Das katoptrische Universum


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Im Angesicht

Wolfgang Vögele

Ridolfo del Ghirlandaio, Schiebedeckel eines Porträts,  um 1510, Uffizien

1. Das fehlende und das faszinierende Gesicht

Wenn es fehlt, merkt der Beobachter erst, wie wichtig es ist. Begegnungen, Dialoge, Gespräche beruhen niemals nur auf den ausgetauschten Worten und Sätzen, sondern stets auch auf der gegenseitigen Wahrnehmung des Gesichts. Wer miteinander redet, der sieht sich auch. Ein Gespräch ist zugleich Sehen, Hören und Wahrnehmen. Was oft vernachlässigt wird im Gespräch: Das Sehen und Wahrnehmen der anderen Person konzentriert sich auf das Gesicht.

Nur in der klassischen Psychoanalyse bleibt das Gesicht aus guten Gründen ausgespart. Der Patient, der auf der Couch liegt, spricht mit einem Analytiker, den er nur als Stimme wahrnimmt und nicht als Gesicht. Der Patient gewöhnt sich im analytischen Setting daran, eine Stimme als Gesprächspartner zu akzeptieren. Diese Stimme wird vorübergehend zum Bestandteil seines Ich.  Die heilende Redekur verzichtet auf das Gegenüber des Analytikers als Person. Das Gesicht bleibt ausgespart. In der klassischen Analyse auf der teppichbedeckten Couch wird das Gesicht nicht gebraucht, der liegende Patient soll im Gesicht des Analytikers nichts ablesen können, was ihn von der eigenständigen Bearbeitung seiner seelischen und familiären Probleme ablenkt. Der Patient, wenn die Analyse gelingt, verzichtet auf das Gegenüber des Gesichts, er nimmt den Analytiker nicht als Person wahr, sondern nur als Stimme - und gewinnt damit Hilfe zur Selbsthilfe, eigenständige Orientierung. In dieser Reduktion, dem Verzicht auf das Sehen, liegt ein Grund für den psychologischen Gewinn der Analysestunden.

Der Patient verzichtet auf das Gegenüber des Gesichts, während der Passant, Fußgänger oder der Konzertbesucher auf das Gespräch verzichtet, aber das Gesicht gewinnt. Bei einer zufälligen Begegnung des Passanten mit einem anderen Spaziergänger im Park oder einer anderen Einkäuferin in der Fußgängerzone oder mit dem Sitznachbarn im Konzertsaal werfen sich beide für einen Moment nur einen Blick zu: Das heißt, sie nehmen sich gegenseitig wahr, registrieren die Anwesenheit des anderen - und gehen weiter oder setzen sich hin. Der kurze Blick in das Gesicht, vor allem in die Augen des anderen, lässt den Passanten mindestens so etwas wie einen Eindruck, ein Bild, eine Momentaufnahme von der Person des anderen gewinnen. Bei diesem ersten Eindruck scheint stets das Gesicht das Entscheidende zu sein, nicht die Kleidung, nicht die Silhouette oder die Statur. Aus diesem einen momentanen Blick müssen sich keine Konsequenzen ergeben. Der eine Passant sieht den anderen und geht weiter. Er denkt sich nichts dabei, er kann den Unbekannten im wahren Sinne des Wortes einfach weitergehen lassen. In einigen Fällen aber entzündet sich die Phantasie des wahrnehmenden Passanten am unbekannten Gegenüber: Was könnte das für ein Mensch sein? Wie wäre es, wenn ich als Passant grüßen oder ein Gespräch mit dem Anderen beginnen würde? Wenn der Passant einen Schritt aus der Gleichgültigkeit heraus unternimmt, dann wird aus dem Wahrnehmen ein Kennenlernen. Der Blick auf das Gesicht des anderen erweitert sich um weiter visuelle, akustische, emotionale und intellektuelle Eindrücke.

Weil die Wahrnehmung der Gesichter anderer Menschen den Alltag prägt und selbstverständlich ist, hat sie auch erheblichen Einfluss auf die Darstellung des Gesichts in der Kunst, auf die Maske, die Gattung des Porträts, des Selbstbildnisses, der Porträtphotographie und des mit dem Aufkommen des Smartphones in Mode gekommenen Selfies.

Mehr noch als Körper, Statur, Haltung macht das Gesicht einen Menschen einzigartig und unverwechselbar. Das Gesicht leitet und konzentriert die Wahrnehmung. Der Blick in die Augen des Anderen signalisiert Nähe oder Distanz, Abwehr oder Sympathie, in sehr vielen Fällen auch Gleichgültigkeit. Wer am Sonntagnachmittag im Park spazieren geht, wird nicht jeder Person, deren Gesicht der Passant wahrnimmt, ein Gespräch anbieten. Aus den vielen Gesichtern einer Menschenmenge fallen einzelne Gesichter auf, die besonders sympathischen und die besonders unangenehmen, die aus welchen Gründen auch immer auffälligen, die anrührenden und die bewegenden Gesichter. Das Gesicht, das der Passant im Alltag wahrnimmt, übt eine bleibende Faszination aus, und die Kunst hat sich dieser Faszination bedient und vielfältige Techniken entwickelt um Gesichter darzustellen: Porträtmalerei, Skulptur, Fotografie und anderes mehr.

Das Porträt – als Foto oder als gemaltes oder gezeichnetes Bild – zeigt mit dem Gesicht einen unverwechselbaren Menschen. Das gilt in besonderer Weise für das Passfoto. Nicht von ungefähr müssen die Fotos für die aktuellen, maschinenlesbaren Personalausweise eine Reihe von biometrischen Voraussetzungen erfüllen: Der Gesichtsausdruck muss neutral und ernst sein, der Fotografierte darf auf keinen Fall lachen. Ein Ohr muss sichtbar sein. Schatten im Hintergrund sind unerwünscht. Die Maschine, die das Foto des Reisepasses scannt, interessiert sich nicht für Menschen. Für sie ist das Gesicht eine unverwechselbare, identifizierbare Abfolge von Zahlenreihen mit bestimmten wiederkehrenden Mustern. Diesem Vorgang des Scannens fehlt das Spiel von Sympathie und Antipathie, es geht um ein Überwachen, und das hat noch stets den Argwohn der Überwachten geweckt.

Für das, was hinter dem Gesicht liegt, für das Innenleben der Person, ihr Bewusstsein, ihren Intellekt und ihre Lebensgeschichte, interessiert sich die Maschine nicht, sie ist nicht in der Lage, Gesichter zu verstehen. Beobachter, Passanten, Gesprächspartner interessieren sich dagegen sehr wohl für die Gesichter der anderen – und für das, was sich dahinter verbirgt, und in der Folge auch für das eigene Gesicht. Das Gesicht, so die Unterstellung, zeigt nicht nur das unverwechselbare Äußere einer Person, sondern es gewährt auch einen Blick in das Verborgene, in das, was unter der Haut liegt. Diese Verbindung von Innenleben und Gesicht lässt sich allerdings nicht in einer stabilen berechenbaren Gleichung darstellen. Diese Verbindung macht Arbeit, sie hat ihren Preis, sie muss dechiffriert und gedeutet werden, und in diese Deutung fließen die Voraussetzungen der deutenden Person mit ein.

Mehr noch als ein Körper, seine Statur, seine Haltung macht das Gesicht einen Menschen unverwechselbar. Das Gesicht leitet und konzentriert die Wahrnehmung. Der Blick in die Augen des Anderen signalisiert Nähe oder Distanz, Abwehr oder Sympathie. Gesichter werden dargestellt, in der Fotografie, in der Porträtmalerei, in der Skulptur, im Scherenschnitt oder durch einen ganz unkünstlerischen Schnappschuss. Das Gesicht zeigt im Porträt und vor allem auch im Passfoto einen unverwechselbaren Menschen.

Und das gilt offensichtlich durch die historischen Zeiten hindurch. Immer steht das Gesicht im Zentrum emotionaler und intellektueller Aufmerksamkeit. Das Gesicht kann sozusagen gar nicht aus der Mode geraten. Es wird fotografiert, geknipst, gemalt, gezeichnet, modelliert. Es wird, auf welche Weise auch immer, dargestellt. Dabei unterscheidet es die Moderne von anderen Epochen, dass durch die allgemeine Verfügbarkeit und leichte Handhabbarkeit der Fototechnik die Menge der Darstellungen ins Ufer- und Maßlose gewachsen ist. Umso größer werden die Unterschiede zwischen künstlerisch anspruchsvoller, intellektuell durchdachter Darstellung des Gesichts und dem Gelegenheitsporträt, insbesondere dem zufälligen Porträtfoto oder Selfie, das jeder mit der Kamera des Smartphones schießen kann. Zwei Beispiele für anspruchsvolle Porträtprojekte sollen das illustrieren.

Auf der Internetseite  Facity[1] sind seit einigen Jahren jeden Tag neue Gesichter aus Städten Europas, Amerikas und Asiens zu sehen. Jeder Headshot ist aus derselben Perspektive fotografiert: das Gesicht frontal von vorne, kein Lachen oder Lächeln, keine sichtbare Kleidung, die Haare zurückgekämmt oder zurückgesteckt, das Licht möglichst neutral, es wirft kaum Schatten. Die Fotosituation, die stets die gleiche bleibt, wirkt hell, klar, offen, warm. Mittlerweile ist man bei über 4300 Porträts angelangt. Das Projekt macht jene merkwürdige Mischung aus Gleichheit, Individualität und Diversität deutlich, die Gesichter auszeichnet. Jedes Gesicht wird unter denselben Beleuchtungsbedingungen fotografiert. Über jeden der Porträtierten ist nicht mehr zu erfahren als Vorname, Alter, Beruf und die Stadt, in der das Porträt aufgenommen wurde. Man könnte nun meinen, das ganze Projekt würde irgendwann an seiner Gleichförmigkeit scheitern. Aber das ist nicht der Fall. Die immer gleiche Perspektive erhellt zum einen die Gemeinsamkeiten der Menschen, sie macht etwas von der Gleichheit deutlich, die sich ergibt, wenn die durch Kleidung, Umgebung und andere Merkmale produzierten Milieuunterschiede wegfallen. Genauso sehr sieht der Betrachter aber plötzlich die Unterschiede zwischen Menschen, die sich allein aus dem Gesicht ergeben. Diese Unterschiede wären nun durch das Erzählen von Lebensgeschichten erklären und aufzulösen, aber genau dieser Verzicht auf Erklärungen macht das Projekt so faszinierend. Gesichter, Menschen, die einen Betrachter anschauen, zumal so frontal und direkt wie bei Facity, fordern den Gegenblick und die Reflexion heraus. Wer sich durch zehn, zwanzig oder noch mehr dieser Porträts geklickt hat, wird wie von selbst sensibler für die feinen Unterschiede zwischen Augen, Mündern, Nasen, Wangen, Stirn- und Kinnformen. Es wird die schillernde Dialektik zwischen Gleichheit und Individualität sichtbar – und gleichzeitig spürt der Betrachter, ohne dass er darüber nachdenken muss, etwas von dem Respekt, den er solcher Individualität, jedem einzelnen Gesicht schuldet.

Ganz anders ging der Fotograf Nicholas Nixon[2] vor. Zwischen 1975 und 2014 fotografierte er jedes Jahr im Sommer seine Frau Bebe und deren drei Schwestern Heather, Mimi und Laurie. Es könnten noch weitere Jahresfotografien hinzukommen, das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Die Vierer-Porträtaufnahmen zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Positionen vier Frauen, die langsam über die Jahre älter werden. Es werden Veränderungen sichtbar, die niemand bemerken würde, wenn er diese vier Personen einmal im Jahr sieht, weil dem Beobachter der Blick für die Veränderungen von Körper, Gesicht, Person in der Zeit fehlt. Die langsame Veränderung von Körpern und Gesichtern wird durch die jeweilige Gegenwart eingelullt, sie bringt Zeit, Wandel und Veränderung unmerklich zum Verschwinden. Die Fotos, im Abstand von je einem Jahr gemacht, heben dieses Einlullen der Zeit auf und machen genau diese Veränderungen sichtbar. Und dabei ist anderes im Blick als Veränderungen des Haarschnitts, der Kleidungsgewohnheiten und der gefürchteten zunehmenden Falten im Gesicht. Es geht um mehr als die flapsig dahingeworfene Bemerkung: Du bist aber dick geworden.

Nixon gelingt es, in diesen Gesichtern Lebensgeschichten deutlich zu machen. Von ihnen erfährt der Betrachter - wie beim Projekt Facity – nichts. Aber er spürt diese Veränderungen deutlich, je genauer er sich mit den langsamen Verwandlungen des Alters beschäftigt, welche die porträtierten Frauen durchmachen. Nixon hat sein Projekt auf ein Foto pro Jahr beschränkt. Das Foto entsteht jeweils bei einem jährlichen Familientreffen, und die vier Frauen haben sich das Recht ausbedungen, sich aus einer Auswahl jeweils für ein bestimmtes Foto zu entscheiden. Gerade in dieser Reduktion auf ein Foto pro Jahr liegt ein Moment der Konzentration und der Steigerung, die nur verloren gehen würde, wenn die Zahl der jährlichen Fotos gesteigert würde, was ja technisch ohne weiteres möglich wäre. Aber der Kern der Kunst besteht darin, das Machbare auf das Entscheidende, auf den Kern einer Sache – in diesem Fall von vier Personen – zu reduzieren.

2. Protestantismus und Theorieprotestantismus

Am Gesicht und dessen verdichteter Kunst- und Darstellungsform, dem Porträt, faszinieren Aspekte seiner Alltäglichkeit, die allen Brüchen und Widersprüchen moderner Lebenserfahrung trotzt, Momente der darin enthaltenen Zeitlichkeit, Individualität und Lebensgeschichte sowie der Gleichheit von Menschen, die jeder für sich ein Gesicht besitzen, das sie von allen anderen unterscheidet. Menschen können gar nicht anders als ungezwungen und alltäglich mit Gesichtern umzugehen, schon deshalb, weil sie sich sozial orientieren müssen. Gleichwohl ist die Frage zu stellen, ob sich dieser alltägliche und unreflektierte Umgang mit Gesichtern auf eine theoretische Ebene heben lässt. Verstehen wir, was wir tun, wenn wir beim Flanieren Gesichter an uns vorüberziehen lassen oder Porträts, sei es als Foto oder Bild, betrachten?

Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich hat sich bei seinen Überlegungen zu Selfies, Porträts und Gesichtern von einer Haltung leiten lassen, die er als Theorieprotestantismus[3]  bezeichnet. Damit ist keine theologische, sondern eine sozialphilosophische Haltung gemeint, aber der Ausdruck bleibt  selbstverständlich eine Herausforderung für einen protestantischen Theologen. Der Protestant hält sich in Ullrichs Perspektive an das Bilderverbot: Gott ist weder im Bild noch im Begriff noch in irgendeiner anderen Vorstellung darstellbar. Der Theorieprotestant überträgt diese Figur auf die Wirklichkeit selbst. Die Wirklichkeit ist in keiner noch so anspruchsvollen Theorie darstellbar, nicht Kritische Theorie, nicht Systemtheorie, nicht Konstruktivismus, nicht Milieutheorie, nicht Realismus, nicht Idealismus, nicht Evolutionstheorie. Deswegen muss die Wahrheit von Theorien prinzipiell bestritten werden. So wie die Glaubenden protestantisch durch Werke nicht zu Gott gelangen, gelangen auch Philosophen und Naturwissenschaftler durch Theorien nicht zur Wirklichkeit selbst. Die Glaubenden sind auf die Gnade Gottes und den Geist angewiesen. Diese Unmittelbarkeit einer Wahrheit stiftenden Gnade steht den Theorieprotestanten nicht zur Verfügung. Der Sprung in eine unmittelbare Wahrheit geht in jedem Fall ins Leere. Damit befreien sich die Theorieprotestanten von den vereinnahmenden, nach Konsequenzen rufenden Ansprüchen der Wahrheit und bewahren zu ihrem eigenen Gegenstand, der Wirklichkeit selbst, Distanz. Theorien bleiben Fiktion, ein Spiel mit der Wirklichkeit, das sich bewähren kann, aber nicht muss. Ullrich spricht von der prinzipiellen Gleichheit aller Theorien. „Sie stehen für ihn alle in keiner nachprüfbaren oder beeinflussbaren Beziehung zu einer Wahrheit. Was ein Theoretiker tut, ist somit unabhängig von einer höheren, allgemeingültigen Instanz, nach der man sich richten müsste; es ist eben Fiktion, ein spezieller Blick auf die Welt (…).“  Ullrich lockert die Wahrheitsansprüche von Theorien auf und verlegt sich stattdessen lieber auf einen essayistischen Zugang zu Wahrheit und Wirklichkeit. Der Kulturwissenschaftler probiert (französisch essayer = versuchen) Theorien aus und spielt mit ihnen. Er schreibt Essays. Dafür eignen sich Blogs und Websites sehr viel besser[4] als wissenschaftliche Aufsätze in Zeitschriften und Büchern. Essays sind „Lockerungsübungen“ für das Verhältnis des Theoretikers zur Wirklichkeit.

Diese theorieprotestantischen Überlegungen Ullrichs sind aus mehreren Gründen von besonderem Interesse. Zum einen lassen sie sich auf Ullrichs eigene Bildtheorie anwenden, mit der ich mich im Folgenden[5] noch auseinandersetzen will. Zum anderen ist die Theorie der Gesichter, Porträts und Selbstporträts in ihrer schillernden Vielfalt in besonderer Weise auf diesen skeptischen Experimentalcharakter von Essays angewiesen. Theorieprotestantismus bedeutet nicht Verzicht auf Theorie, wohl aber eine Auslagerung von Wahrheits- und Plausibilitätsansprüchen. Theorie kann Wirklichkeit nicht einfangen, höchstens kleine Teile davon. Genau das aber sollten Protestanten wie Theorieprotestanten weiter versuchen.

Die Abbildung von Gesichtern in Porträts, Fotografien oder Selfies folgt einer bestimmten Geschichte. Im Folgenden will ich einigen ihrer Verwandlungen folgen, in Auseinandersetzung mit den Thesen von Wolfgang Ullrich[6] und Hans Belting[7]. Dabei tendiert der Karlsruher Kunsthistoriker Belting dazu, die Kunstgeschichte des Porträts nach vorne abzubrechen. Für ihn sind die modernen Entwicklungen nicht viel mehr als Verfallserscheinungen. Ullrich geht genau umgekehrt vor. Für ihn sind die historischen Entwicklungen nicht mehr interessant, weil er seinen Blick zu ausschließlich auf die modernen Phänomene legt.

Der protestantische Theologe, wenn er sich mit Gesichtern auseinandersetzt, blickt zuerst in die Bibel.

3. Das glänzende Gesicht

Die biblischen Reflexionen über das Gesicht zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur über den Blick auf die Gesichter anderer Menschen[8] nachgedacht wird, sondern dass die biblischen Autoren ausdrücklich den Wunsch thematisieren, Gott selbst ins Angesicht zu blicken. Mose, der sein Volk aus Ägypten führt, zählt zu den wenigen, die Gott im Dornbusch und später auf dem Berg Sinai unmittelbar begegnen. Als er vom Sinai nach der Offenbarung des Dekalogs wieder heruntersteigt und den ersten Menschen seines Volkes begegnet, glänzt die Haut seines Angesichts (Ex 34,14), weil er mit Gott geredet hat. Sein Gesicht hat sich verändert, es ist durch die Gottesbegegnung ausgezeichnet, und entsprechend fürchten sich diejenigen, die ihn sehen. Darum bedeckt er, wenn er mit dem Volk redet, sein Gesicht mit einer Decke (Ex 34,33ff.). Dass er Gott auf dem Berg unmittelbar gesehen hat, das sondert Mose von den anderen Menschen ab.

Diese Begegnung stellt sich der Autor des Deuteronomiums wie eine Begegnung zwischen Menschen vor: „Der HERR aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.“ (Ex 33,11) In dieser einen einzigartigen Ausnahme begegnen sich Gott und Mensch auf Augenhöhe. Dennoch besteht hier in der Überlieferung, die im Pentateuch nicht einheitlich ist, eine Spannung. Die unterschiedlichen Erzählungen widersprechen sich.

In der Gottesbegegnung von Ex 32 äußert Mose gegenüber Gott den Wunsch, dessen Angesicht zu sehen. Und Gott lässt die direkte Erfüllung dieses Wunsches nicht zu. Er antwortet, dass er die Offenbarung des JHWH-Namens für wichtiger hält als das „Sehen“ Gottes (Ex 33,19). Und dann folgt die Ablehnung des Wunsches, Gottes Angesicht zu sehen, mit der Begründung: „(…) denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ (Ex 33, 20) Daraus wird dann sehr viel später im Johannesevangelium das Jesuswort: „Niemand hat Gott jemals gesehen.“ (Joh 4,12). Allerdings schlägt Gott im Buch Exodus Mose den Wunsch nach dem Sehen des Gesichtes Gottes nicht einfach ab. Stattdessen fordert er Mose auf, sich in eine Felsspalte zu stellen. Dort hält Gott die Hand vor Mose und zieht an ihm vorüber, so dass Mose nicht Gottes Gesicht, wohl aber seinen Rücken sehen kann. Mose darf hinter Gott her blicken. Aber JHWH wiederholt ein zweites Mal das Verbot, sein Angesicht zu sehen (Ex 33,21-23).

Biblisch ist also das Gesicht offensichtlich vor anderen Körperteilen ausgezeichnet. Wer das Gesicht eines Menschen sieht, sieht zugleich damit seine sichtbare Identität. Deswegen erscheint das Verbot, Gottes „Angesicht“ zu sehen, nur folgerichtig, mit dem Sehen des Angesichts Gottes wäre dieser sozusagen durchschaut, das letzte von Gottes Geheimnissen wäre offenbart, darum lehnt Gott dieses Ansinnen des Moses auch ab. Daraus ergeben sich Folgerungen für den Blick in ein anderes Gesicht und auch für die Abbildung eines anderen – menschlichen – Gesichts, zusammen mit der These von der Gottebenbildlichkeit und dem Bilderverbot. Wer in das Gesicht eines anderen Menschen blickt, kann diesen anderen Menschen niemals vollständig durchschauen; es bleibt stets der Rest eines Geheimnisses, das sich nicht vollständig aufdecken lässt. Auch für den Blick in ein anderes Gesicht gilt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Art. 1,1 GG)[9] Ein Porträt oder eine Fotografie, welche ein Gesicht darstellt, sollte dieses Geheimnis und den gestalterischen Respekt davor stets zu wahren wissen.

Im Neuen Testament, in 1Kor 13 nimmt Paulus diesen Gedanken auf und überträgt ihn auf die gesamte Wirklichkeit. Er qualifiziert alles menschliche Sehen als vorläufig und kindlich. Wahrnehmung geschieht wie durch einen Spiegel, es kann sich nur ein „dunkles Bild“ ergeben, das bruchstückhaft und nicht vollständig ist. Mit der Ankunft des Reiches Gottes verändert sich der Charakter des Sehens: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ (1Kor 13,12) Daraus ergibt sich zweierlei: Schon Paulus war ein Theorieprotestant, aber eben als Theologe. Bei ihm sind Wirklichkeit und Gottesvorstellung darin verknüpft, dass in diesem Leben Gott und Wirklichkeit „dunkle Bilder“ bleiben, die sich dem Blick des Menschen nicht vollständig erschließen. Die Aufhebung dieses dunklen Blicks bzw. dieser Spiegelverkehrung ist jedoch prinzipiell nicht unmöglich. Wenn sie allerdings geschieht, dann kann nur Gott ihr Urheber sein. Das zweite: Auch dem Blick in ein anderes Gesicht im Alltag haftet etwas Vorläufiges an. Das gilt genauso für den Blick auf ein gemaltes oder fotografiertes Porträt. Das Geheimnis des Gesichts lässt sich biblisch gesehen in dieser Welt nicht vollständig aufdecken. Das wahre Gesicht zeigt sich erst im Anbruch des kommenden Reiches. Das Alltagsgesicht verbirgt sein Geheimnis. Und es verbirgt noch anderes mehr.

4 Das alltägliche Gesicht

Ein Gesicht ist wie eine Kugel in einem Billardspiel: Sie erhält Impulse von anderen Kugeln, und sie gibt ihrerseits Impulse weiter. Manchmal erscheint das Gesicht durchsichtig und eindeutig, es erreicht mit seinem Strahlen oder mit seiner Traurigkeit sein Gegenüber und berührt es; es löst beim anderen eine Reaktion aus. Und es gibt den Blick ins Innere der Person frei. Aber das muss nicht notwendig so sein, es kann auch undurchsichtig, verschlossen, unnahbar bleiben. Und manchmal ist es besonders schwierig, Zustände der Offenheit und der Verschlossenheit voneinander zu unterscheiden.

Kinder sind sich dieser Unterscheidung von innen und außen noch nicht bewusst. Darum ist ihnen jede Stimmung und jedes Gefühl unmittelbar anzusehen. Sie lächeln und sie nehmen Kontakt auf. Sie zögern mit hartem, abweisendem Kinn, und sie wenden sich ab, aus Scheu, Angst oder Unsicherheit. Je erwachsener Kinder werden, desto mehr lernen sie, ihr Inneres zu verbergen oder sich gar zu verstellen. In der Pubertät wollen Jugendliche nicht fotografiert werden, weil sie Angst haben, dass jeder, der ihr vermeintlich unschönes Äußeres mit allen Pickeln und Mitessern wahrnimmt, zugleich auch ihr durcheinander geratenes Inneres wahrnimmt, dessen sie sich schämen, weil sie noch nicht in der Lage sind, Ordnung zu schaffen, sprich erwachsen zu werden. Erst wenn sie mit dem Erwachsenwerden diesen pubertären Zustand überwunden haben, dann beherrschen sie das Spiel des Wechsels von Nähe und Unnahbarkeit souveräner und lassen sich nicht mehr so einfach aus der Ruhe bringen.

Das unbekannte Gesicht eines anderen, in das jeder Mensch im Alltag mehrmals am Tag blickt, ist wechselhaft, schwer zu deuten, wandelbar, lesbar und unlesbar zugleich. Das unbekannte Gesicht ist etwas Anderes, eine andere Person – und dennoch auch bekannt, denn wegen der Gleichheit ist der andere auch wie ich. Beim Blick in ein Gesicht zeigt sich Unähnliches und Ähnliches, damit beginnt ein Spiel von Sympathie und Abgrenzung.

Jeder Mensch ist mit bestimmten Klischees, Perspektiven, Bausteinen aufgewachsen, was das Sehen von Gesichtern angeht. Das fängt mit dem Neugeborenen an, das als erstes lernt, die Gesichter seiner Eltern wieder zu erkennen, damit es eine Bindung zu seinen ersten Bezugspersonen entwickeln kann. Der britische Kunsthistoriker Simon Schama[10] hat von dem ergreifenden Moment erzählt, in dem ihn seine neugeborene Tochter nach der Geburt das erste Mal anblickt, auch wenn sie vermutlich nur verschwommene Konturen ihres Vaters erkannte. Aber bereits im vierten Monat ihres Lebens sind Babys dann in der Lage, die Gesichter ihrer Bezugspersonen wiederzuerkennen. Dieses Moment der Wiedererkennung, der Erinnerung und des Bekanntseins spiegelt sich dann später in der Kultur des gemalten Porträts, aber genauso im maschinenlesbaren Porträt des Personalausweises oder Reisepasses. Davon wird noch zu reden sein.

Das Gesicht ist das am meisten Individuelle am Körper. Deswegen sind Menschen darauf konditioniert, Gesichter zu unterscheiden und wiederzuerkennen. Beim restlichen Körper verhält sich das anders: Für Statur, Hände, Beine und Figur stehen dem wahrnehmenden Bewusstsein sehr viel weniger Unterscheidungsmerkmale zur Verfügung. Das Zusammenspiel von Augen, Mund, Kinn, Nase, Stirn und Haaren dagegen verhilft dem Gegenüber zu differenzierter Wahrnehmung. Am Gesicht sind nicht nur das Aussehen, die Besonderheit eines Menschen abzulesen, sondern auch seine Befindlichkeit und seine Stimmung. Traurigkeit oder Freude, Fröhlichkeit oder Depression, Gleichgültigkeit oder Langeweile kann der geübte Beobachter aus dem Gesicht erkennen. Es macht einen Unterschied, ob der Blickende eine solche Wahrnehmung unbewusst oder bewusst registriert. Die unbewusste Wahrnehmung lässt er einfach in sein Sprechen oder Handeln, in den Umgang mit dem Anderen einfließen. Die Übung in der Wahrnehmung eines anderen Gesichts verändert sich mit den Jahren. Je älter eine Person wird, desto vergesslicher wird sie, desto mehr kann sie sich aber auch auf bestimmte Gesichter konzentrieren.

Beim Sehen von anderen Menschen entwickeln sich Interessen, Vorlieben und Gewohnheiten. Die Menschen, die der Beobachter nicht kennt, schaut er anders an als diejenigen, die er kennt. Erotische Vorlieben können eine Rolle spielen. Bei Menschen, die man nicht kennt, wird man strenger, kritischer, manchmal vielleicht auch abfälliger reagieren als bei denjenigen, die man kennt. Viele Menschen beobachten ausgesprochen gerne, setzen sich auf eine Bank im Park oder in ein Café in der Fußgängerzone, um die vielen Spaziergänger und Passanten zu sehen, die an ihnen vorüberkommen. Sie werfen ihnen einen einzigen, schnell vergessenen, vorübergehenden Blick zu. Zwingend ist das allerdings nicht, nicht alle teilen diese Vorliebe. Es gibt Spaziergänger und Passanten, die laufen, ohne nach links und nach rechts zu blicken, ohne etwas von den Gesichtern wahrzunehmen, die um sie herum zu sehen sind. Von den Menschen, die jemand nur im Vorübergehen sieht, bekommt er nur einen flüchtigen, äußerlichen Eindruck, aus dem alles andere hervorgeht. Das Gesicht der anderen erzeugt eine Wahrnehmung und mit dieser Wahrnehmung eine Phantasie, eine kleine, flüchtige Vorstellung zum Beispiel darüber, wie es wäre, diesen Menschen kennenzulernen.

Den Menschen, der dem Beobachter mit Namen vorgestellt wird, auf den richtet sich seine Aufmerksamkeit. Dann treten zur Wahrnehmung des Gesichtes weitere Wahrnehmungen hinzu, vor allem die Stimme, die Reaktionen des Gegenübers und, wenn das Gespräch länger anhält, seine (Lebens-)Geschichte. Je genauer jemand einen anderen Menschen kennenlernt, desto besser kann er seine Beobachtungen in ein Gesamtbild einordnen, desto differenzierter verteilen sich Sympathie und Antipathie. Das Gesicht bildet dabei sozusagen das Eingangstor, um ihn kennenzulernen. Das Gesicht ist die Pforte des Ich. Darum wird das Gesicht im westlichen Kulturraum in der Regel nicht verdeckt. Darum irritiert es so sehr, wenn muslimische Frauen sich verschleiern und mit dem Tschador über das Kopftuch, welches nur das Haar bedeckt, hinaus auch das Gesicht bedecken und nur noch einen Sehschlitz für die Augen freilassen. Damit wird die Grammatik des Sehens und Gesehenwerdens, die in Europa traditionell geworden ist, durchbrochen.

5. Das individuelle Gesicht

Gesicht und Ich stehen zueinander in einem engen Zusammenhang. Das Ich bringt sich im Gesicht zum Ausdruck, Individualität bringt sich auf die Bühne der eigenen sichtbaren, körperlichen Oberfläche. An diesem Zusammenhang hält Belting zu Recht fest. Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht fixierbar. Denn zum einen ist das Ich zu differenzieren in Selbst, Identität und die sozial ihm zugeschriebene Rolle, zum anderen ist das Verhältnis von innerem Selbst und äußerlichem Gesicht seinerseits Gegenstand von Gestaltung, Planung und Vorspiegelung.

Belting übernimmt die philosophische Unterscheidung von Selbst und Ich. Selbst ist für ihn das Produkt einer Lebensgeschichte, Ich der Ausdruck einer spontanen Befindlichkeit oder aktuellen Situation. Das Selbst kann darum nicht in einem – zufälligen – Gesicht beschrieben werden, sondern benötigt eine Folge oder Verdichtung von Gesichtern zu einem einzigen, konzentrierten Gesicht, das etwas von der Lebensgeschichte dieses Individuums deutlich macht: „Nicht in einem einzigen Gesicht, sondern erst in einer Folge von Gesichtern, beginnend mit der Einübung in der Kindheit, kommt jene schwer zu bestimmende Kohärenz zustande, die wir gewöhnlich als ein Selbst akzeptieren, als ein Selbst, das sich mit dem Lebensalter zugleich verändert und festigt. Die Spuren des Alters, die sich im Gesicht eingraben, bezeugen das Selbst in der Einheit seiner Lebensgeschichte.“[11] Das Gesicht ist so etwas wie die nach außen sichtbare Summe und Verdichtung derjenigen inneren und äußeren Vorgänge, die sich zu einer Lebensgeschichte amalgamieren. Das gilt für Lebensgeschichten, die erzählt werden, wie solche, die gleichsam unbewusst mitlaufen. Das Gesicht ist der Showroom der Lebensgeschichte, Gegenstand von bewusster Gestaltung wie von Offenbarung verborgener psychischer Verwicklungen. Jede Person ist in der Lage, seinen Gesichtsausdruck verstellen.

Für sich genommen ist das Gesicht nicht zu haben. Es braucht die zusätzliche Information über das Selbst, den Kern einer Person, wie er sich über die Jahre entwickelt.  Darum unterliegt, wer als Passant ein schönes, faszinierendes Gesicht sieht, oft einer Täuschung. Weil er die Lebensgeschichte nicht kennt, die im Gesicht verborgen ist, schafft er sich Raum für die eigene Phantasie, die das Gesicht mit Wünschen und eigenem Begehren (dem des Betrachters) anreichert. Am Ende seiner Reflexionen schreibt Belting, dass mit der Fülle der Fotografien und Schnappschüsse das Gesicht verlorengegangen ist. Auf den Fotografien seien nur noch wertlose Masken und Posen zu sehen. Aus den immer gleichen Porträtbildern sind für ihn Lebensgeschichte und Individualität verschwunden. Aber nach meinem Befund ruft Belting den Tod der Gesichter aus, bevor das faciale Spiel zu Ende ist.

Das endgültige Gesicht, schreibt er, findet sich erst in der Totenmaske, weil das letzte Gesicht, eben die Maske des Toten, sich nicht mehr verändern kann. Aber: Statt über die Verbindung von Gesicht, Tod und Stillstand wäre über die Verbindung von Gesicht, Leben und Veränderung nachzudenken. Das Gesicht zeigt eben beides, geronnene, also vergangene und mögliche, also zukünftige Lebensgeschichte. Für mein Empfinden betont Belting das Moment der Maske, des Statischen ein wenig zu sehr.

Im Gesicht drückt sich etwas vom Selbst aus, aber Innen und Außen müssen nicht notwendig übereinstimmen. Belting fasst das in die Formel, das Gesicht sei selbst eher Bühne, nämlich für den Versuch des Selbst, sich als eine bestimmte Person zu präsentieren, als verlässlicher Spiegel, nämlich der Identität, des wahren Selbst einer Person. Das eigene Gesicht kann das Selbst durch „Ausdrucksarbeit“ beeinflussen.[12]

Aus diesem Grund ist der zufällige Eindruck von einem Gesicht auch nicht verlässlich. Deswegen ist bei jedem Porträt darauf zu achten, ob es nur eine Momentaufnahme zeigt oder ob es – wie vor allem beim gemalten Porträt – etwas vom Typischen, alteuropäisch vom Charakter einer Person zum Ausdruck bringt. Im Alltag verändert sich ein Gesicht in jedem Moment, Inneres und Äußeres, momenthafter Ausdruck und dauernder Charakter sind nicht zur Übereinstimmung zu bringen. Ein Bild, gleich ob Fotografie oder Gemälde, fixiert etwas, was gar nicht fixiert werden kann. In einem Zeitalter des technologischen Fortschritts fällt das kaum noch auf: Jeder fotografiert, jeder bildet ab, jeder stellt dar. Kein Gesichtsausdruck kann zum Stillstand gebracht werden. Es ist der Versuch, dem Wandelbaren und sich ständig Verändernden eine fixierte Gestalt zu geben.

Das Ich stellt sich im Selbst dar, es kann sich aber auch verbergen. Es kann eine Maske anlegen, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Eine Maske verhüllt. Sie verwandelt die Person mit dem individuellen Gesicht zu einer anderen Person.

6. Das maskierte Gesicht

Aus Beltings Geschichte des Gesichts[13] lässt sich über Masken folgendes entnehmen: Ursprünglich erfüllten Masken drei Funktionen. Am Ende des Lebens nahm man dem Toten eine Totenmaske ab, um die Erinnerung an das Gesicht des lebenden Verstorbenen zu bewahren. Masken wurden im Kult aufgesetzt, um aus dem Maskenträger einen Gott oder eine mythische Figur zu machen. Aus dem Kult ging das Theater hervor, und im Theater trugen die Schauspieler Masken, um andere Menschen darzustellen.

Es ist der wesentliche Unterschied zwischen Maske und Gesicht, dass das Gesicht seinen Ausdruck in jedem Moment wechselt, es kann in seinem Mienenspiel nicht fixiert werden. Fixiert ist die Maske, sie legt ihren Träger auf einen bestimmten Ausdruck fest, und diesem Ausdruck kann der Träger nicht entkommen.

Die Totenmaske ist stillgestellt, denn das Gesicht des Toten kann sich nicht mehr verändern; stattdessen verwest das Gesicht, bis es auf den Knochen reduziert, zum Schädel geworden ist.

Im Theater gilt: Schauspieler setzen eine ‚Maske‘ auf, indem sie einen anderen Menschen spielen. Sie tragen eine (psychologische) Maske, ohne eine Gesichts-’Larve‘ zu tragen, was in der Zeit des antiken Anfangs des Theaters durchaus üblich war.

Denn es wurde schnell deutlich, dass der Mensch nicht nur Masken aus Holz und anderen Materialien aufziehen kann. Dieses Tragen einer Gesichts-Maske ist aber über Theater und Schauspiel hinaus auch ein wesentliches Erfordernis der bürgerlichen Gesellschaft. An die Stelle roher, entstellender und für die Gemeinschaft gefährlicher Emotionen und Ausbrüche treten Masken aus Höflichkeit, die alle Konflikte abfedern und verhindern, dass unberechenbare Ausbrüche aus dem eigenen Innern auftauchen und ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Der in Höflichkeit maskierte Bürger muss selbst dafür sorgen, wie er mit dem Tohuwabohu in seinem Innern verfährt. Und das kann zu einem großen Problem werden, wenn er sich zum Beispiel nicht mehr beherrschen kann.

Das Gesicht selbst kann also eine Maske sein, hinter der sich ein anderes (wahres?) Ich verbirgt. Der Mensch, der körperlich Träger seines Gesichtes ist, zieht eine Maske auf und spielt in dieser Maske in der Gesellschaft eine Rolle. Im Unterschied zur starren Holz- oder Gipsmaske ist die Gesichts-Maske in ihrer Mimik und in ihren unterschiedlichen Ausdrucksweisen variabel. Das Gesicht markiert in dieser Perspektive eine Grenze zwischen öffentlich sichtbarem Körper, den die anderen, Gesprächspartner, Kollegen, Freunde stets wahrnehmen, und einem inneren, verborgenen Ich oder Selbst, das sich von dieser öffentlichen Rolle erheblich unterscheiden kann, aber nicht muss. Beide Aspekte, der öffentliche und der innere, sind miteinander verbunden. Und es gehört Menschenkenntnis und geschulte Wahrnehmung dazu, im Gesicht des anderen nicht nur die Selbstverständlichkeiten seines sozialen Ich, sondern auch das dahinter verborgene Ich, wie immer es gestaltet sein mag, zu entdecken. Umgekehrt kann das Ich das Spiel mit seinen eigenen sozialen Masken perfektionieren, um sich in der Öffentlichkeit auf eine bestimmte Weise darzustellen. Diesen Zusammenhang zwischen Maske und Gesicht verstanden zu haben, bedeutet noch nicht, ihn bei jeder einzelnen Person, die dem Beobachter begegnet, auch zu durchschauen. Belting[14] kann auf bestimmte Redewendungen verweisen: Jemand zeigt sein „wahres“ oder „nacktes“ Gesicht. Wer nicht auf seinen Gesichtsausdruck achtet und eine Katastrophe oder Demütigung erlebt, dem kann das Gesicht „entgleiten“.

Die Aufklärung und ihre Nachfolger waren davon besessen, aus dem Äußeren auf Wesen, Charakter, Seele des Menschen schließen zu können. Johann Kaspar Lavater versuchte sich an der Physiognomie, andere an der Phrenologie. Beide Wissenschaften sind, unabhängig von der Scharlatanerie, die dem beigemischt ist, Versuche, hinter die Masken des Menschen zu blicken, sein authentisches Gesicht zu entdecken und die wahren Beweggründe für sein Handeln zu verstehen.

Jeder, der in ein Gesicht blickt, muss also bei der anderen Person mit dem Unterschied von öffentlich und verborgen rechnen. Das wahre, identische Selbst bleibt verborgen, jedenfalls lassen sich Zweifel an der Authentizität des zur Schau gestellten Gesichts nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. Die Authentizität einer Person kann im Gesicht zum Ausdruck kommen, muss es aber nicht. Das Gesicht ist nicht notwendig die Offenbarung einer authentischen Person. Nicht nur mit Bezug auf den unsichtbaren und verborgenen Gott sehen die Menschen noch nicht von ‚Angesicht zu Angesicht‘, wie es Paulus geschrieben hat. Im Gesicht verbergen die Menschen auch ihr Selbst oder ihre Identität voreinander.

Das Gesicht ist Gegenstand von Überformungen, die von innen kommen, die psychische Maske erzeugt eine Differenz von innen und außen, so dass es dem Ich ermöglicht wird, etwas zu verbergen, eine Emotion, ein Kalkül, vielleicht auch nur eine Höflichkeit, die den Kontakt zu anderen erhält, ohne den leichten Unmut, die Verstimmung über den anderen zu zeigen.

Das Gesicht ist eine Oberfläche, hinter die der Betrachter nicht schauen kann. Das wahre Bild (vera icon), die authentische Person des Gegenübers, bleibt verborgen. Sehen ist Austausch zwischen Masken, Austausch zwischen Rollen, Vorgestelltem und Geplantem. Irgendetwas bleibt stets im Schatten. Das eine Moment der Person wird in den Vordergrund gestellt, das andere rückt in den Hintergrund. Schon dieser Vorgang der Positionierung erzeugt visuelle Schatten und verbirgt etwas, ob man das so beabsichtigt oder nicht. Solche Verborgenheit kann Misstrauen erzeugen, den Verdacht, dass das Gesicht des Gegenübers auch ganz anders aussehen könnte. Belting schreibt: „Die Maske steht für den Wunsch, unerkannt zu bleiben, sie signalisiert weniger einen Rollenwechsel als einen Rollenverzicht. Jeder, der eine Maske trägt, suspendiert seine soziale Identität.“[15] Belting spricht auch vom Gesicht als einer „transparenten Maske“[16], die sowohl sichtbar macht als auch verhüllt.[17] In dieser Formulierung scheint mir die Ambivalenz des maskenhaften Gesichts am besten ausgedrückt.

Belting interessiert sich sehr dafür, wann und wie dieser Prozess des Verhüllens und Offenbarens eines maskierten Gesichts zu einem Ende kommt. Er ist der Meinung, dass irgendwann das wahre, authentische Selbst zum Vorschein kommen muss. Und er gibt auf diese Frage eine paradoxe Antwort, denn er sieht die wahre, authentische Maske des Selbst ausgerechnet in der Totenmaske, weil eben die Totenmaske, die dem verstorbenen Körper abgenommen wurde, nicht mehr verändert werden kann. Das Gesicht des Toten ist insofern endgültig, als es sich nicht mehr verändern kann, es ist das Resultat eines Alterungsprozesses und einer bestimmten Lebensgeschichte. Das Gesicht eines lebenden Menschen ist stets noch veränderbar, das heißt das Verhältnis von Authentizität, Offenheit und Maskenhaftigkeit ist im Fluss begriffen, es kann sich verändern. Belting versteht die Totenmaske als „unauflösbares Rätsel“: „Die Totenmaske ist also gleichsam die Maske, die einem Gesicht abgenommen wurde, das im Tode seinerseits zur Maske geworden ist, mit anderen Worten: die Maske einer Maske.“[18] Mir erscheint diese Wendung von Beltings Kulturtheorie des Gesichts anthropologisch problematisch, denn damit wäre für die Authentizität, die Wahrheit eines Gesichts, die Aufhebung des Unterschieds zwischen öffentlich und verborgen, doch ein sehr hoher Preis bezahlt: Die Wahrheit des Gesichts gäbe es dann nur noch im Tod. Und der Preis wäre das Leben. Die Lebendigkeit des Gesichts besteht genau darin, dass sich das Verhältnis von Maske und authentischem Selbst andauernd verschieben kann, vielleicht mit Ausnahme des Todes gar nicht fest-gestellt werden kann.

7. Das porträtierte Gesicht

Das individuelle Gesicht sieht immer wieder anders aus. Beim gemalten oder fotografierten Porträt stellt sich der Künstler der Aufgabe, das Typische und Charakteristische von den vielen und sich beständig verändernden Gesichtern der porträtierten Person herauszuarbeiten. Dabei spielt die Frage, ob das Modell eine Maske aufsetzt, um sein Inneres zu verbergen, eine gewichtige Rolle. Der Maler oder Fotograf versteht in der Regel seine Aufgabe so, auch hinter diese aufgesetzte Maske zu blicken und gestalterisch herauszuarbeiten, was sich hinter der Maske im Innern eines Menschen verbirgt.

Wenn das Gesicht Ausdruck einer aufgesetzten, konstruierten Maske wie auch eines authentischen Selbst sein kann, so ist das Porträt der Versuch, diese Mischung aus (sozialer) Maske und authentischem Selbst in ein bleibendes Bild zu fassen. Auch das (Bild-)Porträt fixiert das Gesicht in einem bestimmten Augenblick. Das porträtierte Gesicht wird darum zur Maske, weil der Augenblick stillgestellt ist. Der Maler versucht im Porträt, das Selbst eines Menschen, wie er es sieht, herauszuarbeiten.

Belting hebt in seinen stärker kunsthistorischen Reflexionen beim Porträt seinen offiziellen und stellvertretenden Charakter hervor. Das Porträt vertrat die abwesende Person, den Amtsträger, der seine Macht noch in Abwesenheit unter Beweis stellen wollte. Das Bild des Königs oder Kaisers hängt in Amtsstuben, Polizeirevieren oder Kasernen, um auf den obersten Herrscher hinzuweisen, genauso wie man heute noch in den Sakristeien katholischer Kirchen Fotografien des gerade amtierenden Papstes oder in Rathäusern Bilder des aktuellen Bundespräsidenten findet.

Für Belting geht das Porträt aus dem Heiligenbild hervor, das auf dem Altar in der Kirche den Heiligen im Himmel vertrat oder repräsentierte. Die Geschichte von Porträts und Bildern beginnt für Belting im religiösen Kult[19]. Das Bild im Kult zeigt nicht nur Heilige, sondern mit der Christusfigur auch den wahren Menschen, den vere homo, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist und den die sterblichen Menschen einmal, beim Einbruch des Reiches Gottes von Angesicht zu Angesicht sehen werden.[20] Erst dann wird sich auch das wahre Gesicht des Menschen zeigen. In der Gegenwart bleibt das Gesicht ein nicht zu durchschauendes Geheimnis. Für Belting gilt: Weil die Theologen sich für das wahre Gesicht des Menschen interessierten, opponierten sie gegen den maskierten Menschen, und besonders gegen den Schauspieler, der eine Maske trug, sowie in der Folge grundsätzlich gegen das Theater[21]. Dabei spielen eine Reihe von Gegensätzen eine wichtige Rolle: verhüllt – unverhüllt, Maske – Gesicht, Unwahrheit – Wahrheit, unaufrichtig – aufrichtig, verstellt – unverstellt.

Belting rekonstruiert die Entwicklung von der Religion zum Bürgertum so, dass an die Stelle des wahren Gesichts, das in Christus- und Heiligenbildern dargestellt wurde, im Bürgertum ein anderes wahres Gesicht tritt, in dem das Innere und das Äußere des Menschen zusammenfallen. Das allein wahre einzige Gesicht wird ersetzt durch das individuelle Gesicht, die verehrte und angebetete Ikone wird zum Porträt, das nur noch betrachtet wird, aber die dargestellte Person gleichwohl vertritt[22]. Der wahre Mensch zersplittert in verschiedene individuelle Menschen. Und im Wechsel von Ikone zum Porträt verändert sich auch der Betrachter. Wer auf die Ikone blickte, betete sie auch an. Wer auf ein Porträt blickt, betrachtet es – und erkennt sich damit auch selbst als ein Individuum, im Gegenüber zur porträtierten Person. „Im Blick konstituiert sich auch eine Wesensähnlichkeit zwischen der Person im Porträt und der Person vor dem Porträt, über alle physiognomische Differenz hinaus.“[23]

An die Stelle des Glaubens an den wahren Menschen mit dem wahrhaftigen Gesicht tritt das – angebliche – Wissen um das Innere des Menschen, das sich aus dem Gesicht erschließt – oder auch nicht. Im Porträt zeigt der Maler das Gesicht, und je nach der Qualität seiner Malerei zeigt er auch das Innenleben eines Menschen. Aber mit diesem Verweis auf das Innenleben eines Menschen verheddert sich die Porträtmalerei notwendig in Paradoxien, denn dieses unerkannte und nicht darstellbare Innenleben kann nicht vollständig „gezeigt“, höchstens angedeutet werden. „Die Differenz von Person und Gesicht zwang den Maler dazu, auf das unsichtbare Selbst anzuspielen und gegen die bloße Sichtbarkeit des Körpers Stellung zu nehmen. Wenn das Selbst über viele Masken verfügte, die sich alle im gleichen Gesicht formten, so konnte eine einzige Ansicht nicht genügen, sondern musste zugleich alle anderen Masken hinweisen, die außerhalb der Darstellung blieben und erst in der Summe die Person hinter den Masken erahnen ließen.“[24]

Was für den Maler, der Porträts anfertigt, gilt, gilt genauso auch für den Schriftsteller, der sich daran macht, das Selbst einer Person zu beschreiben. Belting verweist auf Michel de Montaigne[25], der in seinen Versuchen, Essays sein Ich in immer neuen Facetten erkundet. Aber diese Essays bleiben stets vorläufig. Vollständig wäre ein Porträt nur unter Einschluss aller seiner Veränderungen. Dem aber widerspricht auf der Seite der bildenden Kunst die Statik des Bildes, die nur den Blick auf einen Zustand in einem Moment zulässt, aber nur indirekt die Geschichte deutlich machen kann, die zu diesem im Gesicht manifest gewordenen Ist-Zustand der Lebensgeschichte geführt hat.

Der Porträtmaler muss eine Geschichte erzählen, das macht die große Kunst des Malers aus, in der bürgerlichen Ära funktioniert das leidlich, Talent und Können des Malers vorausgesetzt, denn die Porträtierten haben Charakter, Selbst und Lebensgeschichte, sie besitzen Kontinuität, Identität, Rückhalt in der Familie und bei Freunden, in der Regel auch Vermögen, das ist die Voraussetzung um sich im bürgerlichen Zeitalter malen zu lassen. Das Porträt bringt den Maler, den Porträtierten und den Betrachter in idealer Weise zusammen.[26] Mit dem Aufkommen der Moderne zerfällt diese ideale Konstellation. Ein Mensch ohne Selbst benötigt kein Porträt, ihm reicht der Schnappschuss der gerade aktuellen Maske.

Diese innere, bürgerliche Wahrheit des Menschen kann eigentlich nicht in einem still gestellten, momenthaften gemalten oder fotografierten Gesicht bestehen, ist sie doch gebunden an eine Lebensgeschichte, die erst mit dem Tod an ihr Ende kommt. Die moderne bürgerliche Entwicklung zerstört solche Lebensgeschichte und banalisiert damit auch den Tod[27]. Die Zerstörung der Individualität ergreift Tod und Lebensgeschichte sowie als Epiphänomene auch die Totenmaske und schließlich das Gesicht. In der zerfleddernden Moderne ermüden die Menschen vor der Aufgabe, ihr Leben zu gestalten, sie resignieren und lassen sich gesichtslos, leblos und kraftlos durch die Welt treiben. Am Ende sind sie zu Untoten geworden, die nicht einmal mehr sterben können. Nach der postmodernen Zersplitterung des Selbst ist kein ganzes, wahres und wahrhaftiges Gesicht mehr zu erkennen. Unter modernen Bedingungen sind die alteuropäisch ehrwürdigen Begriffe wie Ich, Selbst, Gesicht, Biographie für Belting obsolet geworden, und dennoch kommen die Menschen nicht ohne sie aus. Das ist die Paradoxie der überdrehten Moderne. Es fehlt die Sprache, um die Zersplitterung, Ausfransung, das Zerlaufen des Lebens in die richtigen Worte zu fassen. Trotzdem kommunizieren die Menschen in modernen Gesellschaften vermittels ihres Ich und ihres Gesichts[28].

Belting hält an der alten Idee des wahren, endgültigen, vollkommenen Porträts fest. Aber in diesem Festhalten liegt Stärke und Schwäche zugleich. Was könnte der Maler (oder auch der Schriftsteller) dem Anderen, entgegenbringen, wenn er das Gesicht einer Person malt oder beschreibt? Das schönste wären Liebe, Respekt und Rücksichtnahme, Bewahrung der Würde des anderen. Das würde selbst für den Fall gelten, dass der Maler gerade durch die Rücksichtnahme getäuscht würde und sich diese Täuschung auf den Betrachter fortsetzen würde. Der Maler könnte auch Verachtung, Spott und Ironie zeigen. Entscheidend ist, dass kein Künstler dem Moment der Konstruktion, des Subjektiven entkommen kann. Ein Porträt entsteht aus der subjektiven Beziehung zwischen Maler und porträtierter Person. Der allmächtige Blick des allsehenden Gottes, der „auf Herz und Nieren prüft“ (Ps 7,10), ist den Menschen gar nicht möglich. Dennoch will Belting unbedingt diesem subjektiven Moment des Porträtprozesses entkommen.

Wieso?

Wieso kann er nicht die Demut aufbringen, das Partikulare und Perspektivische des malenden und gestaltenden menschlichen Blicks zu akzeptieren?

Die Fotografie, welche die Malerei in dieser Hinsicht beerbte, gibt ein Gesicht dokumentarisch wieder[29]. Aber mit dem Dokument eines Gesichts in einem zufälligen Moment geht der Verweis auf das Selbst, das Innere des Menschen und seine Lebensgeschichte verloren. Schon im nächsten Moment nach dem Klick der Fotografie sieht das porträtierte Gesicht schon ganz anders aus. Das Porträt eines Menschen im Foto besteht also stets aus Fotografien im Plural. Nur so können Bewegung, zeitliche Veränderung und die Dynamik eines Lebens deutlich werden, wie zum Beispiel in dem erwähnten Fotoprojekt von Nicholas Nixon.

Porträts setzen den Betrachter und den Betrachteten, unabhängig davon, ob es sich um Gemälde, Beschreibungen oder Fotografien handelt, in ein bestimmtes Verhältnis zur Zeit. Fotografen wie Henri Cartier-Bresson suchten nach dem richtigen Moment, Belting sucht für Porträts nach Dauer und Konstanz, Über-Zeitlichkeit, um den theologischen Begriff der Ewigkeit gerade noch zu vermeiden. Und es ist zu fragen, ob Belting mit dieser Forderung nach Dauer und Ewigkeit das Genre des Porträts nicht überfordert. Er entlarvt die Sehnsüchte nach Dauer, Funktion, Verstellung, die sich damit verbinden, aber an die Stelle der Destruktion tritt nichts richtig Neues, obwohl jeder Mensch im Alltag, im Museum, im Hörsaal oder in der Straßenbahn damit beschäftigt ist, Gesichter wahrzunehmen, einzuordnen und zu beurteilen, ihre Schönheit oder Hässlichkeit wahrzunehmen und sich dazu in Beziehung zu setzen, das heißt, Sympathie oder Antipathie zu empfinden.

Es ist kein Zufall, dass Belting am Ende seines Buches auf die Renaissance der Ikone in der Porträtmalerei zu sprechen kommt. Ausführlich analysiert er das digital überarbeitete Bild einer Christus-Ikone, der „Deisis“. Der griechische Begriff bedeutet ja nichts anderes als ‚Vergöttlichung‘. Der russische Künstler, der diese Ikone präsentiert, zeigt alte, verlorene Gewissheiten im Gewand neuer Sehnsüchte. „Das Kultbild, das hier in einer (…) virtuellen ‚Epiphanie‘ zurückkehrt, bedient einen alten Blick. Aber es rechtfertigt sich durch den Prozess der Herstellung als Kunst. Es fordert noch einmal einen transzendentalen Anspruch ein, indem es ein Gesicht zeigt, das wir nie gesehen haben und an das wir doch glauben (sic! wv).“ In der modernen, von Selfies zersplitterten Masken- und Porträtwelt der Gesichter sehnt sich Belting zurück nach der Ikone: „In der digitalen Welt kehren alte Archetypen in Artefakten zurück (…).“[30] Die alten, vergangenen Gewissheiten erzeugen noch immer moderne Sehnsüchte. Eine ganz erstaunliche Überlegung, am Ende eines im Sinne von Montaigne doch eher skeptischen und religionskritischen Buches.

In der orthodoxen Kirche sammelte man auf den Ikonostasen, die den Altarbereich vom Bereich der Gläubigen trennten, Ikonen von biblischen Figuren und Heiligen und betete sie an. Die katholische Kirche schmückte die Seitenaltäre ihrer Kathedralen mit Heiligenbildern und -statuen, die man um Fürsprache im Himmel bat. Die Wiedertäufer der Reformation zerstörten solche Heiligenbilder und -figuren, während Luther vor der brachialen Zerstörung warnte, aber dem Kult der Bilder wie die Wiedertäufer sehr skeptisch gegenüberstand. Es ist Beltings großes Verdienst, den Unterschied zwischen den Gattungen Ikone und Heiligenbild auf der einen und Porträt auf der anderen Seite herausgearbeitet zu haben. Heiligenbilder haben ihren Ort in der Kirche und sind eingebettet in die entsprechenden liturgischen und theologischen Vollzüge. 

Porträts finden ihre eigenen, neuen bürgerlichen Orte. Simon Schama[31] hat jüngst darauf hingewiesen, dass auch Porträts ihre besonderen Sammelorte besitzen. In London, Washington, D.C., Edinburgh und anderswo wurden Portrait Galleries eingerichtet. Im Pariser Pantheon, das die Überreste berühmter Franzosen in einer säkularen Kuppelkirche versammelt, ist noch deutlich der religiöse Bezug zu Tod, Beerdigung und Totengedenken zu spüren, während die modernen Halls of Fame (etwa für Baseball, Rock’n’Roll) dieses spirituelle Totengedenken säkularisiert haben und ganz auf bestimmte Leistungen, Rekorde und anderes abstellen.

Schama lässt sich nicht gefangen nehmen von dem Gegensatz zwischen Dauer und Augenblick, der bei Belting solch eine entscheidende Rolle spielte. Er betont, m.E. zu Recht, dass die Kunst großer Porträtisten darin bestand, in einem Porträt deutlich zu machen, dass der Porträtierte eine bestimmte, wie auch immer zu erzählende Vergangenheit hatte, und dass ihm genauso eine bestimmte Zukunft beschieden ist: “The greatest of all portraitists (…) caught their subjects as if temporarily halted between a before and an after: an interruption of the flux of life rather than a becalmed pose.” Diese Formel bietet eine elegante Lösung für das von Belting aufgeworfene Problem.

Gleichzeitig damit sind diese Überlegungen nun endgültig in der facialen Gegenwart angekommen.

8. Die Gesellschaft der Gesichter

Belting hat den Ausdruck der facialen Gesellschaft von Thomas Macho übernommen[32]. Die faciale Gesellschaft ist gekennzeichnet durch die Allgegenwart des Gesichts, wie es über Massenmedien, soziale Netzwerke und Smartphones verbreitet wird. Gemalte Porträts sind in einer facialen Gesellschaft nicht mehr nötig. Vielmehr ziehen alle Arten von Gesichtsabbildungen jeweils Aufmerksamkeit auf sich. Die Menge der Gesichter und der Porträtbilder steigert sich zu der oft und gern beschworenen Flut. Prominenz ist deshalb wichtig, weil jeder in der Flut der Bilder bestimmte Gesichter wiedererkennen will.

Und nichts kann gute Gefühle, gute Stimmungen so gut transportieren wie der Gesichtsausdruck eines lachenden, begeisterten, freundlichen Menschen. Das in der Werbung wahrgenommene Gesicht sorgt dafür, dass der Betrachtende das Wahrgenommene auf sich selbst umlenken kann, und zwar keineswegs nur die Fröhlichkeit des Gesichts, sondern auch das Produkt, das sich damit verbindet. Der Betrachter kann genauso fröhlich sein wie der Betrachtete. Ein Gesicht vermittelt – im Gegensatz zum Argument, zur Parole, zum Slogan – ein Gefühl sozialer Verbundenheit, auch wenn das betrachtete Gesicht nur synthetisch, unecht oder virtuell ist.

Die faciale Gesellschaft ist dadurch charakterisiert, dass die Betrachter, die zugleich Betrachtete sind, von einem Übermaß an Gesichtern überfordert werden, die sie in ihrem massenhaften Vorkommen gar nicht mehr richtig unterscheiden können. Belting leitet daraus eine „Nostalgie für das wahre Gesicht“[33] ab. Denn für ihn konkurrieren nicht Gesichter um Aufmerksamkeit, sondern nur Masken, hinter denen sich wahre Identität verbirgt[34]. Die neue moderne Gesellschaft nennt Belting im Anschluss an Guy Debord eine „Spektakelgesellschaft (societé de spectacle)“[35]. Sehen und Betrachten verkommen zum voyeuristischen Glotzen. Glotzen bedeutet sehen und starren ohne nachzudenken. Wer glotzt, der bewegt sich nicht. Er starrt – bewegungslos und gedankenlos.

Der Maler musste bei einem Porträt eine bestimmte psychologische, erkenntnistheoretische und künstlerische Arbeit leisten, bevor er sein Porträtbild fertigstellen konnte. Mit der Fotografie tritt ein neutrales technisches Verfahren an die Stelle der künstlerischen Arbeit. Und wenn das allgemein verbreitete Smartphone an die Stelle der Kamera des professionellen Fotografen tritt, wird die „Arbeit“ am Porträt vollends unbedeutend, sie sinkt zurück ins Unbewusste und rückt gar nicht mehr ins Bewusstsein des fotografierenden Users (den man nun nicht mehr einen Künstler nennen kann). Belting beklagt, dass mit diesem inflationären und universal verbreiteten Verfahren die an das Porträt geknüpfte Frage verloren geht, was die Persönlichkeit des porträtierten Menschen ausmacht und wie sie sich im Laufe des Lebens verändert. Das Gesicht entzieht sich durch das massenhafte Fotografieren in den sozialen und fotografischen Netzwerken wie Instagram oder Snapchat seines Geheimnisses[36] – oder doch nicht?

9. Das Gesicht im Selfie

Es lohnt sich, deshalb einen Blick auf das Phänomen der Selfies zu werfen. Diese, Momentaufnahmen des Gesichts in allen möglichen Lebenslagen, vor berühmten Bauwerken der Gegenwart (Eiffelturm, Brandenburger Tor, Weißes Haus) und zusammen, Kopf an Kopf und Arm in Arm mit den größeren und kleineren Berühmtheiten der visuellen Medien, dazu im Badezimmer, vor dem Kleiderschrank, im Sommer am Strand und im Winter vor dem Skilift. Selbst Angela Merkel ließ sich in der Umkleidekabine zusammen mit der frisch gebackenen Fußballweltmeistermannschaft fotografieren. Sie war dabei, als „wir“ Weltmeister wurden. Dabei bildet das achtlos und technisch unaufwendig produzierte Selfie den denkbar größten Gegensatz zum gemalten Porträt. Das Porträt zeigt einen Menschen und sein „Selbst“, also mit einem wie auch immer zu definierenden Bezug zur Lebensgeschichte, während das Selfie einen Menschen in einem bestimmten Augenblick zeigt. Dieser Augenblick wird zwar festgehalten und dokumentiert, aber er ist im nächsten Moment schon wieder vergessen.

Der Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich hat das Phänomen der Selfies gegen seine gebildeten Verächter verteidigt.[37] Er wehrt sich gegen die Kritik, dass Selfies Ausdruck eines „Hyperindividualismus“[38] seien. Diese Kritik zielt auf angeblich narzisstische Individuen, die nur noch das gute Leben und die gute Darstellung ihres eigenen Ich im Blick haben und darüber die Nächsten und die Gesellschaft vergessen. Dabei übersehen die alteuropäischen Kritiker – zu denen wohl auch Belting zu rechnen ist -, dass Selfies weit mehr sind als Dokumentarbilder der Selbstverliebtheit. Ulrich arbeitet völlig zu Recht heraus, dass das auf Instagram oder Facebook gepostete Selfie ja auch soziale Reaktion[39] aus ist, auf ein „Like“, ein Herz oder sogar auf einen Kommentar. Selfies sind auf Gespräch angelegt. Insofern sind Selfies nicht Darstellung des eigenen Ich oder Selbst, sondern Medien der Kommunikation, mit denen „in jedem Moment Nachrichten, Meinungen, Gefühle ausgetauscht werden“[40] Wenn der Moment der Kommunikation verstrichen ist, werden die Selfies belanglos. Es schadet nicht, sie dann auch wieder zu löschen. Sie sind nicht wie Porträts auf die Gegenwart des abwesenden Porträtierten und nicht wie Heiligenbilder auf die Ewigkeit angelegt. Und das bedeutet, dass man Selfies sozial nicht angemessen bewerten kann, wenn man sie man Maßstab gemalter oder professionell fotografierter Porträts misst. Wer ein Selfie in einem sozialen Netzwerk einstellt, hat kein Interesse daran, seine Persönlichkeit im Kontext seiner Lebensgeschichte darzustellen.

Ullrich arbeitet heraus, dass Selfies vielmehr wie eine Sprache, wie ein sozialer Code zu verstehen sind, die auf eine bestimmte Kommunikation angelegt ist. Das galt selbstverständlich auch für Ikone, Heiligenbild und (gemaltes) Porträt. Diese Sprache allerdings verfolgt völlig andere Zwecke. Ulrich hält sie für eine „Universalsprache“[41], die jeder Mensch verstehen kann, unabhängig von seinen Fremdsprachenkenntnissen. Für ihn globalisiert sich im Selfie die Sprache des Gesichts.

Insofern vollzieht er im Nachdenken über Selfie und Porträt jene theorieprotestantische Wendung, die ich oben schon angesprochen habe. Das Selfie ist der Sargnagel zu jener monolithischen Theorie der Gesichter, die Belting alteuropäisch, mit viel Liebe zur Theologie, nochmals beschworen hat. Die Abbildung von Gesichtern zieht stets neue Theorien auf sich. Das ist der Kern der theorieprotestantischen Einsicht, porträttheoretisch gewendet. Man kann diesen Gedanken noch weiter ausziehen.

Die Bloggerin Rachel Syme[42] hat in Auseinandersetzung auch mit Ullrich Überlegungen zum Selfie vorgelegt. Dabei verspielt sie Ullrichs Erkenntnisgewinn, wenn sie Porträts, Porträtfotos, Zeichnungen und Selfies einfach vermischt und unterschiedslos nebeneinander stellt. Auf der anderen Seite gibt sie dem Selfie eine ganz neue soziale Qualität, wenn sie das Selfie so beschreibt: „(…) a photograph of oneself with an immediate and distinct social component built into the process, that is something very new.” In der Folge halt sie Selfies für einen Ausdruck von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Selfiehasser wollen denjenigen, die Selfies von sich präsentieren, die Möglichkeit zur Selbstdarstellung nehmen: „Nothing destabilizes power more than an individual that knows his or her own worth, and the campaign against selfies is ultimately a crusade against widespread self-esteem. What selfie-haters fear, deep down, is a growing army of faces they cannot monitor, an army who does not need their approval to march ahead. They fear the young, the technologically savvy, the connected.” Es ist übertrieben, hier einen Krieg auszurufen zwischen denen, die Selfies posten, und solchen, die das vehement ablehnen. Die, die sich um Selfies bemühen, bewegen sich in ihren eigenen Communities wie Snapchat oder Instagram. Wer Selfies ablehnt, eröffnet dort kein Nutzerkonto.

10. Das eine Gesicht und die vielen Gesichter

Protestantismus und Theorieprotestantismus haben gemeinsam, dass sie jeweils um ein schwarzes Loch kreisen, das sich der genauen Beschreibung hartnäckig entzieht. Der Theologie gelingt es nur unvollständig, Gott in Begriffe oder ein System zu fassen, alle (Sozial-)Theorien scheitern letzten Endes an der Komplexität dessen, was sie beschreiben wollen, an der Wirklichkeit. Bildtheologien und Porträttheorien scheitern am Gesicht, das sich der Beschreibung und Darstellung entzieht. Bildtheologie findet im Gesicht noch eine Ahnung von der Ebenbildlichkeit Gottes, Porträttheorie findet im Gesicht ein Moment mit sich selbst identischer bürgerlicher Existenz, die sich in der Moderne auflöst in zufällige Augenblicke, die höchstens im Selfie festgehalten werden.

Alle vier besprochenen Formen des Gesichtsbilds, die Ikone, die Maske, das Porträt und das Selfie, stehen nicht für sich allein, lassen sich nicht auf ästhetische Aspekte der Betrachtung reduzieren. Vielmehr sind sie einzuordnen in bestimmte soziale Vollzüge, die Ikone in die Liturgie, die Maske in das Theater oder das rituelle Spiel, das Porträt in die bürgerliche und das Selfie in die digitale Welt. Allerdings können sie mit dieser sozialen Verortung nicht hinreichend beschrieben werden.

Eine auf das Gesicht bezogene Bildtheologie hält fest an der Idee der Gottebenbildlichkeit, an dem einen Bild, das sich in jedem einzelnen Menschen findet. Porträttheorie hält fest an der Verknüpfung zwischen Gesicht und Identität bzw. Selbst, die nicht aufgeht in einer momentanen Abbildung, nach meiner Überzeugung aber eben auch nicht in der Totenmaske an ihr Ende kommt, weil diese ja in der Paradoxie gefangen bleibt, dass die Totenmaske nicht das Gesicht eines lebendigen, sondern eines verstorbenen Menschen zeigt. Sie zeigt ein gelebtes statt eines lebenden Gesichts. Das Geheimnis des Gesichts im bürgerlichen Porträt besteht in seiner Würde, welche nicht zu sehen, wohl aber philosophisch und (menschen-)rechtlich zu reflektieren ist. Dem eignet ein Moment der Gleichheit und ein Moment der Individualität. Gleichheit kommt von daher, dass bürgerliche Porträttheorie daran festhält, dass trotz aller Milieuunterschiede (König, Prinzessin, Feldmarschall, Kaiser, Bürger, Kaufmann, Künstler) in jedem Gesicht eine Ahnung davon enthalten ist, was den Porträtierten, den Maler und den Betrachter gleichermaßen vereint, eine bestimmte Idee der Humanität. Individualität entsteht aus der Verschiedenheit der Lebensgeschichten, die sich ebenfalls im Gesicht spiegeln.

So flüchtig es gestaltet sein mag, so wenig technischen Aufwand jemand dafür betreibt, noch das Selfie des digitalen Zeitalters enthält in jedem Gesicht diese Momente von Gleichheit und Individualität. Weder die Bildtheologie noch die Porträttheorie sind damit schon fertig. Das Sehen „πρόσωπον πρὸς πρόσωπον“ (1Kor 13,12) steht immer noch aus.

Anmerkungen

[1]    www.facity.com.

[2]    Http://www.nytimes.com/interactive/2014/10/03/magazine/01-brown-sisters-forty-years.html?_r=0.

[3]    Wolfgang Ullrich, Vom Glück der Inkonsequenz. Bekenntnisse eines Theorieprotestanten, Stuttgart 2015, www.swr.de/-/id=15958716/property=download/nid=659852/1pojhxt/swr2-essay-20150916.pdf.

[4]    Ullrich, a.a.O.: „So ist die Infrastruktur der großen Plattformen der Sozialen Medien dank der Möglichkeiten des Rebloggens und Retweetens von vornherein darauf ausgerichtet, etwas von einem Kontext in einen anderen zu transferieren und damit jeweils neu zu kombinieren. Zugleich wächst ein Bewusstsein für die Chancen, die im Wechsel von Anordnungen liegen. Innerhalb weniger Jahre hat die Blog-Kultur eine Vielzahl von Formaten hervorgebracht, bei denen Bilder und Texte unterschiedlichster Art und Herkunft kombiniert werden (…).“

[5]    S.u. Abschnitt 9.

[6]    Wolfgang Ulrich, Selfies als Weltsprache, in: Pia Müller-Tamm, Dorit Schäfer (Hg.), Ich bin hier. Vom Rembrandt zum Selfie, Köln 2015, 34-43

[7]    Hans Belting, Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013.

[8]    Der Ausdruck „panim“ (Gesicht) kommt im Alten Testament 2127-mal vor. Vgl. dazu Andreas Wagner, Art. Mensch (AT), 2006, wibilex.de,  https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/26893/   sowie ders., Art. Körperteile, 2013, wibilex.de, https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/64672/ .

[9]    Zum Zusammenhang von Würde und Geheimnis des Menschen als Person vgl. Wolfgang Vögele, Menschenwürde zwischen Recht und Theologie, ÖTh 14, Gütersloh 2000.

[11]   Belting, a.a.O., Anm.7, 38.

[12]   A.a.O., 37.

[13]   A.a.O., 118ff.

[14]   A.a.O., 27.

[15]   A.a.O., 83.

[16]   A.a.O., 85.

[17]   A.a.O., 25: „Die mimische Leistung des lebendigen (NS) Gesichts besteht ebenso im Zeigen und Offenbaren wie im Verbergen und Täuschen. Einmal scheint uns jemand im Gesicht lebhaft sein ‚Inneres‘ zu enthüllen, ein anderes Mal verbirgt er sich mit einem verschlossenen Gesicht wie hinter einer leblosen Maske. Im Leben verändert die Mimik das Gesicht, das wir HABEN, zu dem Gesicht, das wir MACHEN. Sie löst ein perpetuum mobile vieler Gesichter aus, die sich alle als Masken verstehen lassen, wenn wir den Maskenbegriff erweitern. In diesem Sinne ist das Maskengesicht als Begriff doppeldeutig, denn es ist nicht nur ein Gesicht, das einer Maske gleicht, sondern auch ein Gesicht, das seine eigenen Masken erzeugt, wenn wir auf andere Gesichter reagieren oder einwirken.“

[18]   A.a.O., 100.

[19]   A.a.O., 44.

[20]   Vgl. oben Abschnitt 3.

[21]   A.a.O., 65.

[22]   A.a.O., 148.

[23]   A.a.O., 152.

[24]   A.a.O., 164.

[25]   A.a.O., 168.

[26]   Beeindruckende Beispiele aus der Renaissance und der beginnenden Bürgerlichkeit bietet Musée Jacquemart-André, Carlo Falciani (Hg.), Florence. Portraits à la cour des Médicis, Paris 2015.

[27]   Belting, a.a.O., Anm.7, 111.

[28]   A.a.O., 118.

[29]   A.a.O., 196.

[30]   A.a.O., 303.

[31]   Schama, a.a.O., Anm.10.

[32]   Belting, a.a.O., Anm.7, 40.

[33]   A.a.O., 42.

[34]   A.a.O., 215.

[35]   Ebd.

[36]   A.a.O., 282.

[37]   Ullrich, a.a.O., Anm. 6.

[38]   A.a.O., 34.

[39]   A.a.O., 36.

[40]   A.a.O., 35.

[41]   A.a.O., 40.

[42]   Rachel Syme, Selfies. The revolutionary potential of your own face, in seven chapters, 2015, https://medium.com/matter/selfie-fe945dcba6b0#.q6l3z7qsq.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/100/wv24.htm
© Wolfgang Vögele, 2016