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Magazin für Theologie und Ästhetik


EDITORIAL


Liebe Leserinnen und Leser,

das Magazin für Theologie und Ästhetik bearbeitet einen blinden Fleck der Moderne: den Mangel an differenzierter Verhältnisbestimmung von religiöser und ästhetischer Erfahrung. Während die ästhetische Moderne das Religiöse tabuisierte, hat die religiöse Moderne das Ästhetische schlicht ignoriert. Dieses Ritual gegenseitiger Nichtbeachtung dauert bis in die Gegenwart an.

Die Folgen sind für beide Seiten fatal: die Kirchen wurden zu Ghettos anästhetischer Selbstgenügsamkeit, die Kunst verdrängte ihre religiösen Impulse. Aus unserer Sicht haben sich solche Ausgrenzungsstrategien überlebt. Sie sind mit der Moderne Geschichte geworden. Worauf es nun ankommt, ist zum einen, sich die vormodernen Grundlagen der Entwicklung von Kunst und Religion bewußt zu machen, und zum anderen, an die differenzierten Überlegungen der Philosophie- und Theologiegeschichte zu den Konstitutionsbedingungen religiöser und ästhetischer Erfahrung anzuknüpfen und diese für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Dabei kann es nicht darum gehen, den Differenzierungsgewinn, den der Prozeß der Moderne erbracht hat, rückgängig zu machen. Erst die Moderne hat zur Autonomie von Kunst und Religion geführt und damit die ästhetische Vielfalt der Gegenwart und die Intensivierung des religiösen Gefühls ermöglicht.

Der erreichte Stand der Ausdifferenzierung legt jedoch auch nahe, nach zeitgenössischen Verhältnisbestimmungen, Filiationen und Überschneidungsfeldern zu fragen: Wie sind die Differenzierungsprozesse verlaufen und zu welchen Konstellationen von religiösen und ästhetischen Erfahrungsformen haben sie im Kontext der Gegenwartskultur geführt? Lassen sich Kontinuitäten zwischen religiösen und ästhetischen Topoi beobachten und rekonstruieren? Was sind die Spezifika religiöser und ästhetischer Erfahrungen und wie können sich die beiden Erfahrungsformen in ihrer unaufhebbaren Differenz ergänzen und bereichern?

Diesen Fragen wird im Magazin für Theologie und Ästhetik nachgegangen. Von den verschiedenen Bedeutungen, die das Wort Magazin annehmen kann, greifen wir auf die traditionelle vom Anfang des 16. Jahrhunderts zurück: das Magazin als Vorratsraum und Lagerhaus - in diesem Fall für Gedanken, Argumente und Darstellungen.

Zur näheren Erklärung des Titelschriftbildes verweisen wir auf Dietrich Neuhaus' Aufsatz "Der Theologe als Dandy". Dort heißt es: Der Protestant, der befreite Christ schlechthin, ist wie der Dandy ein Phänomen des Übergangs, er lebt "Zwischen den Zeiten", wie die "Dialektische Theologie" unermüdlich einschärfte. Das Erkenntnisprinzip des Protestanten ist wie bei Baudelaire der Spiegel, denn - gut paulinisch - zwischen den Zeiten erkennen wir alles wie in einem Spiegel, dann erst von Angesicht zu Angesicht (1. Kor. 13, 12). Das in der Parallelstelle 2. Korinther 3, 18 für den Spiegel verwendete griechische Wort bildet das Titelschriftbild unseres Magazins.

bedeutet: das im Spiegel Geschaute.

Andreas Mertin
Karin Wendt
Dietrich Neuhaus
Eveline Valtink
Petra Bahr
(V.i.S.d.P.)
P.S.: Sie können sich an diesem Magazin mit eigenen Beiträgen beteiligen. Setzen Sie sich dazu mit einem der Herausgeber in Verbindung.