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Magazin für Theologie und Ästhetik


Im Labyrinth II

Erscheinungen im Cyberspace

Wendt / Mertin

Kein Raum im Netz - blobcity - ein Internetprojekt von Markus Kleine-Vehn

Über einen Schalter betritt man die blobcity und bekommt folgende Informationen:

  • Blobcity ist ein Raumsampler. Die Samples sind Realitätsauszüge in Form von Texturen, die zu Animationen, Schaltflächen etc verarbeitet werden und innerhalb des Interface von Blobcity abgerufen werden können.
  • Blobcity wird mit Hilfe der Samples unterschiedlichen Orten angepasst und dadurch kontinuierlich weiterentwickelt.
  • Blobcity wächst mit der Zeit wie eine Stadt, wird über mehrere Level verteilt und lässt so einen alternativen Raum entstehen.
  • Blobcity bildet die Zentrale im "Cyberspace", die Räume verarbeitet, und von der aus Arbeiten in den "realen Raum" versendet werden.

Anhand einer Grafik steuert man nun bereits gesampelte Orte an. Schaltknöpfe werden sichtbar, die man bei Berührung in Schwingung versetzt, und es öffnen sich Sehblasen/Nullpunkte/Tropfen: die blobs. Langsam generieren in der Fläche Oberflächenscans, die sich kontinuierlich zu plastischen Modulen verdichten, für kurze Zeit wie Planeten, Asteroiden oder Moleküle frei floatierend im unendlichen Raum schweben, um dann wieder im schwarzen Sicht-Loch zu verlöschen.

An anderem Ort kann man über eine Tastatur Realitätsfragmente aufrufen, die sich entlang den unsichtbaren Achsen eines Koordinatensystems anordnen oder sich wechselseitig annähern, durchdringen oder überlappen. Modulare Formen und Oberflächencharaktere verhalten sich wechselseitig formal indifferent, so dass Oberflächen zugleich als gespiegelte und Sichtfenster zugleich als Blindflecke erscheinen. An wieder anderem Ort "schlagen" die Module ihrerseits "die Augen auf" und geben den Blick frei auf dahinter liegende Schichten oder auf architektonische Basismodelle.

Dieses vielschichtige Morphing von Fläche und Relief, von Transparenz und Opakheit ermöglicht eine Erfahrung von nicht messbarer Räumlichkeit. Das radikale Moment von blobcity liegt in der verlangsamten Animation. Aktivierung und Generierung scheinen durch eine Ewigkeit getrennt. Räumlichkeit erlebt man in blobcity als unspezifische "distance" (Lyotard), die sich einer realen Aneignung verweigert. Die Virtualität, die hier erprobt wird, besteht nicht im Versuch der Konstruktion einer Hyperrealität, in der der "Körper" wiederersteht, sondern im Versuch der Dekonstruktion des realen Raumes als Entwicklung einer genuin ästhetischen "Ordnung der Dinge".

Ausst.kat. Markus Kleine-Vehn - Nenn mich Maschine sag mir elektronische Sachen, Galerie Stefan Rasche, Münster 2000 / F6 outerlimits, Stiftung Künstlerdorf Schöppingen 2000.


dtv-Kulturportal

Der Deutsche Taschenbuch Verlag in München war es leid, dass die Kultur in den klassischen Internetportalen immer stiefmütterlich behandelt wird. Deshalb entwickelte der Verlag ein eigenes Kulturportal. Zur Motivation schreibt der Verleger Wolfgang Balk:

Bei den großen Internetportalen bestehen Nachrichtenmeldungen im allgemeinen aus den Sparten Politik, Wirtschaft, Sport und Wetter, manchmal ergänzt durch "Vermischtes" oder "Unterhaltung". Die Verkündigung eines Nobelpreisträgers z.B. findet meist in der Rubrik "Unterhaltung" statt. Kulturelle Ereignisse scheinen nicht quotenträchtig genug und werden in den Hintergrund gedrängt - von ihnen hängen ja auch keine Aktienkurse ab... Wenn Sie Interesse an Literatur, Kunst, Theater, Film und Musik haben, können Sie mit uns weltweit durch die Kulturlandschaften navigieren. Falls Sie heute abend ins Theater oder Kino gehen möchten oder übermorgen in Los Angeles eine Kunstausstellung ansehen wollen, über unser Kulturportal finden Sie die nötigen Informationen, weiterführende Links und den Zugang zu schwer auffindbaren Datenbanken.. Wenn Sie lieber zu Hause bleiben, um in Ruhe ein Buch zu lesen, können Sie sich in unserer Verlagswebsite umsehen (darüber freuen wir uns besonders), aber auch in den Programmen anderer Verlage und bei den Buchhandlungen, die Ihnen schnellstens jeden gewünschten Titel besorgen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Surfen über unser Kulturportal.

Nach den ersten Surf-Erfahrungen mit dem Portal kann es uneingeschränkt empfohlen werden. In den einzelnen Rubriken PRESSE, BUCH, LITERATUR, THEATER, KUNST, MUSIK, FILM, GEISTESWISSENSCHAFT sowie KULTUR ALLGEMEIN finden sich eine Fülle aktueller Texte und Verweise auf Rezensionen, Debatten usw. Das Portal stellt zudem Artikel verschiedener Zeitschriften zu Schwerpunktthemen zusammen (z.B. die Debatte um die 68er, um die Novellierung des Urheberrechtes usw.).

Zum Thema dieses Heftes empfiehlt die Redaktion des DTV-Kulturportals folgendes Rundfunkereignis:

Vom Innen und Außen der Klänge

Wahrlich Besonderes leistet der Kultursender SWR2 derzeit zum Verständnis der Gegenwartsmusik. Mit dem Großprojekt "Vom Innen und Außen der Klänge" soll in insgesamt 120 Sendungen die Musik unserer Zeit sinnlich erfahrbar gemacht werden. Begleitend zu dem Projekt gibt es bei SWR2 eine eigene Website, die einen Glossar mit ausgewählten musikalischen Fachbegriffen, Komponistenbiografien, Partiturausschnitten, Foto- und Videomaterial und Links zu interessanten Anbietern Neuer Musik enthält. Ein einmaliges Projekt, das auf drei Jahre angelegt ist und wöchentlich erweitert wird!

Und noch spezieller zur Heft-Thematik: Am 26. November gibt es dabei eine Sendung mit dem Titel CLYTUS GOTTWALD: VOM GEISTLICHEN IN DER NEUEN MUSIK.


Bibliotheque Bajazzo: Blonk Organ

Was soll man sich unter folgender Veranstaltungsankündigung vorstellen?

Jaap Blonk (geboren 1953 in Woerden in Holland) ist ein eigenwilliger Autodidakt, Musiker, Klangpoet und Vocal-Performer. Seine unvollendeten Studien der Physik, der Mathematik und der Musikwissenschaft verstärkten seinen Hang zum Dadaismus ebenso wie diverse pannenhafte Tätigkeiten in Büros und anderen geradlinigen Systemen. Durch den Vortrag von Gedichten (Artaud, Lucebert, Schwitters etc.) entdeckte er Direktheit und Beweglichkeit des stimmlichen Ausdrucks. Seine kraftvolle Bühnenpräsenz, gepaart mit Improvisationen von nahezu kindlichem Freiheitsdrang stehen für ein spannendes Konzerterlebnis.

Schlagen Sie im Internet in der Bibliothek Bajazzo nach und stoßen Sie auf ein Stimm- und Klangwunder. Hinter dem Shockwave-Objekt verbirgt sich eine furiose, mal amüsierende, mal erschreckende, auf jeden Fall aber höchst interessante Welt menschlicher(?) Laute.


© Wendt / Mertin 2001
Magazin für Theologie und Ästhetik 10/2001
https://www.theomag.de/10/wm2.htm