Wie in einem dunklen Spiegel,
dann aber von Angesicht zu Angesicht

Eine Erkundung in Sachen Rassismus, Kunst, Kult, Hautfarbe und Bibel

Andreas Mertin

βλέπομεν γὰρ ἄρτι δι’ ἐσόπτρου ἐν αἰνίγματι,
τότε δὲ πρόσωπον πρὸς πρόσωπον

Wann wird ein Bild rassistisch? Einige der obenstehenden Abbildungen eines Kunstwerks aus dem 17. Jahrhundert könnte man implizit rassistisch nennen. Und das nicht wegen des Motivs oder der künstlerischen Gestaltung, sondern weil hier Photoshop eingesetzt wurde, um gezielt Bildeffekte hervorzurufen, um den Kontrast hervorzuheben bzw. einen gewünschten Haut-Effekt zu erzielen. Redakteure finden ein Bild dieses Kunstwerks vielleicht bei der Suche zum Thema „Schwarze in der Bibel“, aber es ist ihnen nicht aussagekräftig genug, weshalb sie den Kontrast verstärken, das Bild aufhellen oder dunkler machen, um das Thema besser rüberbringen zu können.

Und wie wir von der TIME wissen, funktioniert das auch. Das Magazin wollte einen Verdächtigen als Schwarzes Monster zeigen und dunkelte deshalb das Polizeifoto seiner Festnahme dramatisch ein. Die Bildüberarbeitung wurde als eindeutig rassistisch wahrgenommen. Heute sind viele dieser Farbmanipulationen vollautomatisch in die Digitalkameras eingebaut. Es lohnt sich also, genau hinzusehen.


Bitte nehmen Sie sich viel Zeit bei der Betrachtung des folgenden Bildes

Das Original des Kunstwerks, das sich im Rubenshaus in Antwerpen befindet, mutet den Betrachter*innen in mancherlei Hinsicht einen komplexen Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozess zu.

Das Ölgemälde auf Leinwand ist 135 cm breit und 147 cm hoch. Damit erscheinen die beiden dargestellten Figuren in etwa lebensgroß und auf Augenhöhe zum Betrachter (was ein wichtiges Thema des Bildes ist).

Als Herstellungsdatum gibt das Rubenshaus die Zeit zwischen 1645 und 1650 an, allgemein wird vom Jahr 1650 ausgegangen.


Der Maler des Bildes

Der Maler des Kunstwerks ist Jacob Jordaens (1593-1678). Er ist neben Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck einer der drei großen Barockmaler in Antwerpen im 17. Jahrhundert. Sein Lehrmeister (und zugleich sein Schwiegervater) war Adam van Noort (1562-1641). Auch das nebenstehende Selbstporträt ist zwischen 1648 und 1650 entstanden, ist also zeitgleich zu dem von uns zu untersuchenden Kunstwerk. Im Selbstporträt zeigt der Maler sich als nachdenklicher und selbstbewusster Mensch. Das wird auch in seiner Biographie deutlich.

Wir wissen nicht sehr viel über sein Leben vor 1607, können aber aufgrund einer typischen Biographie eines Antwerpener Bürger an der Wende vom 17. zum 17. Jahrhundert ganz gut rekonstruieren, unter welchen Bildungsvoraussetzungen Jacob Jordaens arbeitete. Die Bildungspläne der damaligen Zeit schlugen für das (gehobene) Kolleg

„ein siebenjähriges Curriculum basierend auf lateinischer Grammatik, Etymologie, Poesie und Rhetorik vor, ergänzt durch Astronomie, Geografie und Mathematik.“[1]

Sollte Jordaens dagegen die Mittelschule besucht haben, so hätte der Schwerpunkt seiner Ausbildung auf den Fremdsprachen und den Handelstechniken gelegen. Dafür spricht einiges. Aber auch dann muss er sich mittels Übersetzungen ins Niederländische die griechische und römische Literatur angeeignet haben, denn das ist die Voraussetzung für die Gestaltung der mythologischen Bilder und Historienbilder, für die er dann berühmt wird.

Welches Publikum, welche Auftraggeber muss man sich für Jordaens vorstellen? Dazu schreibt Irene Schaudies:

Für neureiche Händlerfamilien, die gerade erst in den Rang der Patrizierklasse aufstiegen, diente eine erlesene Sammlung von Kunstwerken und Kuriositäten - ebenso wie eine humanistische Bildung - als Mittel zum Erwerb von Prestige oder des Zugangs in die Reihen der Kunstkenner. Obwohl die künstlerische Patronage religiöser Institutionen nach wie vor der sicherste Weg war, sich einen dauerhaften Status zu verschaffen, sollte die Kraft des Profanen dennoch nicht unterschätzt werden. Antwerpener Sammler … trugen prächtige Kabinette mit Gemälden und anderen kostbaren Objekten zusammen, die ihren Status als Männer und Frauen der Kultur und feinen Lebensart bestätigten. Dieses Bestreben wird recht selbstbewusst in den Kunstkammer-Gemälden aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur Schau gestellt, die ein Ideal repräsentieren sollen: Alle Genres sind vertreten, vom Historienbild bis zum bäuerlichen Gemälde; es gibt antike Büsten und Skulpturen, Münzen und Muscheln sowie Kuriositäten, Landkarten und Astrolabien.[2]

Das zentrale Motiv ist also das der Ostentation bzw. der prestigeerzeugenden Funktion des Konsums. Man genießt, um mit Thorstein Veblens "Theorie der feinen Leute" zu sprechen, „das Beste, was an Esswaren, Getränken, Narkotika, Häusern, Bedienung, Schmuck, Bekleidung, Waffen, Vergnügen, Amuletten, Idolen und Gottheiten zu haben ist.“[3]


Der zugrundeliegende Bibeltext Numeri 12, 1

In unserem Fall will der Maler als Historienmaler einen Tatbestand aus der Tora vergegenwärtigen, der im 12. Kapitel des vierten Buch Moses nur mit einer einzigen, sehr deutungsbedürftigen Zeile angedeutet wird; eine Zeile, an der sich Rabbiner und christliche Theologen bis heute abarbeiten. Martin Noth hat das Kapitel „mit zu den verzweifelten Fällen der Pentateuchanalyse" gerechnet.[4] Das liegt nicht zuletzt daran, dass es unterschiedliche und zu verschiedenen Zeiten aufgeworfene Fragen beantworten soll und deshalb der Text immer wieder redaktionell überarbeitet wurde.[5] Eines dieser Probleme ist die Frage, wer eigentlich in Israel das letzte Wort hat, nur Mose oder auch die Propheten Mirjam und ihr Bruder, der Hohepriester Aaron. Ein anderes Problem war offenbar die Stellung der jüdischen Kuschiten in Israel.

Vulgata: 
Locutaque est Maria et Aaron contra Moysen propter uxorem ejus AEthiopissam

Luther 1534:
VND MirJam vnd Aaron redet wider Mose / vmb seines Weibes willen der Morinnen die er genomen hatte / darumb / das er eine Morinne zum weibe genomen hatte

Luther 2017:
Da redeten Mirjam und Aaron gegen Mose um seiner Frau willen, der Kuschiterin, die er genommen hatte. Er hatte sich nämlich eine kuschitische Frau genommen.

King James 21:
And Miriam and Aaron spoke against Moses because of the Ethiopian woman whom he had married: for he had married an Ethiopian woman.

Bibel in gerechter Sprache:
Hier sprach Mirjam und auch Aaron zu Mose wegen der Kuschitin, die Mose zur Frau genommen hatte. Er hatte sich nämlich eine Kuschitin zur Frau genommen.

Begreift man biblische Texte nicht unmittelbar als Wiedergabe einer realen Situation (die Ehe des Moses mit einer Kuschiterin), sondern als exemplarische Antworten auf historische Herausforderungen (Misch­ehen in Israel im 6. und 5. Jahrhundert), dann legitimiert Numeri 12, 1 diese Verbindungen mit dem Verweis auf eine derartige Ehe der Figur des Moses. Die „Antwort“ des Textes heißt also: wenn schon Moses mit einer Kuschiterin verheiratet war, dann muss es auch in späteren Zeiten legitim sein und die Stellung von deren Nachfahren sollte nicht in Frage gestellt werden. Die Infragestellung dieser Legitimität durch die Prophetin Mirjam wird jedenfalls von Gott hart (und symbolisch) mit Lepra bestraft (sie bekommt einen Hautausschlag weiß wie Schnee). Das setzt aber als Fragesituation voraus, dass in der Zeit, in der der Vers in den Text eingegliedert wurde, Ehen zwischen Kuschiten und Israeliten üblich waren.

Kuschiten nahmen vermutlich seit der ersten Hälfte des 5. Jh. als Bekenner Jahwes am Tempelkult teil (vgl. Zef 3,10; Jes 18,7; 11,11; Ps 68,32).[6]

Im Buch Amos kehrt sich die Argumentationslogik sogar um, nicht die Kuschiten werden mit den Israeliten verglichen, sondern die Israeliten mit den Kuschiten, so dass der Eindruck entsteht, die Kuschiten seien das vorrangige Volk:

»Seid ihr nicht wie die Söhne und Töchter von Kusch für mich, ihr Söhne und Töchter Israels?« Ausspruch Gottes. (Amos 8, 7)

Insbesondere in der rabbinischen Auslegung ist erörtert worden, ob die Kuschiterin mit der ersten Frau des Moses, der Midianiterin Zippora identisch sein könnte (auch bei den entsprechenden Bildtiteln in der kunstgeschichtlichen Literatur findet sich diese Auffassung, wenn von der Kuschitin Zippora gesprochen wird). Dass sie eine kuschitische Frau sei, wäre dann weniger ein Hinweis auf ihre geografische Herkunft, als vielmehr auf ihren dunklen Teint und den Umstand, dass sie Nicht-Israelitin ist (kuschitisch aussehende, nicht-israelitische Frau).


Vom Text zum Bild und zurück

Die Diskussion, ob die kuschitische Frau mit der Midianiterin Zippora identisch ist und deren Teint oder deren Schönheit oder Hässlichkeit beschreibt, interessiert den Künstler nicht (weil er sie vermutlich auch nicht kennt). Er nimmt das Wort Kusch so, wie es in der hebräischen Bibel Verwendung findet, also als (schwarze) Bewohnerin des Landes Kusch, von Martin Luther nach unserem heutigen Gefühl ziemlich irritierend mit „Mohrin“ übersetzt.

Jacob Jordaens deutet Numeri 12, 1 nun so, dass Mose die zehn Gebote zusammen mit seiner kuschitischen Frau verkündet, während Mirjam und Aaron auf dem Bild nicht auftauchen, sie sind eher dort zu verorten, wo die Betrachter*innen stehen. Das Interessante ist, dass die Gebotstafeln selbst, die in der Bibel ja eine so große Rolle spielen, auf dem Bild fast im Dunkeln verschwinden (anders etwa als auf dem Bild von Jusepe de Ribera). Alles Licht liegt zunächst auf der zentralen Figur des Moses und seiner kuschitischen Frau, so dass das Ergebnis der sich anschließenden Äußerung Gottes, dass nur Moses der ist, der mit ihm von Angesicht zu Angesicht kommuniziert, im Bild quasi vorweggenommen wird. Das Bild beantwortet so nicht nur die Anfrage der Mirjam und des Aaron bezüglich der kuschitischen Frau (Moses stellt sich vor sie), sondern auch die nach demjenigen, der Gott vor den Menschen vertritt (nur Moses).

Wie Künstler zuvor mit dieser Szene vorgegangen sind, zeigt der Blick auf eine allegorische Illustration 1564, die die Geschichte im Blick auf Jesu Seligpreisungen (Selig sind die Sanftmütigen) deutet. Sie zeigt ein Bild zu Numeri 12ff., das dem in der Geschichte liegenden Konflikt ganz aus dem Wege geht. Zwar sehen wir das Gespräch über und mit der kuschitischen Frau, aber gleich darauf verschwindet diese von der Bildfläche und spielt im weiteren Geschehen keine Rolle mehr. Auch das eigentliche Gespräch ist auf die zentralen Handlungsfiguren Moses, Mirjam und Aaron fokussiert und lässt die Frau nur dabeistehen. Dass sie Kuschitin ist, erkennt man nicht. Und selbst die handelnden Figuren sind auf ihre biblischen Funktionen reduziert, sie wirken wie überladene Symbole und nicht wie reale Menschen.

Das ist bei Jacob Jordaens völlig anders. Er hat wirklich ein Interesse an der Geschichte, an der Dynamik der Beziehung und der Haltung des Moses und seiner Frau. Er muss sich sozusagen einfühlen in die Konstellation und sich sein eigenes, höchst persönliches Bild davon machen.

Wie ist der Maler bei seinem Bild vorgegangen? Da er Zeit seines Lebens das Land nicht verlassen hat, muss er die Vorlagen für die Motivgestaltung vor Ort, also in Antwerpen finden.

Er malt demnach Mose nicht weiß, weil er sich als Weißer die biblischen Figuren nur als Weiße vorstellen kann, sondern er malt vermutlich einen jüdischen Bürger Antwerpens, dem er regelmäßig begegnet.

Und er malt ihn als solchen nicht herabsetzend, sondern ganz in der Tradition der anderen Porträts von Mitbürgern, die er in dieser und der sich anschließenden Zeit malt.

Er stilisiert ihn aber auch nicht als heilige Figur, sondern stellt ihn sehr sympathisch und zugleich nachdenklich als Figur mit Geschichte dar. Ihm liegt daran, die Betrachter*innen positiv von der Figur des Moses einzunehmen.


Die kuschitische Frau

Woher er sein Vorbild für die kuschitische Frau nimmt, darüber kann man nur spekulieren. Ob der Künstler hier Mitte des 17. Jahrhunderts eine konkrete Schwarze Frau konkret porträtiert hat, ist nicht bekannt. Da einige Quellen aber von schwarzen Bediensteten bzw. Freigelassenen jüdischer Händler berichten, wäre das im konkreten Kontext zumindest denkbar.

Von Peter Paul Rubens gibt es im Museum der Schönen Künste in Brüssel eine Porträtstudie (die früher Alfons van Dyck zugeschrien wurde), an der er über Jahre (1614-1616) immer wieder gearbeitet hat und von der man deshalb annimmt, dass sie auf einer mehrjährigen Begegnung mit dem Porträtierten basiert.[7] Insofern könnte man auch bei Jordaens davon ausgehen, dass er am lebenden Modell gearbeitet hat.

Jedenfalls – so viel lässt sich sagen – stellt der Künstler die kuschitische Frau für seine Zeit überaus modern vor. Sie trägt einen Sonnenhut, der in der Kunst des 17. Jahrhunderts als ägyp­ti­scher Stil bekannt war: she “wears the sort of sun-hat associated in seventeenth-century art, along with striped and fringed cloth, with Egyptians”[8].

Ihre Modernität korrespondiert nach meiner Empfindung jenen Fotografien, die der Fotograf James C. Lewis unter dem Titel Icons of the Bible publiziert hat. Darunter ist auch ein Foto der kuschitischen Frau, die Lewis ähnlich wie die rabbinische Tradition mit dem Namen Zipporah verknüpft. Zur Motivation seiner Fotos sagt Lewis:

"I think it is very important to see one's self in the Scripture so that it may become real in their eyes. The whitewashing of the Bible has always bothered me. However I'm happy to now have the opportunity to give a different point of view"

Für die westlich-europäische Tradition geht es aber vor allem darum, die kuschitische Frau des Moses und ihre enorme Bedeutung überhaupt erst ins Bewusstsein zu rufen. Und man kann in Jordaens Bild genau diesen Versuch der Bewusstmachung erkennen.

In einem Interview zu diesem Bild sagt die britische Kunsthistorikerin Elizabeth McGrath:

My first impression was, that Moses inviting us to look behind him not touch his tablets of law but to look behind at the person who's shielding and protecting. Her expression is very interesting, she's is both, slightly amused but also bemused by this, by what's happening, she's slightly annoyed as well as well she should be.

It seems like he's doing something which is very modern and liberal. And something which is almost incredible in a painting of the 17th century. That he's asking us to accept his Ethiopian wife.

That's what the pictures vote. It's a unique subject in fact there is no other painting of this particular subject no one in the history of art.[9]

Amüsiert, verwirrt und zurecht genervt – das trifft es gut. Man könnte noch „betrübt“ ergänzen. Auch hier zeigt sich in der Gestaltung des Porträts eine deutlich persönliche Note, weit entfernt von allen klischeehaften Stilisierungen (selbst wenn der Sonnenhut so gedeutet werden könnte).


Eine weiterführende Studie zum Bild

Elizabeth McGrath hat in ihrer Studie „Jacob Jordaens and Moses's Ethiopian wife“ die diversen Deutungsmöglichkeiten des Gemäldes sorgfältig abgesteckt. Wer sich näher mit dem Bild auseinandersetzen will, dem sei diese Studie ans Herz gelegt.

Die eine Frage, die sich stellt, ist die nach der Spiegelung konfessioneller Reflexionen des Künstlers im Bild. Ist es denkbar, dass Jordaens, der damals mit dem Entschluss rang, zur reformierten Kirche zu wechseln, etwas von diesen Motiven auch in sein Bild hat einfließen lassen?

"Executed around I650, at a point in the artist's career when his Protestant sympathies were increasingly drawing him towards Calvinism, it was almost certainly made on his own initiative, for a close friend if not for himself, since, as I shall argue, it embodies a distinctly personal viewpoint."

Nun wird man dies nicht im Sinne einer konfessionellen Bildpropaganda im Bild aufsuchen können. Unverkennbar zeichnet die reformierte Theologie aber eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Botschaft und die Themen des Alten Testamentes aus. Und die Bedeutung des Individuums, der Persönlichkeit und seiner Sicht auf die Welt (weit über das bloße Gewissen hinaus) spielt eine wichtige Rolle. Freilich, darauf weist McGrath hin, folgt Jordaens der Deutung, die Calvin der Stelle gegeben hat (im Sinne der Identität der Kuschitin mit Zipporah), nicht:

"Jordaens had no interest in promoting Calvin's version of the Ethiopian (Cushite) wife: lightened into a Midianite arab"

Hier folgt Jordaens, so meint McGrath, eher der Übersetzung der Luther-Bibel. Ich bin mir bei Letzterem gar nicht so sicher, es würde ja ausreichen, dass Jordaens durch die Vulgata oder eine niederländische Übersetzung darauf aufmerksam wurde, dass es um eine Äthiopierin geht, alles weitere hätte er seiner Umwelt entnehmen können.

"What is unexpected and remarkable, however, is not simply that Jordaens was interested in the story that Moses chose to marry an African, facing the grumbling displeasure of his family, but that he found in it an irresistible pictorial subject.

With her Egyptian sun-hat pushed back so that it frames her face in a rosy, cruciform halo, this Aethiopissa is a striking and intriguing presence with an aura of mystery, even sanctity, about her"

Das ist tatsächlich erklärungsbedürftig, warum Jordaens aus einer einfachen Bibelstelle, die selten in den Fokus tritt, ein derart intimes und persönliches Bild entwickelt, das vom Bilderkanon seiner Umwelt so sehr abstach.


Das Kunstwerk im Spiegel von 1. Korinther 13, 12 und 2. Korinther 3, 18

Elizabeth McGrath hat in ihrer Studie vorgeschlagen, das Kunstwerk im Lichte von 1. Korinther 13, 12 zu lesen. Das hat eine radikale humanitäre und aufklärerische Note. Vielleicht sollte man aber auch die etwas variierte Parallelstelle in 2. Korinther 3, 18 hinzuziehen, die ebenfalls neue Perspektiven ins Bild einträgt.

Extrapolating from the text of Numbers 12, Origen had concluded that it was only after he married his Ethiopian that Moses was allowed to see God face to face, and not through enigmas and figures ('palam, et non per aenigmata et figuras Dominum videt'): in the words of the Authorised Version, 'even apparently, and not in dark speeches'. It is tempting to suppose that Jordaens took a similar message from the biblical text, with St Paul's famous words to the Corinthians echoing through his mind (I Corinthians 13.12): 'For now we see through a glass darkly; but then face to face …’

Demnach ist die Kuschiterin der Spiegel, der erst die Gotteserkenntnis ermöglicht. Tatsächlich lässt sich die Homilie des Origenes in diesem Sinne deuten, auch wenn er 1. Korinther 13, 12 (Vulgata: Videmus nunc per speculum in ænigmate: tunc autem facie ad faciem. Nunc cognosco ex parte: tunc autem cognoscam sicut et cognitus sum) nicht explizit benennt, aber ziemlich unverkennbar darauf anspielt:

Verumtamen Moyses priusquam acciperet Aethiopissam, non est scriptum quia ‚in specie‘ locutus sit ei Deus ‚et non in aenigmate‘, sed, ubi accepit Aethiopissam, tunc dicit de eo Deus quia: ‚os ad os loquar ad eum, in specie et non in aenigmate‘.[10]

Wenn man das für das Bild von Jacob Jordaens in Anschlag bringt, bedeutete es, dass Moses Gottessicht von seiner kuschitischen Ehefrau abhängig ist. Das ist ein revolutionärer Gedanke.

Nimmt man nun 2. Korinther 3, 18 mit hinzu (Wir alle aber spiegeln mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider), wonach wir alle Spiegel der Herrlichkeit Gottes sind, dann sind wir eben ohne die Wahr-Nehmung der kuschitischen Frau unvollkommen. Für McGrath geht die Bedeutung des Bildes deshalb über das Gezeigte weit hinaus. Gerade weil Miriam und Aaron auf dem Bild nicht zu sehen sind, adressiert der Blick des Moses die jeweiligen Betrachter*innen direkt. Sie werden von Moses aufgefordert, der impliziten Logik des Bildes zu folgen:

By his brilliant exploitation of the device of inclusion and confrontation, Jordaens gives the subject a pointed relevance, challenging Christians of his day to accept Moses's Ethiopian, as Miriam and Aaron could not, not just as a representative of pagan wisdom, a shadowed image of their own Church, but as a neighbour, in herself.

Träfe diese Beobachtung zu, können wir dieses Bild des Jacob Jordaens aus der Mitte des 17. Jahrhunderts von Moses und seiner kuschitischen Frau als humanistischen Impuls und als Aufforderung zum Leben in einer diversen Gesellschaft begreifen. Ohne die Anerkennung von Diversität keine Gotteserkenntnis und kein befreites Leben.

Anmerkungen

[1]    Vgl. zum Folgenden Schaudies, Irene (2012): Wenig Latein, noch weniger Griechisch. Jordaens und die humanistische Tradition. In: Jacob Jordaens und Justus Lange (Hg.): Jordaens und die Antike. München: Hirmer, S. 9–53.

[2]    Ebd., S. 16.

[3]    Veblen, Thorstein (1989): Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen. Unter Mitarbeit von Susanne Heintz und Peter von Haselberg. Ungekürzte Ausg., 6. - 7. Tsd. Frankfurt a.M: Fischer Taschenbuch (Fischer-Taschenbücher Wissenschaft, 7362).

[4]    M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch (Stuttgart 1948), 34.140-142.

[5]    Vgl. Zit. nach Achenbach, Reinhard (2003): Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch. Vollst. zugl.: München, Univ., Habil.-Schr., 2002. Wiesbaden: Harrassowitz (Beihefte zur Zeitschrift für altorientalische und biblische Rechtsgeschichte, 3). S. 267ff.

[6]    Ebd., S. 277

[7]    Zum expliziten Rassismus der Deutschen gehört es, dass, wenn man das Bild über die Bildersuche bei Google hochlädt, als Suchvorschlag „Rubens Neger“ erscheint. Da Google mit Sprachlogarithmen arbeitet, deutet das darauf hin, dass die Mehrzahl der deutschen Nutzer, die dieses Bild suchen, exakt diese Wortkombination eingibt. Aber auch in der Bilddatenbank alamy.de wird das Bild mit folgenden Titel verschlagwortet: „Rubens vier Studien des Kopfes ein Neger“

[8]    McGrath, Elizabeth (2007): Jacob Jordaens and Moses's Ethiopian wife. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 70 (2007), S. 247–285.

[9]    https://www.youtube.com/watch?v=bAB9yNNKCoM Das Interview kann nur dort als seriös angesehen werden, wo McGrath selbst spricht. Ansonsten zeichnet es eine stupende Unkenntnis der Bibel und der Kunstgeschichte aus.

[10]   Baehrens, W. A. (1921): Die Homilien zu Numeri, Josua und Judices (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte). S. 39ff.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/126/am704.htm
© Andreas Mertin, 2020