterium reiche Erzarbeiten, an dem 1895 erneuerten Hochaltar Bronzereliefs von Donatello und die 3,5 m hohen berühmten Bronzekandelaber von Andrea Riccio (1507) und in der Cappella San Felice (1372) treffliche Fresken von Altichieri und D'Avanzo. Am Domplatze steht die Cappella San Giorgio (1377), gleichfalls mit Fresken von Altichieri und D'Avanzo, und die Scuola del Santo, ein 1430 errichtetes Oratorium, worin Tizian (1511) und seine Schüler 17 Fresken aus der Legende des heil. Antonius ausführten. Außerdem sind zu erwähnen: die Kirche del Carmine, mit der Scuola del Carmine, die Fresken von Tizian enthält; die Kirche Sant' Agostino degli Eremitani (13. Jahrh., 1880 restauriert), mit berühmten Fresken Mantegnas (um 1450); die Kapelle der Madonna dell' Arena, mit hochwichtigen, wohlerhaltenen Fresken Giottos (seit 1303); die Kirche Santa Giustina, eine der großartigsten Kuppelkirchen der Renaissance (1501–32), mit schönen Chorstühlen und einem Altarblatt von Paolo Veronese. Andre öffentliche Gebäude von architektonischer Bedeutung sind: der gotische Palazzo della Ragione, ursprünglich Gerichtsgebäude (1172–1219, nach 1420 erneuert), mit offener Halle, marmorbekleidetem Obergeschoß und dem berühmten Salone, einem 83 m langen, 28 m breiten, 24 m hohen Saal mit astronomischen Fresken aus dem 15. Jahrh. und einem von Donatello gefertigten hölzernen Pferd; der anstoßende Palazzo del Municipio aus dem 16. Jahrh., in neuerer Zeit restauriert; die Loggia del Consiglio, ein treffliches Werk der Frührenaissance (1493–1526) mit der Universitätsbibliothek und einem Standbild Viktor Emanuels II. (von Tabacchi, 1882); die Universität, ein stattlicher Renaissancebau (1493–1552), mit schönem Hof von Sansovino; der Palazzo Giustiniani (1524), das neue Theater; das Kaffeehaus Pedrocchi und zahlreiche Privathäuser mit Portiken, schönen Höfen, Portalen und Fresken des 14.–16. Jahrh. Die Zahl der Bewohner beträgt (1901) 50,085 ... Industrie und Handel sind unbedeutend. Die im Mittelalter hochberühmte Universität, angeblich 1222 gegründet, umfaßt eine juristische, philosophische, mathematisch-naturwissenschaftliche und medizinisch-chirurgische Fakultät nebst einer pharmazeutischen und einer Ingenieurschule (1903: 1303 Studierende), ferner eine Bibliothek (123,000 Bände und 2500 Manuskripte) und einen Botanischen Garten (der älteste bestehende). Außerdem hat P. ein königliches Lyzeum und ein Gymnasium, ein bischöfliches Seminar mit Bibliothek (60,000 Bände), ein Technisches Institut und eine Technische Schule, eine Normalschule, eine Ackerbauschule, ein Mädchenkollegium, eine Akademie der Wissenschaften und Künste und das Museo Civico mit einer Gemäldegalerie, Antiquitätensammlung, einem Archiv und einer Bibliothek (70,000 Bände, 1600 Manuskripte). P. ist der Sitz des Präfekten, eines Bischofs und einer Handels- und Gewerbekammer; auch besteht ein Zuchthaus. P. ist der Geburtsort des römischen Geschichtschreibers T. Livius, dem 1903 ein Denkmal errichtet ist, des Malers Mantegna u.a. Auch hatte von der Stadt der französische General Arrighi den Namen »Herzog von P.«

    Geschichte. Nach der Sage ward P. von dem Trojaner Antenor gegründet. Zur Zeit der Römer hieß es Patavium, war eine Stadt der Veneter, wurde im 2. Jahrh. v. Chr. römisches Munizipium und blieb durch Handel und Gewerbfleiß eine der bedeutendsten oberitalienischen Städte. Nach dem Ende des weströmischen Reiches kam die Stadt unter gotische Herrschaft, wurde von Totilas zerstört, aber von Narses wiederhergestellt und behauptete sich lange Zeit gegen die Langobarden, die P. erst 610 unter König Agilulf einnahmen und verbrannten. Unter der fränkischen und deutschen Herrschaft war die Stadt Hauptort einer Grafschaft und bildete im 12. Jahrh. ihre Verfassung zu munizipaler Selbstregierung aus. Seit dem letzten Viertel dieses Jahrhunderts standen Podestas an ihrer Spitze, und besondere Bedeutung gewannen in dieser Stellung die aus dem Hause Romano, von denen Ezzelino III. 1237–56 eine drückende Tyrannei ausübte. 1256 wurde P. von den Guelfen erobert. Im 14. Jahrh. erhob sich das Haus Carrara an die Spitze der Stadt und behauptete sich, trotz vorübergehender Eingriffe Heinrichs VII., seit der 1318 erfolgten Ernennung Jacopos von Carrara zum Capitano und Signore generale von P. bis 1405 in dieser Herrschaft, die nur kurze Zeit (1329 bis 1337) durch die Unterwerfung der Stadt unter die della Scala unterbrochen war. Franz I. aus diesem Hause, der sich mit Joh. Galeazzo von Mailand gegen Venedig verbunden hatte, wurde, nachdem Galeazzo sich mit dem Feinde gegen ihn verständigt hatte, von den Mailändern gefangen und starb 1393 im Gefängnis. Auch sein Sohn Franz II. wurde von Venedig geschlagen und, nachdem die Venezianer 1405 P. genommen hatten, mit seinen beiden Söhnen 1406 hingerichtet, worauf die Stadt der Republik Venedig untertan blieb. 1509 wurde sie von Maximilian I. vergebens belagert, 1797 von den Franzosen besetzt und im Frieden von Campo Formio an Österreich abgetreten, aber im Preßburger Frieden von 1805 mit dem von Napoleon I. gegründeten Königreich Italien vereinigt. Der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814 brachte P. an Österreich zurück. 1848 fand in P. ein Aufstandsversuch statt, der jedoch im Juni von den österreichischen Truppen unterdrückt ward; infolge davon blieb die Universität bis 1850 geschlossen. Durch den Wiener Frieden vom 3. Okt. 1866 kam P. mit Venetien an das Königreich Italien.

Anmerkungen

[1]    Goethe, Johann Wolfgang von (2004): Italienische Reise. Frankfurt am Main: Insel (Insel-Taschenbuch, 175).

[2]    Füssel, Stephan; Braun, Georg; Hogenberg, Franz, et al. (Hg.) (2011): Städte der Welt. 363 Kupferstiche revolutionieren das Weltbild ; Gesamtausgabe der kolorierten Tafeln 1572 - 1617 ; nach dem Original des Historischen Museums Frankfurt = Civitates orbis terrarum. Köln: TASCHEN.

[3]    Schedel, Hartmann (2013): Weltchronik 1493. Kolorierte Gesamtausgabe. Herausgegeben von Stephan Füssel. Köln: TASCHEN.

[4]    Vgl. Settis, Salvatore Toscano Bruno (1987): Ikonographie der italienischen Kunst, 1100-1500: eine Linie. In: Previtali, Giovanni; Zeri, Federico (Hg.): Italienische Kunst. Eine neue Sicht auf ihre Geschichte. 2 Bände. Berlin: Wagenbach, S. 9–106.

[5]    Braun / Hogenberg, Städte der Welt, a.a.O.

[7]    Zeiller, Martin (1640): Itinerarium Italiae Nov-Antiquae: Oder, Raiß-Beschreibung durch Italien. Darinn Nicht allein viel underschiedliche Weg durch das Welschland selbsten, … auß Teutschland und Franckreich, uber das Gebürg, oder die Alpen … Sondern auch desselben … Landschafften, Stätt, Vestungen, … sampt ihren Qualitäten … und zugehörigen Sachen … vorgebildet und beschrieben ; Deßgleichen allerhand Erinnerungen, von den jetzigen Potentaten in Italia … Alles, zum Theil auß eygener Erfahrung, zum Theil aber auß den besten alten und newen Scribenten … Raißbüchern … colligirt, und in offenen Druck gegeben. Franckfurt am Mayn: Merian.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/133/am734.htm
© Andreas Mertin, 2021