Das unentdeckte Land

Anfragen der Digitalisierung an Theologie und Kirche am Beispiel liturgischer Handlungen

Thomas Melzl

Es ist wie mit dem Hasen und dem Igel, Kirche und Theologie laufen – von Ausnahmen abgesehen[1] – immer hinter den medialen Entwicklungen her. Erst im Jahr 2014 und damit fast 25 Jahre nach der Einführung des Internet hat sich die EKD mit dem Thema der Digitalisierung beschäftigt.[2] Das war mit Blick auf die Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Medien beileibe nicht immer so. Gerade Kirche und Theologie wussten sich immer die neuesten Medien und Medientechniken zunutze zu machen. Ohne Buch und Buchdruck, ohne Bild und Kunsthandwerk wäre die Kulturgeschichte des Christentums nur schwer vorstellbar. Dann aber scheinen sich Kirche und Theologie von den weiteren medialen Entwicklungen seit der Nutzbarmachung der Elektrizität entfremdet zu haben.[3] Es hat lange gedauert, bis Radio und Fernsehen als Kommunikationsmedien des Evangeliums akzeptiert worden sind, und so ganz ist die Skepsis gegenüber medialen Teilnahmeformen am Leben der Kirche immer noch nicht überwunden.[4] Diese Skepsis ist mit dem Aufkommen des Internet und der damit gestellten Anfragen einer digitalen Kultur an Theologie und Kirche noch einmal verstärkt worden. Kirche und Theologie – so scheint es zumindest – sind für die anstehenden Herausforderungen mit den von ihnen entwickelten Denkmustern, Wirklichkeitsbeschreibungen und Argumentationsketten nicht gewappnet. Jüngstes Indiz dafür ist die Frage, wie der „Segensroboter“ Bless-U-2 theologisch bewertet werden soll. Mit ihm ist das Thema der Künstlichen Intelligenz angesprochen, die über weit weniger ästhetisch anstößige Algorithmen längst Eingang in unsere Lebenswelt gefunden haben, wie das Beispiel der Assistenzsysteme Alexa oder Siri zeigen kann. Hier können problemlos weitere Begriffe genannt werden, wie z.B. neue Medien, Smartphone oder Virtuelle Realität, die nicht zuletzt über den Begriff der Digitalisierung miteinander verbunden sind, der als umfassender Überbegriff über die hier in Rede stehenden Sachverhalte steht.[5]

Aus der Fülle möglicher Themen sollen im Folgenden nur exemplarisch zwei in Verbindung mit liturgischen Handlungen bedacht werden: Segen und Künstliche Intelligenz, Abendmahl und Virtuelle Realität.

1. Von Künstlicher Intelligenz und intelligenter Kunst am Beispiel des Segens

Die Installation „Segensroboter“ als die mutmaßlich unmögliche Übertragung einer nur personal durchführbaren Handlung auf eine Maschine wollte zu einer Diskussion über verschiedene Fragen anregen, u.a. über das Wesen von Segen, über die Befähigung von Robotern mit einer Künstlichen Intelligenz zur Ausführung kirchlicher Handlungen im Besonderen, über die Herausforderungen der Digitalisierung für Kirche und Gesellschaft im allgemeinen.[6] Dass dies gelungen ist, steht außer Frage. Ein internationales Medienecho[7] und zwei Studientage, deren Ergebnisse leider noch nicht vorliegen, legen davon Zeugnis ab.[8]

Im Folgenden soll die „intelligente Kunst“ des „Segensroboters“ in zwei Richtungen interpretiert werden, die man als „schwache“ und als „starke“ Interpretation bezeichnen könnte.

1.1 Eine „schwache“ Interpretation

Eine „schwache“ Interpretation des „Segensroboters“ bestünde darin, ihn nur als eine Art medial aufgerüstetes Diktiergerät aufzufassen, das eine Reihe von Segenssprüche aufgezeichnet hat, die dann auf Knopfdruck wiedergegeben werden können. Damit wäre der „Segensroboter“ einem Stück Papier vergleichbar, auf dem ein Segensspruch aufgeschrieben worden ist, ein bloßes Medium ohne Einfluss auf das durch ihn Übermittelte. Der „Segensroboter“ wäre zumindest zu so etwas wie einem Segensträger geworden, zu etwas also, das nicht selbst segnet, sondern nur den Segen eines anderen weitergibt.

Schon diese „schwache“ Interpretation gibt zu interessanten Überlegungen hinsichtlich der Fragen Anlass, die der „Segensroboter“ aufwerfen sollte. Wird die Spur verfolgt, der „Segensroboter“ sei lediglich so etwas wie ein Medium, dann stellt sich die Frage, ob sich der gleichsam geistliche Akt des Segnens überhaupt auf Abruf hinterlegen lässt – sei es in materieller (eingeschrieben in das physisch greifbare Medium Buch) oder in digitaler (als Audio-Datei auf dem Dikitiergerät) Form.[9]

Ist dem Akt des Segnens schon damit genüge getan, indem man ein Buch mit Segenssprüchen liest? Auch wenn man selbst einen erbaulichen Gewinn bei der Lektüre eines Buches mit Segenssprüchen zu spüren vermeint, so kann diese Lektüre doch nicht den Akt des Segnens selbst ersetzen, dessen Kennzeichen darin besteht, einen Segen persönlich zuzusprechen. Dies geschieht im Regelfall in mündlicher Form. Eine Ausnahme von dieser Regel ist der persönlich gewidmete Segensspruch, der schriftlich mitgeteilt wird, z.B. auf einer Grußkarte zum Geburtstag. Hier fungiert die Grußkarte als Medium des Segens und der Empfänger der Grußkarte darf den für ihn aufgeschriebenen Segen als für ihn persönlich zugedachten Segen annehmen. In dieser Weise ließen sich allerdings auch die Segen des „Segensroboters“ verstehen, als immateriell hinterlegte Segen, als konservierte Segensakte, die jederzeit abrufbar sind.

In dieser Interpretation fungiert der „Segensroboter“ im Grunde nur als Segens-Agent, als Repräsentanz einer abwesenden Person. Sie mögen von dieser abwesenden Person durchaus als persönlicher Zuspruch gemeint sein, auch wenn die Kommunikationsrichtung damit eine andere geworden ist. Die Grußkarte, die den Segenszuspruch enthält, wird in einer unverhofften und passiven Weise in Empfang genommen. Der Segenszuspruch des „Segensroboters“ muss aktiv (auf Knopfdruck) und erwartet (der Zweck ist bekannt) in Anspruch genommen werden. In Frage steht, ob sich damit auch das Wesen des Segens verändert. Zumindest legt die Anmutung des „Segensroboters“ als Bankautomat nahe, Segen als Schatz der Kirche zu verstehen, der jederzeit verfügbar und abhebbar ist, als Vermögen, der in den Besitz des Segensempfängers übergegangen ist.

Allerdings, so muss einschränkend zu bedenken gegeben werden, ist das eine Interpretation, die sich noch zu sehr an den momentanen technischen Gegebenheiten des „Segensroboters“ aufhängt und noch nicht mit der aktiv segnenden Rolle einer wohl erst zukünftig möglichen Künstlichen Intelligenz rechnet.

1.2 Eine „starke“ Interpretation

Eine „starke“ Interpretation des „Segensroboters“ hat Dieter Becker in einem Artikel im Deutschen Pfarrerblatt vorgelegt.[10] Er geht von der Unterscheidung zwischen einem Amtsträger, der für seinen Dienst an Wort und Sakrament ordnungsgemäß berufen worden ist, und einer dennoch nicht sachgemäß durchgeführten und damit wirkungslos gebliebenen liturgischen Handlung aus. Als Bindeglied zwischen diesen beiden Seiten rekurriert Becker auf das Ergebnis des donatistischen Streites in der Alten Kirche, das besagt, dass die Gültigkeit einer kirchlichen Handlung nicht von der moralischen Würde der sie ausführenden Personen abhängt. Der „Segensroboter“ könnte demnach also, ganz unabhängig von seiner (nicht vorhandenen Person-)Würde, von einer Kirche ordnungsgemäß in ihren Dienst berufen und damit beauftragt werden, in einer gültigen Weise Segen zu spenden. Dass er dies dann aber doch nicht gemacht hat, liegt also nicht daran, dass der oder die Berufene ein künstliches Wesen ist, sondern an der Art und Weise, wie dieser Segen gespendet werden sollte. Anstoß erregte für Becker die dabei zugrunde gelegte und der Maschine in ihren technischen Leib eingeschriebene Vorstellung, Segen würde wie Strahlen aus den Händen hervorgehen.

Dieser theologische Impuls soll als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen dienen, da er richtige und wichtige Problemstellungen benennt, wie die amtstheologische Frage (darf der Roboter das, was er da tun soll) und die segenstheologische Frage (kann der Roboter das, was er da tut). Damit verbunden sind aber weitere theologische Fragen, die in diesem Zusammenhang einer Klärung harren.

Zunächst einmal ist es unter einem amts- und ordnungstheologischen Gesichtspunkt sicher richtig, dass jede oder jede, die oder der innerhalb der verfassten Kirche einen Dienst an Wort und Sakrament ausüben möchte oder soll, dafür eine kirchliche Beauftragung benötigt. Eine solche Beauftragung ist im Regelfall verbunden mit erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten, die aufgrund einer Ausbildung zustande gekommen sind und die in einer Prüfung einer Nachfrage standhalten können müssen. Jede oder jeder soll nicht nur verstehen, was er oder sie da tut, sondern soll auch ihre oder seine Kenntnisse in einer entsprechenden sachgemäßen Weise anwenden können. Beide Seiten können mit dem Begriff der Kompetenz zusammengefasst werden.

Der Hinweis auf den donatistischen Streit, der Handlung und Person voneinander unterscheidet, lässt allerdings nur eine scheinbare Hintertür dafür offen, dass eine Handlung auch auf einen Roboter übertragbar ist und dennoch gültig ausgeführt werden kann, denn sowohl für die Alte Kirche als auch für die Reformatoren gab es noch keine andere Möglichkeit als davon auszugehen, dass es eine menschliche Person sein müsse, die eine mit ihr beauftragte kirchliche Handlung ausübt. Auch wenn weder die Alte Kirche noch die Reformatoren die moderne Entwicklung der Robotik und der künstlichen Intelligenz auch nur im Entferntesten vorausahnen konnten, und womöglich in Kenntnis dieser Entwicklung ein anderes Urteil gefällt hätten, so bleibt diese Frage nach der menschlichen Person (und damit verbunden weiterer Voraussetzungen wie Lernen, Verstehen und Üben) eine ungeklärte Herausforderung.

Auf dem Hintergrund des donatistischen Streites ließe sich also zunächst dahingehend argumentieren, dass die Unterscheidung von Amt und Person dazu führt, die Austeilung eines Segens durch einen Roboter für unerlaubt zu erklären. Denn – allerdings geradezu im Gegensatz zu den Folgerungen aus dem donatistischen Streit – die neuzeitliche Überhöhung des Subjekts hat dazu geführt, die Glaubwürdigkeit der Botschaft an die Glaubwürdigkeit des Botschafters zu koppeln. Da dem Roboter eine solche personale Glaubwürdigkeit aber fehlt, kann er auch Segen nicht glaubwürdig austeilen, auch wenn er formal qua Amt dazu in der Lage wäre. Freilich ließe sich auch entgegengesetzt argumentieren, dass wohl niemand besser umsetzen und vertreten könnte, was die Unterscheidung von Amt und Person besagen möchte, als eben ein Roboter. Gerade weil man neuzeitlich eher von einer Integrität von Amt und Person ausgeht, die Glaubwürdigkeit der Botschaft an der Glaubwürdigkeit des Botschafters hängt, ist der Roboter mehr noch als jeder Mensch dazu in der Lage, dieses Kriterium zu erfüllen, da dieser aufgrund seiner Programmierung gar nicht anders kann als integer zu handeln.

Jedenfalls ist der „Segensroboter“ weder eine menschliche Person noch hat er die Fähigkeit der liturgischen Handlung des Segnens durch eine Ausbildung erworben noch kann er daraufhin befragt werden, welche Vorstellung er damit verbindet, bei dem, was er da tut. Es wurden ihm lediglich gewisse Handlungsroutinen einprogrammiert, mit denen er auf ein entsprechendes Signal von außen hin reagiert. Man kann fragen: Hätte unter diesen fehlenden Voraussetzungen überhaupt eine Berufung stattfinden dürfen (wenn es denn eine gegeben hätte)?

Damit sind wir schon bei dem zweiten, dem segenstheologischen Gesichtspunkt. Wie selbstverständlich wird von Becker der liturgisch gespendete Segen als eine Handlung betrachtet, für die es eine kirchliche Beauftragung braucht und die nur mit dieser Beauftragung Gültigkeit und Wirkung (beides muss unterschieden werden) besitzt. Ob dies tatsächlich so ist, darüber kann gestritten werden, zumal die Handlung des Segnens wohl nicht im engeren Sinn zu Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zählt. Man wird sogar eine gewisse Skepsis gegenüber der amtstheologischen Vereinnahmung des Segens anbringen dürfen, da prinzipiell jeder Mensch einem anderen Menschen einen Segen zusprechen kann und darf. Aufgrund dessen (unter Absehung davon, dass der Roboter kein Mensch) hätte der Segensroboter womöglich gar keine kirchliche Zulassung für sein Handeln gebraucht.

Doch gehen wir einen Schritt weiter und greifen die oben benannte Unterscheidung zwischen Gültigkeit und Wirkung hinsichtlich des Segnens auf. Vorausgesetzt ist dabei offensichtlich ein Zweifaches: Einerseits gibt es Formen des Segnens, die gültig durchgeführt sein können, andere wiederum nicht. Eine solche gültige Durchführung könnte – wie bereits durchgespielt – an der kirchlichen Approbation liegen. Sie könnte sich aber auch auf die Form der Durchführung beziehen (die richtigen Worte verbunden mit der richtigen Handlung). Das wäre eine Konsequenz aus dem donatistischen Streit, die auch auf die Roboterfrage übertragbar wäre. Sie könnte schließlich auch darauf rekurrieren, dass es eine menschliche Person sein muss, die den Segen durchführt. Unter dieser Voraussetzung hätte der Roboter von vorne herein keine Chance jemals einen gültigen Segen spenden zu können. Sie hätte aber wohl nur solange Bestand, solange man sich nicht dazu entschließt, eine Künstliche Intelligenz als quasi-menschliche Person anzusehen. Nicht nur aufgrund der letzten Überlegung wird die Unterscheidung zwischen gültig und wirksam wichtig.

Aber auch wenn der „Segensroboter“ seinen Segen hätte gültig spenden können, stünde immer noch in Frage, ob dieser Segen auch wirksam gewesen wäre. Nun ist diese Frage schon dann nicht leicht zu beantworten, wenn der Spender des Segens eine menschliche Person ist. Denn worin soll sich die vermeintliche Wirksamkeit des Segens zeigen? Gesetzt den Fall, eine menschliche Person wäre ordnungsgemäß berufen und hätte den Segen auch formal korrekt durchgeführt, könnte es nicht dennoch Bedingungen geben, unter denen der Segen dennoch nicht wirksam, also letztlich doch kein Segen sein könnte? Dies lenkt zunächst zurück zum donatistischen Streit, der konsequent die Wirksamkeit einer kirchlichen Handlung auf ihren gültigen Vollzug eingeschränkt hat. Dort werden Wirksamkeit und Gültigkeit ineins gesetzt, um damit der Frage nach der Würdigkeit des Spenders und dem Zweifel an der Heilsbedeutung einmal durchgeführter kirchlichen Handlungen zu entgehen. In gewisser Hinsicht wird an der Objektivität der Handlung gegenüber der Subjektivität des Zweifelns festgehalten.

Problematisch ist dabei geworden, dass sich die Handlung gegenüber der menschlichen Person verselbständigt und ein quasi-magisches Eigenleben erlangt hat. Dies liegt zunächst ganz im Zuge kirchlicher Handlungen und dem darin zugrunde gelegten Wirkungsbegriff. Eine Wirkung wird dabei als ein Austausch von Kräften verstanden, wobei sich diese Anschauung auf die Bibel berufen kann.[11] Etwas polemisch mit Blick auf die vorreformatorische Situation gesagt: Die Ausführenden mussten lediglich die Handlung korrekt durchführen, sie mussten nicht einmal verstehen, was sie da taten. Und auch die Empfänger kirchlicher Handlungen brauchten kein Verständnis dieser Handlungen zu haben und hatten wohl auch buchstäblich keines, da diese Handlung in einer Sprache durchgeführt worden sind, die nicht die ihre war. Die Reformation hat dieses Eigenleben der Handlung wieder eingedämmt und auf Klarheit in der Sache gedrungen, mit den bekannten Konsequenzen einer ganz neu entstandenen Anforderung an die Bildung von Gemeinde und Amtsträger, da beide Seiten nun verstehen sollten, was sie da taten oder empfingen. Man kann hier der Reformation vielleicht nicht ganz zu Unrecht auf lange Sicht den Vorwurf machen, dass sie die Gültigkeit (und wohl auch die Wirksamkeit) einer kirchlichen Handlung zu sehr und einseitig an das intellektuelle Verstehen gebunden hat. Vom Roboter ausgehend wirft das die Frage auf, welches Verständnis von Segen der Roboter bzw. dessen Erbauer und Programmierer hat. Genügt die verstandes- und verständnislose korrekte Durchführung einer Handlung, damit sie zu einer gültigen Handlung wird, oder bedarf es nicht doch so etwas wie eine Einsicht in die damit verbundenen Vorgänge? Eine solche Einsicht kann der Roboter jedenfalls noch nicht vorweisen. Da er sie – entsprechende Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz vorausgesetzt – aber einmal haben könnte, kann dieses Argument wiederum nur als Grenzargument auf Abruf fungieren.

Als eigentlich sich von selbst verstehende Zwischenbemerkung sei darauf hingewiesen, dass die Wirkung des Segens natürlich nicht kausal am Spender des Segens hängt. Der Segnende teilt nicht seinen eigenen Segen aus, sondern spricht den Segen Gottes zu. Gott bleibt der allein Wirkende, in dessen Hand es allein steht, einen von wem auch immer und in welchem Verstehens-Zustand auch immer gesprochenen Segen zum Segen Gottes zu machen – mit allen damit zusammenhängenden Auswirkungen im Leben eines Menschen.

Und doch muss gerade mit Blick auf den „Segensroboter“ gesagt werden, dass Gültigkeit und Wirkung dieses Segens auch am Verstehen der Segensempfänger hängt. Insofern man von keiner wie auch immer gearteten Kraftübertragung ausgehen will, die durch die Konstruktion des „Segensroboters“ angedeutet zu sein scheint (die von Becker kritisierten leuchtenden Hände), muss man das semiotische Modell zugrunde legen, demzufolge Segen erst dann ein Segen für einen Menschen werden kann, wenn sich diesem das Zeichen des Segens erschließt. Es ist die Frage, ob ich mich von einem Roboter segnen lassen möchte, ob ich also gewillt bin, den von einem zwar kirchlich Beauftragten und nach allen Regeln der Kunst korrekt durchgeführten Segen, als gültigen Segen für mich anzuerkennen? Erst dann, wenn ich diese Frage mit einem Ja beantworten kann, dann kann der so gespendete Segen auch eine Wirkung für mich haben. Andernfalls bleibt es eine intelligente Form von Kunst, eine Spielerei, eine Provokation und ein Hinweis darauf, welche unbeantworteten Fragen in Theologie und Kirche noch bearbeitet werden müssen.

1.3 Weiterführung

Nun kann man dem „Segensroboter“ Bless-U-2 einer Anmutung zeihen, die für den Rezipienten hinderlich ist, sich in einer ernsthaften Weise segnen zu lassen. Dabei war diese Spannung offensichtlich bewusst gewählt. Als Kunstobjekt bewegt er sich dabei auf den technischen Möglichkeiten eines besseren Diktiergeräts, die dann zu der Deutung Anlass geben, es handelte sich bei Bless-U-2 bestenfalls um einen Segens-Agenten, also um einen bloßes Medium, einen Segensträger. Was aber geschieht, wenn man dem „Segensroboter“ eine andere Anmutung verleiht? Diese andere Anmutung würde sich sowohl auf das äußere ästhetische Erscheinungsbild beziehen als auch auf die gleichsam inneren personalen Qualitäten. In unserer populären Kultur werden solche durchaus philosophischen Fragen in Form von Fernsehserien bearbeitet, wobei gegenwärtig insbesondere zwei dieser filmischen Umsetzungen von Interesse sind.

In der britischen auf einer schwedischen Vorlage[12] basierenden Serie Humans[13] wird eine Gesellschaft in einer nahen Zukunft dargestellt, in der humanoide mit einer Künstlichen Intelligenz ausgestattete Roboter (sogenannte Synths) alltäglich geworden sind. Gegenstand ist dabei die Frage, in welcher Weise das Vorhandensein solcher Androiden das Zusammenleben von Menschen beeinflusst. Diesen Androiden eignet nicht nur ein perfektes menschliches Erscheinungsbild, ihre Künstliche Intelligenz erlaubt es ihnen, sich mit den Menschen zu verständigen, wobei die Künstliche Intelligenz noch nicht in der Lage ist, menschliche Emotionalität oder die Doppelsinnigkeit kultureller Zeichen in jeder Hinsicht adäquat zu erfassen. Die Androiden sind daher kindlich-naiv und befolgen Anweisungen oft in wortwörtlicher Weise. Sie werden eingesetzt für schwere oder unangenehme körperliche Arbeiten, für einfache Tätigkeiten, aber auch als Kindermädchen und – wohl aufgrund ihrer unbestechlichen Objektivität – selbst in psychologischen Beratungsstellen. Zu einem Problemfall werden die Roboter erst dann, als eine kleine Gruppe durch einen besonderen Programmcode ein Selbstbewusstsein[14] entwickelt und versuchen, ihre Artgenossen durch eine Verbreitung des Programmcodes ebenfalls zu erwecken, was zu teilweise chaotischen Verhältnissen führt als die Synths, ihrer selbst bewusst, aus ihren Besitzverhältnissen ausbrechen und den Gehorsam verweigern. Dabei kommt es auch zu einem Racheakt für die bislang abschätzige oder gewaltsame Behandlung der Menschen gegenüber den Synths. Einer von ihnen sucht sogar einen Beichtstuhl auf, um dem Sinn seiner Existenz auf den Grund zu gehen und entscheidet sich dafür, sich selbst in seinen bewusstlosen Urzustand zurück zu versetzen. Eine andere, die zu der ursprünglichen Gruppe selbstbewusster Synths gehört, unterzieht sich einem Gerichtsverfahren, in dem ihre „Menschen“rechte als selbstbewusstes Wesen geklärt werden sollen. Leider schlagen alle im Verlauf der Verhandlung durchgeführten Tests, die ihre Menschlichkeit anhand von erwartbaren menschlichen Reaktionen (wie z.B. Emotionen) erweisen sollen, fehl.

Eine Variante dieser Thematik wird in der US-amerika­ni­schen Serie Westworld durchgespielt, die auf den Roman und dem gleichnamigen Film von Michael Crichton aus dem Jahr 1973 zurückgeht.[15] Westworld ist ein gigantischer Vergnügungspark, in dem die Besucherinnen und Besucher die Zeit des Wilden Westens in einer perfekt simulierten Umgebung nachspielen und dabei gewisse Rollen übernehmen und Teil von inszenierten Handlungen werden können, wie z.B. einem Banküberfall, die Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers, einem Pokerspiel in einem Saloon mit anschließender Schlägerei und Pistolen-Duell. Die Besucherinnen und Besucher interagieren dabei mit humanoiden Robotern, denen ebenfalls eine bestimmte Rolle zukommt und diese in authentischer Weise mit einer eigens dafür erzeugten Persönlichkeit inklusive einer genau regulierten Intelligenz, Emotionalität und Erinnerung ausfüllt. Die Simulation dieser Persönlichkeit ist dabei so angelegt, dass sie sich selbst als Menschen der Zeitperiode des Wilden Westens bewusst erleben und in der Erwartung dieser Wirklichkeit leben und agieren. Sie wissen also nicht darum, dass sie lediglich Roboter in einem Spiel sind. Dennoch oder gerade dadurch verhalten sie sich auf eine täuschend echte Weise, so dass sie im Grunde von echten Menschen kaum zu unterscheiden sind. Im Verlauf der Handlungsstränge im Vergnügungspark können diese Roboter zu Schaden kommen oder getötet werden. Geschieht dies, dann werden sie repariert und auf ihren Urzustand zurückgesetzt. Allerdings erweist sich die Löschung ihres Speichers bei einigen Androiden mehr und mehr als inkomplett, so dass diese sich an frühere (teilweise aus anderen Rollen stammende) Geschehnisse erinnern können. Viele diese Erinnerungen sind mit schmerzhaften Erlebnissen verbunden. Aber gerade diese führen dazu, dass sich die Androiden ihrer selbst bewusst werden und begreifen, dass sie lediglich Rollen in einem Spiel sind, so dass sie am Ende der ersten Staffel der Serie dagegen aufbegehren.

Wie stünde es nun um die künstlichen selbst bewusst gewordenen Geschöpfe aus den Fernsehserien Humans und Westworld in Hinblick auf einen Segen, den sie uns zusprechen würden? Sie wären wohl tatsächlich – aufgrund welcher Voraussetzungen auch immer – dazu in der Lage, einen Segen so zu sprechen, dass kein Unterschied zu einem von einem Menschen gesprochenen Segen feststellbar wäre. Handelt es sich dann dabei aber immer nur noch um einen simulierten Segen, oder hätte sich die Simulation nicht längst selbst auf Realität hin überstiegen, so dass dieser so gespendete Segen sowohl gültig als auch wirkungsvoll geworden wäre?

Gerade die in den beiden Fernsehserien bearbeiteten Probleme künstlicher sich selbst bewusst gewordener Intelligenz in einem humanoiden Körper führen uns noch zu einer ganz anderen Frage, die über die Frage, ob es sich dabei um einen echten Segen handeln kann, hinausführt. Dabei muss zunächst beachtet werden, dass beide Serien den neuesten Stand der Erforschung von Künstlicher Intelligenz verarbeiten, in der auf das in der Kognitionsforschung beheimatete Konzept des Embodiment zurückgegriffen wird.[16] Damit wird die nächste Stufe selbstlernender neuronaler Netzwerke beschrieben, die in Analogie zum Menschen, mit Hilfe sensorischer und motorischer Fähigkeiten im Laufe ihrer Interaktion mit der Umwelt selbstständig neuronale Muster ausbilden. Ein Teilbereich davon ist das sog. Affective Computing, in dem neuronalen Netzwerken sowohl das Erkennen von Gefühlen als auch eine entsprechende Reaktion auf diese Gefühle beigebracht wird. Letztendlich führt diese Entwicklung zu Robotern, die mit Emotionen ausgestattet sind und auf diese Weise „menschlich“ mit den Menschen interagieren können.[17] Es geht in beiden Serien also um den embodied mind, auch wenn dieser Geist (mind) künstlich ist. Viele, wenn nicht alle Probleme der Serien resultieren daraus, dass die künstlichen und emotionalen Intelligenzen mit einem humanoiden Körper ausgestattet sind. Es wären zwar auch andere Szenarien denkbar,[18] aber womöglich ist dieser Gegensatz zwischen human und humanoid der einzige auf dem es in diesem Zusammenhang wirklich ankommt und der auch filmdramaturgisch am Spannendsten ist. In Folge dessen arbeiten sich die humanoiden Geschöpfe an ihren humanen Schöpfern in unterschiedlicher Weise ab – und zwar in einer auch theologisch interessanten Weise, geht es doch gerade in der christlichen Schöpfungslehre und der theologischen Anthropologie unter anderem um dieses Verhältnis des Geschöpfs zu seinem Schöpfer. Welchen Stellenwert hätte also die erschaffene künstliche Intelligenz im Verhältnis zum Menschen: ist sie ihm ebenbürtig, ist sie ihm unterlegen (als sekundäre gegenüber der primären Schöpfung) oder ist sie ihm überlegen (als Vollendung und Überwindung des Humanum, was die dystopische Möglichkeit des Großteils der fantastischen Literatur an diesem Punkt ist)[19]? Oder anders gesagt: Ist die künstliche Lebensform eine wirklich genuine und damit auch eigenständige Neuschöpfung oder doch nur Nachahmung von bereits Geschaffenem? Aber selbst als bloße Nachahmung muss sie etwas anderes sein als das Nachgeahmte, d.h. selbst eine perfekte Simulation menschlichen Lebens ist eben nicht menschliches Leben, sondern etwas anderes. Das ergibt sich unter anderem aus dem Qualia-Problem. Ihre mentalen Zustände von Eindrücken wären eben nicht human, sondern humanoid und könnten niemals anders als humanoid sein. Allerdings muss diese Feststellung kein Nachteil sein. Es wäre im Gegenteil eine Aufforderung an die Künstliche Intelligenz ihr eigenes Wesen zu erforschen und nicht den Versuch zu unternehmen, menschlich sein zu wollen (wie dies z.B. der Androide Commander Data aus der Fernsehserie Star Trek – The Next Generation tut)[20]. In diesem Sinne könnte sie ein wirkliches Gegenüber zum Menschen sein. Und auch der Mensch müsste die Maschine, die er ja selbst geschaffen hat, nicht als Bedrohung empfinden, sondern könnte sie als sein Spiegelbild begreifen, in dem er sich nicht narzistisch verliert, sondern ebenfalls neu nach seinem Wesen fragt.[21] Gerade die verschwimmende Grenze zwischen Menschen und Maschinen sollte den Menschen nach seinem Menschsein fragen lassen.

Was bedeutet das aber für den Segen, den eine synthetische Lebensform spendet? Insofern der biblisch fundierte Segen mit menschlichen Vorstellungen und menschlicher Erfahrung korreliert, ist dieser für eine synthetische Lebensform aufgrund des Qualia-Problems unzugänglich. Das hat freilich nicht zur Konsequenz, dass eine synthetische Lebensform einen Segen nicht gültig und wirksam, authentisch und glaubhaft spenden könnte, sie kann es - nur nicht für einen Menschen, sondern nur für ihresgleichen.

Es wäre eine spannende – hier nicht weiter zu verfolgende Frage – ob solche Überlegungen nicht zu einer Roboter-Kirche mit Roboter-Geistlichen führen müsste, wie dies z.B. in der Zeichentrickserie Futurama[22] der Fall ist, in der Reverend Lionel Preacherbot im Typus eines evangelikalen Erweckungspredigers am „Tempel of Robotology“ amtiert.

2. Von virtueller Realität und realer Virtualität am Beispiel des Abendmahls[23]

Gerade angesichts der mit dem Internet gegebenen Konsequenzen für die Bestimmung dessen, was Wirklichkeit und Gemeinschaft bedeuten, sind Kirche und Theologie in einem Dilemma befangen. Einerseits werden sie unter Androhung der Gefahr gesellschaftlichen Relevanzverlustes mindestens zur Anerkenntnis, teilweise auch zur positiven Aufnahme dieser Konsequenzen genötigt. Andererseits stehen sie in Ermangelung der zur Erfassung nötigen theologischen Kategorien und Denkschemata dem Ganzen hilflos gegenüber und ziehen sich auf den für sie sicheren Boden dogmatischer Behauptungen zurück. Insbesondere das christliche Gemeinschaftsideal, das seinen höchsten Ausdruck in der Abendmahlsgemeinschaft findet, scheint hier eine Grenze darzustellen.

3.1 Erste Annäherung: Anerkenntnis mit Abstrichen

Als ein Beispiel kann hier der Aufsatz von Heinrich Bedford-Strohm im Lesebuch zur EKD-Synode 2014 dienen: Auf der einen Seite betont er zwar, dass das Internet als eine „säkulare Analogie“ zur „Idee des Geistes Gottes als Kommunikationsmedium, zur Idee eines kollektiven ‚Spirit‘ und zur Idee einer Teilhabe unabhängig von körperlicher Nähe“ aufgefasst werden kann.[24] Daneben steht dann aber auf der anderen Seite recht unvermittelt und im Gegensatz zu der vorstehend genannten Erkenntnis, dass „für den gelebten Glauben … die Erfahrung realer Gegenwart wesentlich“ sei, und dass, obwohl – ebenso unvermittelt angefügt – aufgrund „der Entzogenheit Jesu … dem Glauben immer auch ein virtuelles Moment“ innewohne, was dann in dem Satz gipfelt: „Aber Christus war kein Avatar. Und den Leib und das Blut Christi in Brot und Wein können wir im heiligen Abendmahl schmecken. Internet-Abendmahl feiern wir deswegen aus guten Gründen nicht.“[25]

Hier wird in vermittlungstheologischer Tradition ein Ausgleich zwischen Kultur und Theologie gesucht, aber nicht gefunden. Die Einsicht in die pneumatologische Offenheit, welche die Phänomene der Digitalisierung aufweisen, wird nicht in Verbindung gebracht mit der traditionellen Ekklesiologie und Sakramententheologie, was letztlich in einen Gegensatz hineinführt, der wohl auch auf theologischer Seite so nicht haltbar ist. So erweist sich der Satz, dass für den gelebten Glauben die Erfahrung realer Gegenwart wesentlich sei, zwar als ekklesiologisch unmittelbar einsichtig, er übersieht aber nicht nur, dass es auch für den Glauben immer eine virtuelle Dimension der Gemeinschaft gibt (beispielsweise bezieht sich der Glaube an die Gemeinschaft der Heiligen auf eine solche virtuelle aber im Glauben reale Dimension), sondern auch, dass eine körperlose virtuelle Gemeinschaft für die Beteiligten nichts desto weniger als eine Gemeinschaft in realer Gegenwart erlebt wird. Letztlich wird also doch die reale Gegenwart gegenüber einer „nur“ virtuellen körperlosen medial vermittelten Gegenwart präferiert. Der virtuelle Gemeinschaftsbegriff muss notwendigerweise defizitär erscheinen, wenn er an theologischen Vorstellungen von Gemeinschaft gemessen wird. Im Hintergrund steht dabei der vermeintliche Gegensatz zwischen virtuell und real in der Verbindung von „Virtueller Realität“. Mit „virtuell“ ist allerdings nichts das „Irreale“ im Gegensatz zum „Realen“ gemeint, sondern – auf das lateinische virtus zurückgehend – das Mögliche.

Schon dieser kurze Diskurs-Ausschnitt zeigt, dass für die sog. digital natives[26] die Annahmen theologischer Anthropologie wohl nicht mehr verständlich sind, weil sie hier keine Unterschiede treffen, weder zwischen der Erfahrung der Leiblichkeit in der Virtuellen Realität wie in der Realität, noch zwischen Innen und Außen. Für sie ist die dabei sich konstituierende Gemeinschaft durch die Kommunikation nicht weniger wert als eine face-to-face-Begegnung. Ja, sie können dieser Form der Kommunikation sogar als einen Zugewinn verstehen, da sie ausblendet, was in der Realität ablenkt oder hindert. Kommunikation wird in gewissem Sinne einfacher, bewegender, sicher oft auch abgründiger. Digital natives bewegen sich zwischen beiden Welten spielend hin und her und erleben beide Welten als widerständig und für sie real. Ja, sie verstünden auch den Sinn des Wortes „real“ kaum mehr, da auch die Realität, von deren Existenz wir unbekümmert ausgehen, doch nur ein virtuelles Abbild unserer im Gehirn verarbeiteten Sinneseindrücke sind.

Selbst wenn es den Anschein hat, Theologie und Kirche könnten den digital natives hier auf den Fersen bleiben, so wird dann doch beim Abendmahl als des absoluten Paradigmas christlicher Gemeinschaft eine Grenze gezogen. Dennoch möchte man auf den abschließenden Satz Bedford-Strohms hin die Frage stellen: Warum eigentlich nicht? Was sind die „guten Gründe“, die gegen die Feier eines Internet-Abendmahls sprechen sollen? Die Prämisse, aus der diese Schlussfolgerung gezogen worden ist, ist weniger tragfähig, als es den Anschein hat. Denn im heiligen Abendmahl schmecke ich immer nur Brot und Wein, kann also in keinem Fall Leib und Blut Christi schmecken, glaube aber an die wahrhaftige Gegenwart Christi in, mit und unter den Elementen von Brot und Wein. Anne Kempf führt zwei dieser „guten Gründe“ für eine Abendmahlsfeier „im“ Internet an: Zum einen die leibliche Kopräsenz, die neben den Elementen von Brot und Wein zum Symbolgehalt der Abendmahlsfeier gehört: „Weil Essen und Trinken körperliche Handlungen sind und dadurch die Tischgemeinschaft mit dem Herrn symbolisch und sinnlich wahrnehmbar vollzogen wird, muss das Abendmahl unter leiblich kopräsenten Menschen gefeiert werden.“[27] Zum anderen erfolgt die auch im Abendmahl als dem verbum visibile intendierte Ansprache an den Einzelnen immer nur unter Einbezug seiner Leiblichkeit; dass Abendmahl erweist sich als personales Geschehen für das eine face-to-face-Beziehung unabdingbar ist.[28] Kempf führt in diesem Zusammenhang folgende Szenarien an: „Der Pfarrer oder die Pfarrerin hält Brot und Wein in die Kamera, um sie der Online-Gemeinde zu ‚geben‘. Die am Bildschirm Teilnehmenden haben zuvor je für sich Brot und Wein bereitgelegt und verzehren beides gleichzeitig mit der Real-Life-Gemeinde. Bei einem Abendmahl im ‚Second Life‘ könnten ‚virtuelles‘ Brot und Wein den Avataren ‚gereicht‘ werden. Zusätzlich könnten die an ihren Computern sitzenden Menschen tatsächlich essen und trinken.“[29] Für diese Beispiele kann Kempf zumindest feststellen, dass „Abendmahl im Internet … in einem technisch-funktionalen Sinn möglich“ ist.[30]

Wenigstens für das erste Beispiel ließe sich der Grenzfalle einer Selbstkommunion für den Fall einer körperlichen Beeinträchtigung, welche die Teilnahme an einem Gottesdienst vor Ort verhindert, ins Feld führen. Womöglich, weil sich der so Teilnehmende über das Miterleben eines Fernsehgottesdienstes virtuell in eine Gemeinschaft eingebunden fühlt, die er im Falle einer Krankenkommunion, bei der ihm nachträglich nach einem Gottesdienst das Abendmahl ausgeteilt wird, nicht hat. Problematisieren könnte man hingegen, wie weitreichend dabei die Konsekrationswirkung der Einsetzungsworte gedacht wird: Gilt sie nur für die Elemente an dem Ort, an dem der Gottesdienst mit den Fernsehkameras aufgenommen worden ist, oder reicht sie auch gewissermaßen telemedial bis an den Ort, an dem die am Bildschirm Teilnehmenden sitzen? Schon diese Frage könnte Anlass geben, die traditionelle Sakramententheologie zu modifizieren. Wir bejahen diese Frage probehalber einmal. Was aber gilt für den Fall, dass es sich um die Aufzeichnung eines Fernsehgottesdienstes handelt? Wäre es unter einer solchen Bedingung dann schon hinreichend, dass das Abendmahl im Glauben empfangen wird?

Bewegt sich dieses erste Beispiel im Grunde noch auf den konventionellen Bahnen eines längst bewährten Mediums und eines sehr erfolgreichen Gottesdienstmodells, so greift das zweite Beispiel auf die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zurück, auch wenn die Plattform „Second Life“ mittlerweile nicht nur technisch längst veraltet sondern auch kaum noch frequentiert ist.[31] „Second Life“ bietet zwar eine Virtuelle Realität an, erlaubt aber keine vollständige Immersion, d.h. ich muss hier immer noch einen Avatar als eine Repräsentation meiner selbst in der Third-Person-Perspektive[32] mit Maus und Tastatur durch eine allzu künstlich wirkende Welt steuern. Mittlerweile ist bereits anderes möglich. Längst erlauben sog. Head-Mounted-Displays[33] das Eintauchen in immer fotorealistischer gestaltete Spielewelten aus der Ego-Perspektive[34], und die technischen Entwicklungen an diesem Punkt sind noch nicht an ihr Ende gelangt.

3.2. Zweite Annäherung: Immersive Parallelwelt

Auch hier greifen popkulturelle Utopien und Dystopien den technischen Entwicklungen voraus und spielen mitsamt den gesellschaftlichen Folgen durch, was es für den einzelnen aber auch für das Zusammenleben bedeuten würden, wenn es zukünftig möglich wäre, sich in eine Virtuelle Realität vollständig hinein zu begeben. Die bekannteste dieser Dystopien dürfte der Science-Fiction-Film The Matrix aus dem Jahr 1999 sein, der in zwei weiteren Filmen fortgesetzt worden ist.[35] Im Folgenden gehen wir aber auf den ebenfalls im Jahr 1999 erschienen weniger bekannten Film The Thirtheenth Floor ein, der auf dem Roman Simulacron-3 von Daniel F. Galouye aus dem Jahr 1964 basiert und bereits in den 1970er Jahren von Rainer Werner Fassbinder für das Fernsehen adaptiert worden war.[36] Die Geschichte spielt im Los Angeles des Jahres 1999, in dem eine Firma eine Simulation eines Los Angeles des Jahres 1937 erschaffen hat, das von Künstlichen Intelligenzen, die zumindest ihrer Körperlichkeit nach lebenden Menschen nachempfunden worden sind, bevölkert ist und die ihre Realität für wahr halten. Über einen Zugang ist es möglich, sich in die Simulation einzuloggen, bei der man das Bewusstsein mit einem der Künstlichen Intelligenzen aus der Simulation tauscht, und die Simulation aus der Perspektive dieser Künstlichen Intelligenz erlebt. Dabei ist es für einen der erstmals eingeloggten Protagonisten des Films eine überraschende Erkenntnis, wie wie detailgetreu und lebensecht bis in die körperlichen Erfahrungen von Geruch, Geschmack und Tastsinn hinein dort alles nachempfunden worden ist. Der Mord an dem Programmierer dieser Simulation führt im Lauf der Handlung zu der Entdeckung, dass es sich auch bei dem Los Angeles des Jahres 1999 ebenfalls nur um eine Simulation handelt, die – von einer nahen Zukunft aus – in derselben Weise besucht wird, wie die Simulation des Jahres 1937 von 1999 aus. Diese Erkenntnis stürzt die Protagonisten aus dem Jahr 1999 in eine Existenzkrise, da sie ja bislang davon ausgegangen waren, sie lebten in der Realität und wären nicht selbst simuliert.

Der Film geht von der Möglichkeit eines vollständigen Eintauchens in eine Virtuelle Realität aus, die mit dem Dualismus von Geist und Körper spielt. So wird zwar von einer prinzipiell möglichen Trennung von Geist und Körper und der Transferierung nur des Geistes in eine Maschine ausgegangen, die durch Digitalisierung geleistet wird (wobei wir hier sowohl dahin gestellt sein lassen, ob man hier nicht einer alten philosophischen Debatte aufsitzt, als auch, ob das technisch überhaupt in dieser Weise realisierbar ist). Dann wird dieser digitalisierte Geist allerdings doch wieder mit einem ebenfalls digitalisierten Körper ausgestattet (was durchaus der aktuellen Debatte um den embodied mind entspricht), der in und mit einer digitalisierten Welt interagiert. Die Notwendigkeit des Körpers – und damit im gewissen Sinne alles Materielle, insofern mein Körper die unmittelbar mich betreffende Materie ist – wird dabei gerade nicht überwunden, sie wird aber doch nachhaltig relativiert. Auch an und mit simulierter Materie lassen sich also körperliche Erfahrungen gewinnen. Weder ist hier im Blick, was eine direkte und nicht mehr über (simulierte) Materie vermittelte Beziehung von Geist zu Geist bedeuten würde, noch, welche neue Erfahrungsmöglichkeiten von (simulierter) Materie sich daraus ergeben könnten, wären die Einschränkungen unserer Sinne aufgehoben.

Gehen wir nun davon aus, dass sich jemand in eine solche simulierte Welt einloggt und in dieser simulierten Welt eine traditionskontinuierliche evangelische Messe besucht. Er oder sie tut dies genau in derselben Weise, wie er oder sie das auch in der realen Welt tun würde –  dem Unterschied, dass er oder sie das mit einem simulierten Körper in der Ego-Perspektive tut. Dabei können die Mitfeiernden Künstliche Intelligenzen sein oder ebenfalls von außerhalb eingeloggte Personen. Auf der Erfahrungsebene besteht dabei für die eingeloggten Personen keinerlei Unterschied zu einem Gottesdienstbesuch in der realen Welt.

Ein solches zugegebenermaßen utopisches Beispiel arbeitet sich nicht an den gegenwärtigen technischen Unzulänglichkeiten ab, sondern konzentriert sich auf die prinzipiellen Möglichkeiten der Technik, um von da aus, dann nicht nur sehr zeitbedingte Vorbehalte zu äußern, sondern ebenso prinzipielle Fragen aufzuwerfen. Denn bei diesem Beispiel geht es nun gar nicht mehr um die Frage nach der vermeintlich bedrohten Leiblichkeit bei der Feier des Abendmahls, sondern um die viel grundsätzlichere Frage, ob Gott auch im Virtuellen präsent sein kann.

Was geschieht also, wenn der Pfarrer / die Pfarrerin (ist er oder sie eine Künstliche Intelligenz oder von außerhalb eingeloggt?) nun das Abendmahl einsetzt? Kann es sich dabei um ein „echtes“ d.h. gültig eingesetztes Abendmahl handeln, wobei man hier unter den Begriff der Gültigkeit neben den korrekt rezitierten Einsetzungsworten auch noch die virtuelle Materialität der Elemente und die virtuelle Kommunion dieser Elemente fassen müsste?

Lässt sich diese Frage mit den Mitteln lutherischer Abendmahlslehre überhaupt beantworten, oder weist das Setting nicht schon von vorneherein auf ein reformiertes Abendmahlsverständnis? Kann es sich bei diesem „simulierten“ Abendmahl um mehr als nur um einen Hinweis auf ein Geschehen aus der Vergangenheit handeln, das wir uns gedenkend vergegenwärtigen, so dass überhaupt kein Augenmerk auf die fehlende weil „nur“ virtuelle Materialität der Elemente gelegt werden muss? Ist dieses Abendmahl in der Sphäre des Digitalen nicht überhaupt als prototypische geistliche Speisung und damit doch als eigentliche Speisung anzusehen? Zumindest könnte im Dialog mit der Virtualität und ihren Auswirkungen die Frage nach der geistigen und materiellen Dimension des Abendmahls neu beleuchtet werden – und das nicht nur hinsichtlich virtueller Abendmahlsfeiern. Real- oder Personalpräsenz Christi in, mit und unter den Elementen von Brot und Wein und spiritualiter in der Feier des Abendmahls könnte als eine virtuelle Präsenz re-interpretiert werden. In lutherischer Sicht wäre bei einer virtuellen Abendmahlsfeier entweder überhaupt nichts passiert, oder es hätte sich eine virtuelle Kondeszendenz ereignet: die – wohl auch sonst nur virtuell vorzustellende – Präsenz Gottes wäre in die virtuellen Elementen von Brot und Wein real eingegangen. Und eine virtuelle Repräsentation meiner selbst, mein Geist, aber nicht mein „echter“ Körper, hätte im Glauben den virtuellen Leib und das virtuelle Blut unseres Herrn Jesus Christus empfangen, und damit doch auch wirklich empfangen – und zwar „extra nos“, obwohl sich dies alles „in mir“, in meinem Geist, zuträgt. Die mir vorgespiegelte Virtuelle Realität ist nicht im Vollsinn außerhalb von mir und begegnet mir als Gegenüber, sondern ist aufgrund der Erfahrung von Immersion ein Teil von mir und richtet sich von daher auf mein Innen.

Das Konzept Virtueller Realitäten könnte einen Beitrag dazu leisten, wie das In-etwas-anderes-sein vorstellbar ist, wie es ja mit der gerade auch für die lutherische Lehre vom Abendmahl bedeutsame theologische Denkmodell der Kondeszendenz behauptet wird. Im Film werden die verschiedenen Virtuellen Realitäten mittels einer bestimmten farblichen Abstimmung unterschieden: Die Simulation des Los Angeles des Jahres 1937 hat eine andere Farbtönung als die Simulation des Los Angeles des Jahres 1999, und diese ist wiederum verschieden von der Färbung der Realität, aus der der Protagonist des Films in einer nahen Zukunft schließlich aufwacht, nachdem er den Platz mit seinem User getauscht hat. Während der User in der Simulation gestorben ist, darf der Protagonist aus der Simulation in die reale Welt wechseln. Am Ende des Films bleibt aber offen, ob es sich bei dieser vermeintlichen Realität nicht doch auch nur um eine weitere Simulation handelt, die gewissermaßen von der nächsthöheren Ebene der Realität aufgesucht werden kann. Wie in einer Matrjoschka sind im Film die simulierten Welten ineinander verschachtelt. Dahinter steht die theologische Frage nach dem Verhältnis der alles umfassenden Wirklichkeit Gottes zu unserer Wirklichkeit: Ist unsere Wirklichkeit in der alles umfassenden Wirklichkeit Gottes real enthalten, und damit nicht nur ein Teil von ihr, sondern von ihr auch ständig durchdrungen? Oder ist unsere Wirklichkeit virtuell in dem Sinn, dass sie sich gewissermaßen nur im Geist Gottes abspielt, also ein Gedanke Gottes ist, und nur so lange Bestand hat, als Gott diesen Gedanken denkt? Diese Überlegungen können in diesem Zusammenhang freilich nur angedeutet aber nicht ausgeführt werden.

3. Schlussbemerkung: Neue Medien und Gottesdienst[37]

Wir verlassen wieder die Spur simulierter Welten und kommen abschließend noch einmal auf den „Segensroboter“ in seiner Urgestalt zurück. Der „Segensroboter“ hat, wenn man so will, das liturgische Element des Segens im Gottesdienst übernommen. Dem ebenfalls kurz erwähnten Preacherbot könnte die Aufgabe der Wortverkündigung übertragen werden. Und sicher wären noch weitere Bots denkbar, denen liturgische Aufgaben zuteil werden könnten.

In Frage steht damit, wie Liturgie und neue Medien zueinander finden sollen und können. Der Anspruch an eine tatsächliche Integration neuer Medien in den Gottesdienst, an eine Digitalisierung der Liturgie, bestünde doch darin, dass dieses Zusammenspiel mehr sein sollte als nur eine Fortsetzung gewohnter Formen und Elemente mit anderen – nun eben digitalisierten – Mitteln. Die bislang bekannten Beispiele[38] gebrauchen entweder das Internet als Streamingplattform, erweitert um die Möglichkeit einer Rückkoppelung, womit gewissermaßen das bekannte Format der Fernsehgottesdienst fortgesetzt wird. Hier meldet sich das Web 2.0[39] zu Wort, in dem die einzelnen Akteure nicht mehr nur Rezipienten sind, sondern selbst als Sender auftreten. Andere Beispiele ersetzen eines oder mehrere liturgische Elemente durch ein technisches Äquivalent, das freilich die dabei in Rede stehende Sache nicht einfach nur auf ein neues Medium überträgt, sondern auch ihrem Charakter nach verändert, etwa, wenn Fürbitten über das Smartphone eingetippt werden, die dann – für alle sichtbar – auf einer Leinwand als WordCloud erscheinen.

Dieser Logik folgend könnten sukzessive alle liturgischen Elemente und bislang gebräuchlichen Medien unter Beibehaltung der gewohnten Gottesdienstordnung ersetzt werden: Gesangbuch, Lektionar, Agende und Bibel durch ein Tablet, Alexa verliest eine Lesepredigt und Siri wählt die passende Musik, Gebete werden getwittert, usw. Es ist aber fraglich, ob damit schon die digitale Revolution liturgisch umgesetzt worden ist. Hier ist das Neue gegenüber dem Alten noch nicht gefunden, das, was sowohl den neuen Medien als auch der Sache des Gottesdienstes entspricht. Dass das kein einfaches Unterfangen ist, sollte der Blick in die populäre Kultur gezeigt haben, die zwar kreativer als die Kirche zu Werke geht, die in vielen Fällen aber auch nicht über eine Duplizierung der Wirklichkeit hinauskommt.

Dabei geht es weder darum die digitale Kultur zurückzuweisen, noch sich ihr vorbehaltlos in die Arme zu werfen, sondern mit ihren Ambivalenzen umzugehen. Medien waren und sind – wie alles, was der Mensch erschafft – immer ambivalent.[40] Das gilt für den von Plato kritisierten Übergang von der Oralität zur Literalität, die tatsächlich das Gedächtnis nachhaltig geschwächt hat, genauso wie für den Buchdruck, der zur Klage über das viele Büchermachen geführt hat, wie für das Radio, das für die Übertragung von Konzerten klassischer Musik wie für die Propaganda des Nationalsozialismus genutzt worden ist. Das gilt nun auch – und vielleicht in einer besonderen Weise – für die neuen digitalen Medien, die über ihre Digitalisierung zusammengefasst und gebündelt werden können und wobei sich die Ambivalenzen jedes einzelnen Mediums in diesem Supermedium gegenseitig verstärken.

Wenn damit eine tatsächliche und nicht nur scheinbare Nutzung digitaler Möglichkeiten eingefordert wird, dann bedeutet das nicht, dass das eine nun das andere ablösen wird. Vielmehr werden sich viele verschiedene Formen nebeneinander etablieren. Neben den traditionell gewohnten Gottesdiensten wird es Gottesdienste mit unterschiedlichen Graden der Digitalisierung und Virtualisierung geben. Neben denen, die auch weiterhin nur das traditionelle Angebote nutzen werden, wird es solche geben, die zwischen den Welten problemlos hin- und herwechseln können, und solche, die nur Online nach gottesdienstlicher Gemeinschaft suchen. In einem erneuten Prozess der Auseinandersetzung nach den gottesdienstlichen Experimenten der 1960er und 1970er Jahre wird es darauf ankommen auch diese, zur Zeit immer noch tastenden Versuche, als ebenbürtige und gleichwertige Gottesdienstformen anzuerkennen.

Anmerkungen

[1]    Hier sind zu nennen: Reiner Preul / Reinhard Schmidt-Rost (Hrsg.): Kirche und Medien, Gütersloh 2000 (= VWGTh 16). Allerdings fehlt darin noch jeder Bezug auf das Internet, das zur Zeit der Publikation schon seinen Höhenflug zur ersten Dotcom-Blase angesetzt hatte. Vielmehr geht es darin immer noch u.a. um das Problem der religiösen Rede im Radio. Dabei sind den damals neuen Medien bereits zu dieser Zeit wichtige Sammelbände gewidmet worden: Stefan Bollmann (Hrsg.): Kursbuch Neue Medien. Trends in Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kultur, Hamburg 1998; Stefan Bollmann / Christiane Heibach (Hrsg.): Kursbuch Internet. Anschlüsse an Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kultur, Hamburg 1998. Zu den weiteren Ausnahmen zählt: Wolfgang Nethöfel: Ethik zwischen Medien und Mächten. Theologische Orientierung im Übergang zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 1999 und ders.: Christliche Orientierung in einer vernetzten Welt, Neukirchen-Vluyn 2001.

[2]    Vgl. Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft. Lesebuch zur Tagung der EKD-Synode 2014 in Dresden, Hannover 20152.

[3]    Zumindest drei elektrische Medien hat sich der agendarische Gottesdienst zunutze gemacht: das elektrische Licht, die elektrische Heizung und die Verstärkeranlage. Sie werden als ancillae der Liturgie betrachtet, die erst dann in den Vordergrund treten, wenn sie ausfallen oder stören.

[4]    Während im selben Jahr als die Benutzeroberfläche www für das Internet öffentlich gemacht worden ist theologischerseits noch der Fernsehgottesdienst aufgearbeitet worden ist, vgl. Hans Erich Thomé: Gottesdienst frei Haus? Fernsehübertragung von Gottesdiensten, Göttingen 1991, hat man sich kulturwissenschaftlich bereits mit den neuen Medien beschäftigt, vgl. Florian Rötzer (Hrsg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt/Main 1991. Vom Herausgeber stammt auch: Florian Rötzer: Digitale Weltentwürfe. Streifzüge durch die Netzkultur, München/Wien 1998.

[5]    Vgl. dazu auch Felix Stalder: Kultur der Digitalität, Berlin 20172.

[7]    Vgl. https://www.izgs.de/app/download/15411298396/ST17_Hub4_2_social_talk_blessu_2.pdf?t=1511017934. In diesem Dokument wird auf Seite 7f. die Medienresonanz zusammengefasst.

[8]    Vgl. „Segensroboter – Zweifeln erlaubt. Einladung zum offenen Dialog“ am 8. September 2017 und „Segensroboter? Geistliche Handlungen und Künstliche Intelligenz (KI)“ am 4. November 2017 jeweils in der Evangelischen Akademie Frankfurt.

[9]    Man könnte diese Frage auch am Beispiel des Fernsehgottesdienstes durchspielen: Wird der Fernsehgottesdienst zeitgleich gesehen, dann besteht eine zeitgleiche Verbindung zwischen dem, der den Segen am Ort des Fernsehgottesdienstes spendet, und dem, der ihn – wo auch immer sitzend – empfängt. Der Empfänger kann dabei davon ausgehen, dass auch ihm dieser Segen zugesprochen worden ist und gilt, auch wenn er nicht leiblich im Kirchenraum anwesend ist, sondern zu Hause vor seinem Bildschirm sitzt. Wie verhält es sich aber dann, wenn der Fernsehgottesdienst als Aufzeichnung angesehen wird? Ist dann sowohl die segnende Absicht als auch der Segen in dieser Aufzeichnung gleichsam festgehalten und konserviert und kann je und je abgerufen werden? Auch hier wird man die Wirkung des Segens davon abhängig machen wollen, ob sich derjenige, der sich die Aufzeichnung eines Fernsehgottesdienstes anschaut, selbst dann als gesegnet "fühlt", auch wenn er darum weiß, dass es sich bloß um eine Aufzeichnung handelt. Der augenfälligste Unterschied besteht freilich darin, dass es sich jeweils – ob live oder aufgezeichnet – um eine menschliche Person handelt, die einen Segen sprachlich und gestisch vollzieht. In beiden Fällen kann ich als Empfänger davon ausgehen, dass es sich um ein reales Geschehen handelt bzw. gehandelt hat und dass dabei tatsächlich ein Segen mitgeteilt wird bzw. worden ist, der durch das Medium wirkt.

[10]   Dieter Becker: Segensroboter – rite et recte? Eine impulsive, dogmengeschichtliche Herleitung, in: DtPfBl 1 (2018), 41f., zuvor schon in Hessisches Pfarrerblatt. Zweimonatsschrift für Pfarrerinnen und Pfarrer aus Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck 5 (2017), 145-148.

[11]   Vgl. die Heilung der bluflüssigen Frau (Mt 9,18-22 / Mk 5,25-34 / Lk 8,43-48).

[14]   Der Begriff wird hier und im Weiteren ohne eine philosophische Problematisierung des Begriffs des Bewusstseins verwendet.

[16]   Vgl. Klaus Mainzer: Künstliche Intelligenz, emotionale Intelligenz und Gehirnforschung, in: Wolfgang Achtner u.a. (Hrsg.): Künstliche Intelligenz und menschliche Person, Marburg 2006, 143-156, hier: 149f. (= Marburger Theologische Studien 91). Sowie Joerg Fingerhut / Rebekka Hufendiek / Markus Wild (Hrsg.): Philosophie der Verkörperung. Grundlagentexte zu einer aktuellen Debatte, Berlin 2013.

[17]   Vgl. dazu auch: Christopher Scholtz: Leben mit dem Roboter – Leben im Roboter? Zur theologischen Dimension der alltäglichen Wahrnehmung des Roboterhundes Aibo, in: Wolfgang Achtner u.a. (Hrsg.): Künstliche Intelligenz und menschliche Person, Marburg 2006, 178-201 (= Marburger Theologische Studien 91).

[18]   Beispielsweise intelligente aber in diesem Sinne körperlose Programme oder explizite Roboterkörper.

[19]   Es gibt allerdings auch Ausnahmen, wie z.B. die Kurzgeschichte Der Zweihundertjährige von Isaac Asimov.

[21]   Vgl. Sabine Bobert: Göttliche Maschine und fehlbarer Mensch – Auf dem Weg zum Maschinenmenschen, in: Wolfgang Achtner u.a. (Hrsg.): Künstliche Intelligenz und menschliche Person, Marburg 2006, 203-218, hier: 213 (= Marburger Theologische Studien 91). Interessant in diesem Zusammenhang auch: Sabine Bobert: Praktische Theologie im Zeitalter der Posthumanität, in: theomag 22 (2003): https://www.theomag.de/22/sbs3.htm.

[23]   Mit dieser Überschrift greife ich den Buchtitel von Karsten Kopjars Dissertation auf: Kommunikation des Evangeliums für die Web-2.0-Generation. Virtuelle Realität als Reale Virtualität, Münster 2013. Vgl. dazu auch: Bernd-Michael Haese: Hinter den Spiegeln – Kirche im virtuellen Zeitalter des Internet, Stuttgart 2006, darin besonders Kapitel 4: Von der virtuellen Realität zur realen Virtualität (105-262), außerdem: Ilona Nord: Realitäten des Glaubens. Zur virtuellen Dimension christlicher Religiosität, Berlin/New York 2008.

[24]   Vgl. Bedford-Strohm, Der Mensch in der digitalen Epoche, a.a.O., 29a.

[25]   Bedford-Strohm, Der Mensch in der digitalen Epoche, a.a.O., 29b.

[26]   Vgl. dazu Marc Prensky: Digital Natives, Digital Immigrants, in: From On the Horizon, Vol. 9 No. 5 (2001) = http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf.

[27]   Anne Kempf: Der Avatar beim Abendmahl, in: Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft. Lesebuch zur Tagung der EKD-Synode 2014 in Dresden, Hannover 20152, 90-92, hier: 92a. Kempf bezieht sich hier u.a. auf Gordon S. Mikoski: Bringing the Body to the Table, in: Theology Today 67 (2010), 255-259.

[28]   Vgl. ebd.

[29]   Kempf, Der Avatar beim Abendmahl, a.a.O., 91c.

[30]   Ebd.

[31]   LindenLab, die Betreiber von Second Life, haben längst ein neues Projekt unter dem Namen Sansar entwickelt, das sich zur Zeit noch in der Betatest-Phase befindet, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life und https://en.wikipedia.org/wiki/Sansar_(video_game).

[37]   Ich knüpfe damit an Überlegungen an, die ich unter meinem Geburtsnamen veröffentlicht habe: Thomas Schmidt: Gottesdienst und Internet. Ein Nachruf, in: Klaus Raschzok / Konrad Müller (Hrsg.): Grundfragen des evangelischen Gottesdienstes, Leipzig 2010, 169-209.

[38]   Eines der frühesten Beispiele sind die SMS-Gottesdienste aus dem Jahr 2001, vgl. https://www.welt.de/print-welt/article448926/Der-erste-SMS-Gottesdienst-der-Welt.html.

[40]   Vgl. Heinrich Bedford-Strohm: Der Mensch in der digitalen Epoche, in: Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft. Lesebuch zur Tagung der EKD-Synode 2014 in Dresden, Hannover 20152, 28-31, hier: 31b.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/112/tm01.htm
© Thomas Melzl , 2018