Ist das Schwarze Quadrat ein rassistisches Kunstwerk?

Eine offene Preisfrage

Das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch spielte in der Geschichte des Magazins tà katoptrizómena immer eine besondere Rolle, man könnte es als eine Art Programmbild des Magazins deuten. In unserem katoptrischen Universum ist Malewitschs Bild – neben den zeitgleichen Readymades von Marcel Duchamp – ein ständiger Bezugspunkt.

In den letzten Wochen und Monaten ist nun weltweit unter dem Stichwort „Cancel Culture“ dazu aufgerufen worden, die Kernbestände der westlichen Kultur daraufhin zu untersuchen, in wie weit in diesen sich der Kolonialismus, der Rassismus der herrschenden weißen Kultur spiegelt. Die dabei vorgebrachten Argumente sind höchst unterschiedlicher Natur. Es geht zum einen darum, mit welcher Legitimation sich weiße Kultur Motive der Schwarzen Kultur aneignet und sie kommerzialisiert. Es geht zum anderen darum, ob die Kultur der Moderne ihre weltweite Dominanz nur deshalb entwickeln konnte, weil der Kolonialismus die westlichen Länder ökonomisch befähigte, allen anderen Ländern ihren kulturellen Stempel aufzudrücken. Es geht auch darum, dass die Konnotation und Denotation von Farben in der Kultur durch westliche Werte bestimmt ist (Schwarz als negativ oder Nichts). Es geht nicht zuletzt darum, welche Bedeutung das Ethos der Künstler*innen für ihre Kunst hat: schaffen rassistische Künstler*innen auch rassistische Kunst? Machen rassistische Motive ein Kunstwerk rassistisch oder ist das rassistische Motiv nur das außerästhetische Substrat, das der Künstler / die Künstlerin bearbeitet? Ist diese Trennung von Form und Inhalt selbst schon wieder ein weißes Konstrukt, um die Kunst der Welt zu beherrschen?

Für all diese Fragen bietet das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch einen interessanten Reflexionsanlass. Es gibt gute, vertretbare Gründe, gerade dieses Kunstwerk als rassistisches Kunstwerk zu bezeichnen. Und es gibt gute, vertretbare Gründe, dieses Kunstwerk als Dekonstruktion jeglicher rassistischen Kunst zu begreifen. Die Geschichte dieses Werkes mit ihren vielen Volten verhindert es, vorschnell in die eine oder andere Richtung zu plädieren.

Im katoptrischen Universum ist das Werk ein dunkler Spiegel der Befindlichkeit dieser Welt. Als solchen wollen wir es als Preisfrage an die Leserinnen und Leser des Magazins für Theologie und Ästhetik weitergeben. Wir erbitten Erörterungen der offenen Preisfrage bis zum 31. Oktober 2020. Der Umfang der Preisschrift sollte 10 Seiten nicht übersteigen.

Unter den Einsendern loben wir Bücher zur Kunst, Kunstwerke und Fundstücke aus.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/126/preisfrage.htm
© preisfrage, 2020