„Die Stimme des Herrn im Feuer“

Hamburgs Katastrophen und ihre theologische Deutung

Hans-Jürgen Benedict

Einleitende Bemerkungen zur religiösen Deutung von Katastrophen[1]
  1. „Der gerechte Feuer-Eifer Gottes über Hamburg“ -
    Der Brand des Michel von 1750
  2. „Gottes züchtigende Gnade und große Liebe“ -
    Der große Brand von 1842
  3. Auch ein Versagen der Reichen -
    Die Choleraepidemie von 1892
  4. Gemeinsame christlich-sozialdemokratische Erschütterung -
    Die Primuskatastrophe 1902
  5. Von Gott verhängtes Schicksal und Bewährungsprobe der Volksgemeinschaft -
    Der Feuersturm 1943
  6. „Die Flut steigt, wo wir Gott vergessen“ –
    Die Flutkatastrophe von 1962
  7. Wie heute theologisch angesichts von Naturkatastrophen reden und predigen?
    Schlussbemerkungen

Kirchtürme verweisen auf eine andere Dimension des Lebens. Sie stellen die jeweilige Gegenwart in die Verantwortung vor Gott. Wie die Kirche und ihre Prediger das in der Vergangenheit angesichts der Hamburger Unglücke und Katastrophen (der Begriff Katastrophe wird erst im 20. Jahrhundert verwendet) getan haben, das soll im Folgenden an sechs Beispielen der Hamburger Stadtgeschichte untersucht werden. Es sind das der Brand der St. Michaeliskirche 1750, der Große Brand von 1842, die Cholera-Epidemie von 1892, die Primus-Katastrophe 1902, der Ham­bur­ger Feuersturm 1943 (Operation Gomorrha in der Terminologie der Alliierten) und schließlich die Flutkatastrophe von 1962. Mein leitendes Interesse ist das des kritischen Zeitgenossen und praktischen Theologen, der untersucht, wie die städtische Geistlichkeit in ihrer Zeit jeweils mit dem Gedanken des Gerichtes Gottes über die so genannten Sünden der Stadt, die sich als ein vor Gott verantwortliches Gemeinwesen versteht, umgegangen ist. Diese traditionelle religiöse Deutung des Unglücks versucht zwischen dem „Unglück in der Stadt“ und den städtischen Normenverletzungen eine Beziehung herzustellen. Ich frage im Folgenden: Ist die lutherische Buß- und Gesetzespredigt aufdeckende Gesetzespredigt darin, dass sie über straftheologische Deutungen und moralische Schuldzuweisungen hinaus auch an den Katastrophen beteiligte gesellschaftliche Triebkräfte benennen und auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen kann? Ist in ihr die Stimme der Leidenden so zu hören, dass Gott als Eingedenken sichtbar wird? Gibt die Predigt zu erkennen, dass sie angesichts von Katastrophenerfahrungen an die Grenze theologischer Deutung kommt? Gilt der Trost in Gestalt des sich erbarmenden Gottes bedingungslos für alle von der Katastrophe Betroffenen?

Der große Untersuchungszeitraum erlaubt im Überblick Kontinuitäten der Deutung herauszuarbeiten, die über so gravierende Einschnitte wie Aufklärung, Industrialisierung, Trennung von Staat und Kirche und Demokratisierung sich erhalten haben. Der kritische Blick auf diese Deutungstradition ist aber nicht einfach der des nachgeborenen Besserwissers (der ist es zuweilen auch), sondern er orientiert sich an dem, was es zeitgenössisch an differenzierten oder sogar alternativen Deutungsmöglichkeiten der jeweiligen Katastrophe bereits gegeben hat. Obwohl die Versuchung nahe liegt, die Deutungsmuster der voraufklärerischen Gesellschaften insgesamt als veraltet zu erklären, ist ihre symbolische Deutungskraft zur Bewältigung von Katastrophen zu erkennen und zu würdigen. Insofern stimme ich Francois Walters Hypothese zu, „dass religiöse und symbolische Erklärungsmuster global und langlebig sind und dass ihr Wirkungsfeld weit über das Zeitalter der sogenannten Aufklärung hinausreicht, in dem die Desakralisierung der Welt den Geltungshorizont dieses Denkmusters endgültig in die Vergangenheit zu verweisen schien.“[2] Wenn die in Hamburg erscheinende BILD-Zeitung angesichts des Terroranschlags auf die Türme des WTC in New York am 11.9.2001 ausrief „Großer Gott, steh uns bei!“ (Titelschlagzeile in BILD 12.9 2001) oder angesichts des Tsunami 2004 „Wo warst du ,lieber Gott?“, so erweist damit jener Einbruch des Schreckens, der seit den ersten dokumentierten steinzeitlichen religiösen Erfahrungen mit Gott in Verbindung gebracht wird, seine unverminderte Aktualität.


1. „Der gerechte Feuer-Eifer Gottes über Hamburg“
Der Brand der Michaeliskirche im Jahre 1750

Hamburg war im 18. Jahrhundert eine wohlhabende Stadt, die ein reiches Geistes- und Musikleben aufweisen konnte. Einflüsse der englischen Frühaufklärung waren deutlich zu spüren. Die physikotheologische Betrachtung der Welt hatte gerade in Hamburg in Barthold Hinrich Brockes Irdisches Vergnügen in Gott (1721 -1748 erschienen) eine beeindruckende poetische Umsetzung gefunden. Indem der Hamburger Ratsherr Brockes im Buch der Natur liest, weist für ihn alles auf die wohltätige Einrichtung der Welt zugunsten des Menschen hin. Das Buch der Welt ist von Gott „zu seines Namens Ehr und unsrer Lust geschrieben“. Es nötigt dem Dichter immer wieder Erstaunen und Lob ab, handle es sich nun um den Bau der Fliegenkörpers, um das Vergissmeinnicht oder die Kirschblüte bei Nacht. Die Streitigkeiten zwischen Pietisten und Orthodoxen waren lange beigelegt. Kritische Geister lehrten am Akademischen Gymnasium, darunter auch Hermann Samuel Reimarus, der ab 1745 im Geheimen an seiner „Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes“ arbeitete, über deren Existenz Brockes informiert war. Der Rationalismus gewann auch unter der Hauptpastorenschaft an Boden, da schlug am 10. März 1750 der Blitz in die erst 90 Jahre alte Michaeliskirche ein und zerstörte Turm und Kirchengebäude vollständig.

Zwar erscheint der Brand einer Kirche ohne weitere Schäden für die Menschen der Stadt verglichen mit den späteren Katastrophen als geringfügig .Er hat aber die Geistlichkeit und die Öffentlichkeit wegen seiner symbolischen Bedeutung in einem hohen Maße beschäftigt und zu langen Bußpredigten motiviert.[3] Bereits am 13. März erließ der hochedle Rath der Freien kaiserlichen Stadt Hamburg das Ausschreiben eines Bußtages auf den 19. März. Es heißt in dem Aufruf u. a.:

”Der Anblick einer so plötzlichen Zerstörung muss einem jedweden an die Seele gehen... Die Hand des Höchsten hat uns bisher vorzüglich beschützet und mit mancherlei Segnungen im vollem Maße begnadigt. Sie hat aber auch jetzo dergestalt gezüchtigt, dass wir Ursache finden, uns aufs Genaueste zu prüfen, ob wir die so häufig genossenen göttlichen Wohltaten auch allerseits und immerfort zur Genüge danknehmigst erkannt haben."

Die peinlichst genaue Ausführung dieser Prüfung übernahmen ihrem Amte gemäß die Pastoren der Stadt Hamburg. ”Der gerechte Feuereifer Gottes über Hamburg: Als die neue St. Michaeliskirche durch einen Blitz in die Asche gelegt wurde", nennt Michaelispastor Friedrich Wagner seine 53 Seiten lange Bußpredigt, die er mit Anmerkungen und Erklärungen versehen einen Monat später drucken ließ.[4] Sein Kollege an St. Katharinen, Johann Ludwig Schlosser, gibt seine ebenfalls am außerordentlichen Buß- und Bettag gehaltene Predigt unter dem Titel heraus: ”Die Stimme des Herrn im Feuer", mit 42 Seiten auch nicht gerade kurz.[5] Der Tenor dieser beiden und anderer Bußpredigten ist aus den Überschriften unschwer zu erkennen. Die Einäscherung der Michaeliskirche ist ein Strafgericht Gottes. Der biblische Text des Bußtags ist Amos 4, 1-12: ”Ich kehrete etliche unter euch aus, wie Gott Sodom und Gomorrha umkehrete; dass ihr wäret wie ein Brand, der aus dem Feuer gerissen wird", lautet der entscheidende Satz des Textes. Gott könne die Menschen auf verschiedene Weisen strafen, durch Erdbeben, Wasserfluten, Hungersnöte, führt Pastor Wagner aus, aber eben auch seit dem Strafgericht über die bösen Städte Sodom und Gomorrha durch Feuer vom Himmel, „durch viele und schwere Gewitter und einschlagende Wetter-Strahlen“. Davon redet der Prophet Amos, wenn er von der Umkehrung Israels spreche und dieser Feuereifer des Herrn ist es, „den unsere gute Stadt Hamburg in diesen Tagen mit Furcht und Schrecken empfunden hat“. „Gott selbst hat das Feuer unter uns angezündet." Nicht menschliches Versagen, nein, „ein Wetter-Strahl vom Himmel hat diesmal das Feuer angezündet, wobei kein vernünftiger Mensch in Zweifel ziehen kann, dass es der Herr selber getan, der Herr, der den Blitz schaffet und ihn lenket, wie er will".[6] Die Umstände dieses göttlichen Blitzschlages erinnern in Pastor Wagners teleologischer Beschreibung an den Herrn, der zu Hiob aus dem Wetter spricht, aber ein wenig auch an den Blitze schleudernden Zeus.

Nun aber, nach dieser ausführlichen Erwägung der Umstände und Folgen des göttlichen Blitzschlags kommt Pastor Wagner zum Abschluss des l. Teils seiner langen Predigt auf die Frage zu sprechen, warum denn Gottes Feuereifer gegen Hamburg entbrannte. Die Antwort fällt deutlich aus: „Deine Sünden, deine Laster, deine Gräuel sind es, die den Eifer des Herrn wider dich gereizt haben.“ Und in einer geballten Ladung rhetorischer Fragen hält er seiner Vaterstadt den moralischen Spiegel vor:

„Ist es nicht wahr, dass bei dem reichen Genüsse des leiblichen Guten auch Hofart, Stolz, Pracht, Völlerei, Wollust, Üppigkeit und Übermut bei vielen in dir die Überhand genommen? Ist es nicht wahr, dass viele in dir den Armen unrecht getan und unbarmherzig gewesen gegen Notleidende und gegen Witwen und Waisen? Ist es nicht wahr, dass ein großer Teil in dir bisher des Herrn Wort verachtet, und demselben Ungehorsam geblieben? Ist es nicht wahr, dass viele in dir gegen die reine Lehre und den wahren Gottesdienst von Jahre zu Jahre immer kaltsinniger und gleichgültiger geworden? Ist es nicht wahr, dass, obgleich grobe Abgötter in dir gewesen, sich doch einige Jahre her auch Menschen in dir gefunden, die nichts besser, sondern noch ärger vor Gott, und auch für die menschliche Gesellschaft noch gefährlicher sind, als jene?“[7]

Hier fügt Pastor Wagner eine scharfe Polemik gegen die Freigeister ein, die „unverschämten Spötter und Lästerer der christlichen Religion" und beklagt, dass es bisher nicht gelungen sei, deren Meinungen zu verhüten oder auszurotten. Den frommen Seelen, die es in Hamburg ja auch gibt, weiß Pastor Wagner das Unglück nicht als Strafe, sondern als „väterliche Züchtigung“ zu deuten. Den Unbekehrten und Gottlosen aber redet er im 2. Hauptteil seiner Predigt noch einmal kräftig ins Gewissen. Die Frage lautet: „Wie wir uns bei dem über uns entbrannten gerechten Feuereifer des Herrn gebührend gegen ihn zu verhalten haben“.[8] Gott möchte unsere Bekehrung und Besserung. Die Existenz so vieler Unbekehrter und Abtrünniger in der Stadt ist der Grund für seinen Feuereifer gewesen. Bislang haben sie nicht glauben wollen, dass Gott ihnen zürnt, weil es ihnen aller Regel ja auch gut ging. Jetzt aber hat Gott ihnen seine Unzufriedenheit gezeigt, ihnen aber auch die Chance zur Buße gelassen.

Das Schema, nach dem ein Unglück wie die Zerstörung der Michaeliskirche durch einen Blitzschlag gedeutet wird, ist also einfach und klar. Es ist ein von Gott gewirktes Unglück, bildlich gesprochen ein Zeichen seines Feuereifers, mit dem er über die Menschen wacht. Es ist ein Zeichen seines Zorns über die Sünden seines Volkes, über die Verfehlungen der Menschen in der Stadt. Dazu gehören besonders die Missachtung des Gottesdienstes, die Unbarmherzigkeit, Völlerei und Prachtentfaltung und (in Analogie zu Israel) der Götzendienst der Freigeisterei.

Die Kunst der theologischen Deutung einer Katastrophe besteht darin, auf dem Hintergrund des biblischen Materials die göttliche Pädagogik so zu illustrieren, dass die Zeitgenossen sowohl erschreckt wie gebessert werden. Die Weitschweifigkeit der Predigten ist der vom Barock beeinflussten Predigttradition geschuldet. Homiletische Beredsamkeit ist ein probates Mittel, den Gottesdienstbesucher in die für die Bußrede notwendige Empfindung zu bringen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts, dem Zeitalter der beginnenden Aufklärung, liegt die besondere Schwierigkeit des Predigers darin, die Umstände des Unglücks im Unterschied zu einer bloß rationalistischen Deutung auf göttliches Einwirken zurückzuführen. Dass der Blitz ausgerechnet die neueste und schönste Hauptkirche trifft, die Häuser der sündigen Bürger aber verschont, wie ist das zu erklären? Pastor Wagner in seinem Engagement für den Feuereifer des Herrn sieht diesen Widerspruch in seiner langen Predigt nicht und wird sich dadurch sicher den Spott der von ihm gegeißelten Freigeister zugezogen haben. Anders Pastor Schlosser von St. Katharinen; er geht zumindest auf diese Frage ein: „Gott zürnet ja ohne Zweifel nicht über sein Haus, sondern über die Sünden derer, die Ihm in seinem Haus dienen sollen.”[9] Zunehmend wird von den Geistlichen im 18. Jahrhundert bei Unglücken zwischen Strafe Gottes für die Sünden und bloßer Mahnung unterschieden. Trotz der Strafe kann auch Gottes Barmherzigkeit sich bei einem Unglück zeigen. So in Hamburg in der Verschonung der Bürgerhäuser. Und ein groteskes Beispiel: Bei dem Erdbeben in Palermo 1726 blieben ausgerechnet öffentliche Huren-Häuser stehen, um, so ein Franziskanermönch, den Huren Gelegenheit zu geben, „öffentlich Buß zu tun.“[10]

Gedeutet wird das Unglück nach dem Modell der reformatorisch eingefärbten deuteronomistischen Geschichtstheologie.[11] Gott hat mit seinem Volk einen Bund geschlossen; wenn es diesen Bund bricht, durch Abgötterei oder soziales Unrecht, schickt Gott Strafen, vor allem in Gestalt kriegerischer Katastrophen, das sich das Volk wieder zu ihm bekehre. Befolgte es daraufhin Jahwes Gebot, so konnte es vom Gericht verschont werden. Das Hören auf die Stimme Gottes war also das entscheidende Kriterium. In der Städtereformation gewann dieser Vorstellungshorizont neue Aktualität, als nämlich das Heil der Stadt nicht mehr vom Vollzug der Messe sondern von der Verkündigung des reinen Wortes Gottes abhängig gemacht wurde. Viel zitiert wird in diesem Zusammenhang der Spruch aus dem Propheten Amos 3,6: ”Ist auch ein Unglück in der Stadt, dass der Herr nicht wirke?” Die Stadt als ein vor Gott verantwortliches Gemeinwesen ist der Adressat der Bußpredigt. Auf Krieg, Pest, Missernten und Unglücke wurde mit kollektiven Bußgottesdiensten reagiert und mit der erneuten Verpflichtung auf Gottes Gebote.

Die Anordnung der Bußtage und die langen Bußpredigten zeigen, dass dieses Geschichtsverständnis öffentlich noch in Gebrauch ist. Angesichts der wiederholten Anklagen und pastoralen Belehrungen entsteht aber der Eindruck, dass es von den Bürgern der Stadt innerlich kaum noch mitgetragen wird. Die Bußpredigten zeichnen das Sittenbild einer Bürgerschaft, die sich offensichtlich lässig-vergnügt den weltlichen Freuden widmet. Es scheint fast so, als hätten Hamburgs Bürger sich mehrheitlich von dem Bund mit diesem strafenden und verzeihenden Gott verabschiedet. Die pastorale Beredsamkeit dient der Vergegenwärtigung dieser Geschichtstheologie, die angesichts der aus England in Hamburg sich ausbreitenden Frühaufklärung immer mehr ins Wanken geraten ist. Zudem hatten große Stadtbrände (London 1666) im 17. Jahrhundert die Einrichtung von Lebens- und Feuerversicherungen befördert. „Das relative Sicherheitsgefühl, das diese Einrichtungen verleihen, ist eine echte soziale Errungenschaft.“[12] In Hamburg wurde die Feuerversicherung bereits 1676 eingeführt. Statt die strafende Hand Gottes im Feuer zu erblicken, sah man in ihm zunehmend ein gewisses, aber beherrschbares Risiko, das durch Einhaltung schützender Maßnahmen wie Brandmauern zu verringern ist.

„Das Feuer ist also das erste Gebiet, auf dem die der jüdisch-christlichen Kultur inhärenten traditionellen Erklärungen an Boden verloren, weil man die konkrete Erfahrung von Böswilligkeit, Unachtsamkeit sowie von Materialfehlern machen und den Blitz als Auslöser von Schadensfällen identifizieren konnte.“[13]

Eine zweite Erschwernis war die um sich greifende wissenschaftliche Erklärung der Naturphänomene. Die Theologen müssen sich verstärkt bemühen, Gott als denjenigen zu zeigen, der souverän unter den Naturgewalten die Mittel seines Strafens wählen kann[14].

Die natürlichen Ursachen der Gewitter sind für die Pastoren kein Grund an der göttlichen Lenkung der Blitze zu zweifeln. Bei dem Blitzschlag vom 10. März 1750 gelingt es den Pastoren so eben noch, Strafe und Bewahrung bei diesem Unglück mit dem Bild eines letztlich liebenden Gottes in Einklang zu bringen. „Allein was tat der Herr! Er ließ die höchste Spitze erst gerade unter sich selbst in den zuerst durch die Flamme geschwächten unteren Teil des Turms sinken und sich so zuvor recht klein machen, ehe sie ausschlug.“ D. h. sie stürzte zusammen, ohne Menschen zu gefährden. Die Erfindung des Blitzableiters durch Benjamin Franklin im Jahr 1752 sollte solchen Spitzfindigkeiten allerdings kein Ende setzen.[15] In Hamburg ist diese Erfindung durch den Arzt Reimarus, den Sohn des Autors der von Lessing veröffentlichten „Fragmente eines Ungenannten“, eingeführt worden, der auch die Pockenimpfung vornahm.[16] Von aufgeklärten Pastoren wurde der Blitzableiter begrüßt, auch er sei ein Werk der gütigen Vorsehung, Gott als Vater möchte seine Kinder geschützt sehen.

Fünf Jahre später, als das gewaltige Erdbeben von Lissabon eine ganze Stadt und 60.000 ihrer Bewohner ins Verderben reißt, gerät die Vorstellung eines die Geschicke der Menschen letztendlich gütig lenkenden Gottes in die Brüche. Goethe hat diese Erschütterung in Dichtung und Wahrheit später so kommentiert: „Gott, der Schöpfer und Erhalter Himmels und der Erde, den ihm die Erklärung des ersten. Glaubensartikels so weise und gnädig vorgestellt, hatte sich, indem er die Gerechten mit den Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen.“[17] Das Erdbeben in Lissabon erschütterte bekanntlich aber auch den Optimismus der Aufklärung. Goethes Zweifel am väterlich lenkenden Gott haben sich im kirchlichen Umgang mit den Schrecken der Natur und des Krieges allerdings kaum niedergeschlagen. Bis in die Nachkriegszeit bleibt in den allgemeinen Kirchengebeten die geschilderte Weltsicht von menschlicher Verfehlung und göttlicher Strafe bzw. Mahnung dominierend.


2. „Gottes züchtigende Gnade und große Liebe“
Der große Brand von 1842

Herrliches Frühlingswetter erfreute die Hamburger am Tage vor dem Himmelfahrtsfest des Jahres 1842. Mit einem Volksfest sollte an dem kirchlichen Feiertag die Eröffnung der l. Norddeutschen Eisenbahnlinie nach Bergedorf gefeiert werden. Statt dessen wurde an diesem Maientag die Stadt von einer tagelang wütenden Feuersbrunst heimgesucht, die die Innenstadt zwischen Elbe und Alster fast völlig zerstörte. Das Feuer brach in der Deichstraße aus und kam erst nach drei Tagen zum Stehen, dort wo heute die Straße Brandsende liegt. Der große Brand Hamburgs, als Katastrophe ein Jahrhundertereignis, von den Zeitgenossen verglichen mit dem Erdbeben Lissabons, machte 20.000 Hamburger obdachlos. Viele wurden verletzt, 51 Menschen starben. 4.219 Häuser brannten nieder. Die Türme der Kirchen St. Petri, St. Nikolai und St. Gertrud sowie zahlreiche öffentliche Gebäude, das Rathaus, die Bank, das Zuchthaus, das Stadtarchiv und das Posthaus, wurden ein Opfer der Flammen. Der Gesamtschaden betrug 90 Millionen Mark.

Der große Brand hat die Hamburger erschüttert. In ihren Tagebuchblättern berichtet Elise Averdieck, wie sie die Nachricht vom Ende des Brandes hörte:

 „Alles eilte zur Stadt, um sich selbst zu überzeugen. Als man aber zum Wall kam, als man sein liebes Hamburg als einen noch rauchenden oder noch flammenden Schutthaufen vor sich sah, die Katharinenkirche, die Neue Börse frei vor sich liegen, weil alles Zwischenliegende niedergebrannt war, dazu den Rumpf des Nikolai- und Petriturms, da wurden die Freudentränen zu bitteren Schmerzenstränen. Und dachte man nun des Elends der vielen, vielen Abgebrannten, die ihr alles verloren, der vielen, die ein liebes Leben zu betrauern hatten: was und wie sollten alle diese Verluste ersetzt werden! Dann schnürte sich die Brust zusammen und man dachte: mein armes Hamburg, wird das schwere Gericht an dir ausrichten das, wozu es gesandt. Oh Herr, hilf.“[18]

Am 8. Mai gab der Senat der Hansestadt eine Kundgebung heraus:

„Freunde, Mitbürger. Mit der allmächtigen Hilfe und der anstrengenden Tätigkeit und der eisernen Ausdauer unserer Bürger und Angehörigen und unserer wohlwollenden Freunde ist der ungeheuren Feuersbrunst Einhalt getan... Unser geliebtes Hamburg ist nicht verloren. Gott mit uns“.[19]

Tatsächlich hatte ein nachlässig handelnder Senat jahrelang den sich häufenden Bränden in der immer dichter besiedelten Stadt fast tatenlos zugesehen. Es war nur dem energischen Eingreifen dreier englischer Ingenieure zu danken, dass das Feuer eingedämmt werden konnte. Sie stoppten es mit Sprengungen und wurden deswegen vom Pöbel als eigentliche Brandstifter tätlich angegriffen. (Einer von ihnen war übrigens der Ingenieur Lindley, der beim Wiederaufbau Hamburgs eine wichtige Rolle spielt).

Das große Unglück, das die Hamburger betroffen hatte, löste in ganz Deutschland, ja in Europa eine Welle der Hilfsbereitschaft aus, um die Not zu lindern. Heinrich Heine hat diese christliche Liebestätigkeit in Deutschland. Ein Wintermärchen ironisch kommentiert.

Gottlob! Man kollektierte für uns
Selbst bei den fernsten Nationen –
Ein gutes Geschäft – Die Kollekte betrug
Wohl an die acht Millionen.

Der materielle Schaden ward
Vergütet, das ließ sich schätzen –
Jedoch den Schrecken, unseren Schreck,
Den kann uns niemand ersetzen!
[20]

Vor allem aber zahlten die Versicherungen Millionenbeträge aus. Allein die Hamburger Feuerkasse hatte für Gebäudeschäden in Höhe von 45 Mio. Courant-Mark aufzukommen; das ging nicht ohne gewaltige Staatsanleihen. Die finanzielle Seite der Katastrophe konnte erst im Jahre 1888 endgültig abgewickelt werden.

Wie deuteten nun die Kirchen die bis dahin größte Katastrophe Hamburgs? Nicht erst ein vom Rat amtlich verordneter Bußtag im 7. Juli, sondern bereits in den Pfingstpredigten knapp eine Woche nach dem Brand hatten die Prediger nur dieses eine Thema: „Not lehrt beten. Die ganze Bevölkerung Hamburgs“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, „drängt in die Kirchen. Eines brachte alle ins Gotteshaus: Das Gefühl des Bedürfnisses nach einer gemeinsamen Andacht des Trostes, der menschlichen Nichtigkeit, der Wunsch der Erhebung der Gemüter zu Gott und der einstweiligen Enthebung von dem Trüben des gewöhnlichen Lebens.“ Und so fügt der Chronist hinzu: „Eines brachten alle mit aus der Predigt: Beruhigung, Trost und die durch Hoffnung erweckte Kraft ...“[21]

Dieses Urteil erstaunt ein wenig angesichts des vorherrschenden Aussagetrends in den Predigten jener Tage, die in vielen Varianten das umkreisten, was schon 90 Jahr zuvor „die Stimme des lebendigen Gottes im Feuer“ geheißen hatte. Über die Feuersbrunst als „Gottes züchtigende Gnade und große Liebe” predigt der Hammer Pastor Hermann Mumssen. Mumssen stellt fest: „Fast kein Mensch wagt zu leugnen, die Hamburger Feuersbrunst sei ein Strafgericht Gottes.” Aber man muss das richtig verstehen: „Das Feuer soll Hamburg aus dem geistlichen Schlaf aufwecken, der sonst sicher unser Verderben geworden wäre.”[22] Leere Kirchen, Üppigkeit, Pracht, Wohlleben, keine Sonntagsheiligung, Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit – das sind die Merkmale des Verfalls. „So Geliebte hat uns Gott geschlagen, das ist wahr, aber seine Schläge haben auch eine freundliche Bedeutung ( …) Gott hat sich wieder zu uns gewandt, das Heilmittel ist zwar scharf, aber es ist auch heilbringend.”[23] Es kommt darauf an, jetzt, wo das Irdische relativiert wurde, „immer mehr die Rettung unserer Seelen bei ihm zu suchen”. Und schließlich auf den Wiederaufbau vorausschauend: „Lasset uns dann bereit sein, nicht bloß den Hausstand, sondern das ganze Leben als ein neues zu führen.”[24] Eschatologische Töne schlägt der ebenso erwecklich wie sozial ausgerichtete Pastor Rautenberg an, der Begründer der Sonntagsschularbeit, der am Pfingstsonntag in der nicht zerstörten Dreieinigkeitskirche in St. Georg predigte:

„Wir blicken auf den Herrn im Feuer, der unsere Stadt verheeret, (...) so wird dasselbe uns 1. ein helles Licht, dabei die Größe seiner Macht, 2. eine scharfe Fackel, dabei den Ernst seines Unheils, 3. eine ernste Leuchte, dabei den Weg seines Heils, 4. ein milder Schein, dabei den Trost seiner Gnade zu erkennen.“

Im letzten Teil verweist er auf die Stadt Gottes da droben: „Die fällt nicht in Asche, weil sie in dem Feuer besteht, welches die Erde und ihre Werke verzehrt. Und das ist doch unsere rechte bleibende Vaterstadt, längst von unseren Seelen gesucht.”[25] Für Rautenberg enthüllt das Feuer die zugleich sittliche wie soziale Verlorenheit der Stadt, so in einer Predigt vom 10. Sonntag nach Trinitatis 1842, die noch einmal auf den Brand eingeht.

„Das ist das tiefste Grauen und Entsetzen unserer Trümmer, dass sie ein wahres Bild unseres sittlichen Verderbens, dass sie nur der schaurige Widerschein des Elends sind, welches schon lange unter uns gewohnt. Verwüstet liegen Gottesfurcht und Glaube, Wahrheit und Gerechtigkeit, christliche Zucht und Sitte, verwüstet wie unsere Gotteshäuser, unsere Paläste und Hütten da, und in diesem Jammer sehen die Augen des Herrn – und weinen.“[26]

Dies war nach dem Bericht des Chronisten eine die Menschen erschütternde Predigt, weil Christus als Mitleidender geschildert wird.

„Das Feuerzeichen des Herrn in den Flammen” nennt Pastor John von der zerstörten Petrikirche seine Predigt. „Eine solche Demütigung war für Hamburg nötig geworden ... war nicht manche Kirche schon eine Witwe, ehe sie in Trümmern lag?”, fragt der Prediger. Und: „Wo wurde denn in den zerstörten Häusern gebetet?” Bleibt nur das Fazit: „Gott musste sich wie ein verzehrendes Feuer gegen den alles zerstörenden Leichtsinn wenden. Er musste schlagen, um uns zu heilen.”[27] Wie in der Bußpredigt der Propheten Israels, wie beim Brand des Michaeliskirche, fordern also die Pastoren dazu auf, in dem Unglück zumindest eine Mahnung Gottes zur Umkehr, wenn nicht sogar eine direkte Strafe für die Sünden der Stadt zu erkennen. Der Bergedorfer Bote grub sogar die Bußtagsausschreibung und die Predigt Wagners aus dem Jahr 1750 wieder aus und sah dessen Warnung gewissermaßen durch den Brand von 1842 erfüllt.[28] Gott ist in dieser Sicht der harte, aber heilbringende Pädagoge, er züchtigt mit diesem Unglück, will aber die Besserung der Menschen bewirken.

Anders als die evangelischen Pastoren deutet Rabbi Salomon vom neuen israelischen Tempel den Brand Hamburgs. Auch er spricht zwar von „Gottes Stimme aus dem Feuer”: „Nicht ohne seine Zulassung brachen die Flammen aus, nicht ohne seine Zulassung wurden sie gehemmt”, denn: „ereignet sich ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht verhängt”, sagt Salomon mit dem Propheten Amos.[29] Doch dann differenziert er: „Wenn auch das uns betroffene Unglück nicht ohne Gottes Zulassung stattgefunden hat, so glaube doch niemand, dass der Herr dieses Übel über uns verhängt habe, um uns zu quälen, seine züchtigende Hand auszustrecken und ein Strafgericht über Hamburgs Bewohner zu halten.” Es ist falsch, „in dem Unglück eine notwendige Folge der menschlichen Sünde zu erblicken.” „Am allerwenigsten darf dasjenige Unglück, das eine ganze Stadt trifft, als Maßstab der Versündigung und Verschuldung angesehen werden”, denn das widerspräche Gottes Gerechtigkeit. Nicht zur Strafe, sondern „um durch Prüfung das Wohl der Menschen zu begründen”, handelt Gott.[30] Er lässt nur das zu, schließt Rabbi Salomon, was in Beziehung auf unser Wirken und Leben überwiegend Gutes bewirkt. Dies ist eine notwendige Differenzierung, die sich von den moralistischen Predigten der lutherischen Pastoren wohltuend abhebt. Die kleinliche und geradezu unwürdige Vorstellung, dass Gott Feuer regnen lässt, um die Kirchen zu füllen und christliche Zucht und Sitte wieder aufzurichten, ist hier vermieden. Auch in Rabbi Salomons Sicht ist Gott der Pädagoge seines Volkes. Der Zuhörer aber kann in dieser offenen Deutung von Gottes zulassendem Handeln selbst bestimmen, welche positiven Wirkungen diese Prüfung bei ihm ausgelöst hat und wo er sich zum Guten ändern möchte.

Auf der anderen Seite versuchen die Prediger, Gottes bewahrendes Handeln in dem Unglück (wie bereits 90 Jahre zuvor) mit gewagten Interpretationen der Naturkräfte zu verdeutlichen. Pastor John führt aus: „Gott hat aber Gedanken des Friedens über uns. Er schickte einen Sturm aus Süd-West, aber auch schließlich einen Rettungsengel, der dem Sturm Einhalt gebot. Hamburg soll noch nicht untergehen.”[31] Schließlich erscheint am dritten Tag des Brandes am östlichen Himmel ein prachtvoller Regenbogen – für Christen natürlich ein Zeichen der Hoffnung.

Auch Pastor Friedrich Sonnenkalb weiß darin Trost zu finden. „Du bist unsere Zuflucht. Du hast für uns gesprochen. Es steht unsere Schule (das Johanneum), es steht unsere Börse. Als Bildungs- und Handelsstätte soll unseres Hamburgs alter Ruhm verjüngt sich erheben.”[32] Bereits in der ersten Veröffentlichung über den großen Brand, verfasst von einem Dr. Verschleiden und 1843 bei Hofmann und Campe verlegt, wird die fromme Legende vom göttlichen Eingreifen kolportiert: „Gott reckte seine schützende Hand aus den Wolken hervor und mitten unter den Flammen blieb die Börse unversehrt.” Den Handelsbürger Dill, der sich unvermutet als letzter in der Börse vorfand, durchzuckte der Gedanke: „Wie wenn dich Gott zum Werkzeug auserlesen hätte, dieses Gebäude zu retten.” Er fing mutig an zu löschen und siehe da, die Börse wurde gerettet.

Doch diese populär-theologische Posse beiseite gesetzt, - war der Brand ein Gericht Gottes? Bis auf eine Ausnahme hat sich das Deutungsmuster des vor Gott verantwortlichen Gemeinwesens, das für seine Sünden durch die Schickung von Katastrophen bestraft wird, in Hamburg erhalten. Immer wieder wird die Metapher vom Feuereifer und Feuerzeichen Gottes von den Predigern herangezogen, um der Stadt ins Gewissen zu reden. Der große Brand ist göttliche Heimsuchung. Menschliches Versagen, Misswirtschaft, reaktionäre Politik spielen in den Deutungen der Pastoren keine oder eine unwesentliche Rolle. Es scheint, als sei die gesamte Aufklärung mit ihrer Kritik an einem aufweisbaren Geschichtshandeln Gottes an der Hamburger Pastorenschaft spurlos vorübergegangen. Neben der Gerichtspredigt war aber die Trostpredigt für die obdachlos gewordene Bevölkerung besonderes Anliegen der Pastorenschaft sowie die Weckung von tätigem Mitgefühl für die Opfer der Katastrophe.

Von den vormärzlich eingestellten Dichtern und Denkern wurde der große Brand in Hamburg auch als ein Gericht über das Alte gedeutet, in Hamburg repräsentiert durch die Zopf- und Krausenträger im Senat. Es muss anders werden, hieß es überall. Hinweg mit den Zopfträgern. Fort mit den Herrschaftsprivilegien der Reichen.[33] Auch Heinrich Heine deutete den Brand gewissermaßen „sozialpädagogisch“ und ermunterte die Hamburger 1844 in Deutschland. Ein Wintermärchen: „Baut eure Häuser wieder auf und trocknet eure Pfützenund schafft euch bessere Gesetze an und bessere Feuerspritzen.“[34]

Das mit den besseren Gesetzen dauerte noch ein Weilchen. Erst 12 Jahre nach der Revolution von 1848 konnte die erste frei gewählte Bürgerschaft im Haus der Patriotischen Gesellschaft zusammentreten. Die abgebrannten Stadtteile wurden neu aufgebaut, allerdings oft wieder mit überaus beengten und hygienisch bedenklichen Wohnverhältnissen für die unteren Volksschichten.


3. Auch ein Versagen der Reichen
Die Choleraepidemie von 1892

Unter anderem wegen der versäumten Sozialreform kam es 50 Jahre nach dem großen Brand in Hamburg zu einer weiteren Katastrophe, der Cholera-Epidemie von 1892, die fast 6.000 Tote forderte. Von der asiatischen Cholera ausgelöste Epidemien gab es in der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts in vielen europäischen Städten. Evans hat in der Studie Tod in Hamburg Entstehung und Verlauf genau geschildert. Natürlich war dies ein Geschehen, das nach theologischer Deutung rief.

Als Beispiel sei die Predigt erwähnt, die Hauptpastor Albrecht Krause am 2. Oktober 1892 in St. Katharinen unter dem Titel „Hamburgs Anfechtung, Bewährung, Errettung“ hielt[35]. Gegen die Skeptiker, die an einer sinnvollen „Weltordnung der Liebe“ (S.4)angesichts des großen Leidens zweifeln, führt er aus: Leid und Schmerz gehören wie die Freude zur von Gott geschaffenen Welt und zu der von ihm bestimmten Erfahrung des Menschseins. „Die Schicksalsschläge haben ihre ernste Stelle in der Entwicklung des Getriebes allwaltender Liebe“ (S. 5) Anfechtungen sind zu erdulden. Die Cholera hat gezeigt „wir hatten gesündigt, die einzelnen, die Gesellschaftsclassen, die Gesammtheit.“ Es hat gerade auch auf der Seite der Reichen Versäumnisse gegeben. „Die Reichen haben die Heimstätten der Armen zu Gegenständen der Speculation werden lassen“ (S. 7), die Schaffung von Wohnquartieren ohne Licht und Luft rächt sich jetzt. Die Lehre der Cholera ist: „Das Innere der Familienstätten in Licht und Luft und allen übrigen Lebensbedingungen (muß) gesunder werden.“ (S. 11) Arme und Reiche sind aufeinander angewiesen, „müssen füreinander leben, arbeiten und sorgen.“ „Wir sind ein Volk von Brüdern unter einem Vater im Himmel“, diese Erkenntnis hat Gott „mit furchtbarer Gewalt im Elend aufgewiesen.“ Deswegen führen die „Träume vom Volkswohl“, die Diskussion um die „Staatsformen ob Republik, Monarchie, socialdemokratisches Hoffnungsbild“ nicht weiter. Nötig ist die Besinnung auf Gott als „die Macht der Liebe“, nötig sind „Einrichtungen, wo Liebe, Glaube und Hoffnung gelehrt und anerzogen wird.“ (S. 13) Im Klartext: “Die Religion ist daher nicht Privatsache, die Religionsgemeinschaften sind die notwendige Ergänzung des Staates.“ (S. 2)

Der kirchliche Prediger funktionalisiert zwar die Katastrophe letztlich wieder für kirchlich-religiöse Zwecke. Doch der Strafton ist weitgehend verschwunden, gemeinsame Betroffenheit zum Wohl des Ganzen wird artikuliert. Eine Theologie des Lebens und der Liebe, zu der auch Differenzerfahrungen gehören, löst die Geschichtstheologie ab. Hier zeigt sich, dass die Kirche ihren schwindenden Einfluss in der Arbeiterschaft sieht und eher vorsichtig um eine auch christliche Erneuerung des Gemeinwesens wirbt.[36]


4. Gemeinsame christlich-sozialdemokratische Erschütterung
Die Primus-Katastrophe 1902

Trotz der Sozialistengesetze erstarkte die Sozialdemokratie im Kaiserreich. Als die Gesetze 1890 aufgehoben werden, dauerte es nicht mehr lange und sie wurde bei den Wahlen zur stärksten politischen Kraft. In Hamburg ist die sich organisierende, selbstbewusste Arbeiterschaft fast automatisch in Gegensatz zu Bürgertum und der bürgerlich bestimmten Kirche geraten. Denn für die kirchlich entwurzelten Arbeiter versuchte sie von der Wiege bis zu Bahre eine eigene Sinn- und Fest-Kultur zu bilden. Das führte in Krisensituationen einerseits zu unterschiedlichen Deutungen der katastrophischen Ereignisse. Andererseits motivierte die Erfahrung der Grenzsituation des massenhaften Todes und seine Bewältigung zu gemeinsamen Bemühungen von Arbeiterschaft und Kirche. Das lässt sich deutlich an der Primus-Katastrophe vom 20. Juli 1902 zeigen.[37] Bei einem Ausflug der sozialdemokratischen „Liedertafel Treue von 1887“ (gegründet während der Zeit der Sozialistengesetze) mit dem Raddampfer Primus kamen 101 Menschen ums Leben.

Der Dampfer war vor Nienstedten mit einem Schlepper zusammengestoßen. Der Dampfer sank schnell, es entstand eine Panik, die zu der großen Zahl von Toten führte. Schon zwei Tage später wird auf Initiative des Kirchenvorstehers und Armenpflegers A. Harten eine Bürgerversammlung abgehalten, auf der ein Hilfsausschuss für die Hinterbliebenen gegründet wird, in dem 8 Mitglieder des Eilbeker Kirchenvorstandes, darunter die zwei Pastoren Remé und von Ruckteschell sowie zwei Vertreter der Liedertafel Treue vertreten sind. Man beschließt, eine gemeinsame und zwar kirchliche Bestattungsfeier unter Beteiligung eines sozialdemokratischen Redners durch zuführen. Am Vorabend der Bestattungsfeier findet in der überfüllten Eilbeker Friedenskirche ein Trauergottesdienst statt, in dem Pastor Remé die Ansprache hält.[38] Er betont besonders, dass Männer und Frauen aus allen Kreisen unserer Bevölkerung sich zu gemeinsamer Hilfe zusammengeschlossen hatten. Darin liegt „etwas Versöhnliches“. Das schließt nicht die schmerzlichen Wunden in den Familien: „es ist als wenn der Boden unter den Füßen wankt.“ So verschieden unsere Standpunkte sind, „wir sind gemeinsam berührt von der gewaltigen Hand, die unser Leben lenkt“. Trost bieten die neutestamentlichen Erzählungen - Jesus, der mit seinen Jüngern im Dunkel der Nacht über das Meer fährt und zu ihnen spricht: „Fürchtet euch nicht: ich bin es.“ Diese Zusage gelte den Hinterbliebenen. In einem Zeitungsbericht hieß es: „Er schloss seine Rede, bei der kein Auge trocken blieb, mit dem Spruch: wenn ich einmal soll scheiden.“

Am nächsten Tag die erste Beisetzung von 22 Opfern. Der Trauerzug sammelt sich an der Leichenhalle am Lübecker Thor, zieht über die Wandsbecker Straße und Barmbek bis zum Ohlsdorfer Friedhof. Circa 10.000 Menschen begleiten den Zug. „Hinter dem langen Wagenzug folgt die alte rote Fahne der Sozialdemokratie mit Gefolge; dahinter gehen ‚Herwegh’ zuerst, die Liedertafeln des Arbeiter-Sängerbundes mit 17 Bannern. Auch die Fahne unserer Altonaer Genossen ist im Zug.“[39] Die Ansprache am Grab hält der Altonaer SPD-Abgeordnete Karl Frohme.[40] Das Pathos der Einfühlung in das Unglücksgeschehen und seine Folgen ist ähnlich wie bei Pastor Remé. „Frohme schildert die Unumkehrbarkeit des tödlichen Geschehens und versucht dann doch Trost zu spenden. „Von dem, was uns der Tod geraubt, lebt das Beste mit uns fort (…) es gibt ein unzertrennbares Band zwischen den Todten und den Lebenden.“ Mit biblischem Anklang sagt er: „Jenen folgen nach die guten Werke, uns zur Lehre und zur Nacheiferung.“ Des Todes Lehre heißt einander lieben und die Pflicht tun. „Es ist nicht schwer, gerecht und gut zu sein, wenn nur der gute Wille dazu uns beseelt.“ In dieser Mischung aus Kant und Goethe, die bereits die christliche Ethik säkularisiert hatten, wird „das heilige Evangelium der Menschenliebe“ beschworen, das wie „das treue freundliche Immergrün“ am Grabe ewig frisch und jung bleiben soll. Ohne Gottesbezug und Jenseitshoffnung ist sowohl die mahnende Deutung wie das gedenkende Pathos in den Ansprachen vom Pfarrer und Reichstagsabgeordneten strukturell ähnlich. Man sieht daran: Das bürgerliche Erbe, das die Sozialdemokratie antreten will, ist eben auch christlich mitbedingt. Die konservative Presse kritisierte die bürgerlichen Vertreter, die sich „von der jesuitisch-schlauen Führung der Sozialdemokratie“ für eine Demonstration der Arbeiterbataillone missbrauchen ließen.[41] Auf einer weiteren Trauerfeier am 27.7.1902 versammelten sich 20-25.000 Menschen auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Das letzte Wort hatte Pastor von Ruckteschell, der noch einmal die Weltanschauungen übergreifende Gemeinsamkeit des Trauergeschehens ins Zentrum stellte. „Wir lassen uns durch die vielen Farben an diesem Grab nicht irre machen… Eilbek ist durch dies Unglück ein Ort des Friedens geworden, wo die Parteien schweigen mussten im Werke der gemeinsamen Liebe.“

Das Hilfskomitee sammelt bis zum Oktober 267.589 Mark. Die Sozialdemokratie veranstaltete eine Extra-Sammlung. Nach der Auszahlung der Soforthilfe war die Frage, was mit dem Geld geschehen sollte. Es wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die die Unterstützung der Hinterbliebenen im Sinne einer christlich gefärbten patriarchalen Fürsorge regelte (kein Rechtsanspruch). Außerdem wurde ein monumentaler segnender Christus (günstig erworben für 6250 Mark) mit einer Gedenktafel am Grab der Opfer nahe bei Kapelle V aufgestellt und im Mai 1904 eingeweiht. Hier ist das Gedenken wieder ganz in kirchlicher Hand; Pastor von Ruckteschell sagte: „Was sich damals in Hamburg vollzog, war eine Wirkung seines Friedens. Nicht das Gesetz der Selbsterhaltung, nicht ein Naturgesetz führte uns zusammen, sondern es war der Reflex der Sonne, der von Jesus ausgestrahlt wird in unsere Herze.“

Nicht nur hat die bürgerliche Mehrheit im Hilfskomitee in der Wahl der Monumentgestaltung sich durchgesetzt. Hier wird die Sozialdemokratie, die ausdrücklich nichtreligiös das Unglück deutete und die Menschengemeinschaft beschwor, wieder dem christlichen Deutungsmonopol untergeordnet. Der christliche Trost, der in den Zusagen des tröstenden Christus sicher auch die Herzen der entkirchlichten Hinterbliebenen und Trauergäste erreichte, eben weil die Kirche als dominierende obrigkeitliche Ritualinstitution sich in die Trauergemeinschaft einreihte, wird hier wieder von oben oktroyiert. Die Stiftung wurde 1926 aufgelöst, das Primusdenkmal ist noch heute neben der ehemaligen Kapelle V zu sehen.


5. Von Gott verhängtes Schicksal und Bewährungsprobe der Volksgemeinschaft
Der Hamburger Feuersturm 1943

Die politische Katastrophe dieses 20. Jahrhunderts ist der Nationalsozialismus und der von ihm ausgelöste 2. Weltkrieg. Auch in der Geschichte Hamburgs sind die Verbrechen des Nationalsozialismus ohne Beispiel. Diese von Menschen zu verantwortende Katastrophe besteht aus drei Katastrophen - der Deportation und Ermordung der in Hamburg verbliebenen Juden, der Erniedrigung, Terrorisierung und Ermordung von 49.000 Häftlingen aus vielen Ländern im KZ Neuengamme und der Zerstörung Hamburgs durch die verheerenden Bombenangriffe der Alliierten Ende Juli 1943. In den Geschichtsbüchern wird der Feuersturm im Juli 1943 oft als die größte Katastrophe Hamburgs bezeichnet. Das ist, was die Zerstörung des Wohnraums in Hamburg und die Zahl der zivilen Opfer betrifft, richtig.

Feuersturm - vom Feuer war schon zwei Mal die Rede, beim Brand des Michels 1750 und beim großen Brand von 1842. Die Zerstörung von Sodom und Gomorrha wurde in den Predigten 1750 häufig zitiert. „Unternehmen Gomorrha“ nannte die britische Luftwaffe verschleiernd und zutreffend zugleich den Plan der systematischen Bombardierung Hamburgs. „Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorrha.“ (Gn 19,24) Was in der Bibel als göttlich bewirkte Naturkatastrophe erscheint, wird nach dem Vorbild des Flächenbombardements von Coventry und Rotterdam als Massenzerstörung in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß von Menschen geplant und durchgeführt. 3.000 Flugzeuge warfen 3 Millionen Brandbomben, 80.000 Phosphorbrandbomben, 25.000 Sprengbomben auf die Stadt. Sie entfachten einen Feuersturm, der mit Orkanstärke durch die Stadt raste. Er fraß den Sauerstoff und verbrannte den Menschen die Lungen, er verwandelte die vor ihm Fliehenden in Fackeln und machte die Stadt zu einer Wüste. Über 40.000 Menschen starben während der zehntägigen Angriffe einen oft qualvollen Tod. 900.000 Menschen wurden obdachlos oder befanden sich auf der Flucht. 61 % des Hamburger Wohnraums wurden zerstört, einige Stadtteile, wie Hamm, Barmbek und Rothenburgsort sogar bis zu 100%. Es war, so empfanden es alle, die Hölle. Erfahrungsberichte und Fotos (jetzt im Museum des Mahnmals St. Nikolai zu sehen) zeigen dies auf bestürzende Weise.

Die Fassungslosigkeit war allgemein. „Als Alles ringsum brannte“, schrieb der Barmbeker Pastor Bauer in einem Rundschreiben Ende Oktober 1943, „fehlte Hilfe, die Luftschutzgemeinschaften wurden unwirksam. Wer hätte sich eine so rasende Katastrophe auch nur ausdenken können?“[42]

Es war kein bestallter Theologe, sondern ein Schriftsteller, der das Entsetzen in Worte zu fassen und auch vorsichtig zu deuten versuchte - Hans Erich Nossack in seinem Bericht „Der Untergang“ vom November 1943.[43] Er musste schreiben, sagt er, weil ihm sonst der Mund für ewig verschlossen gewesen wäre. Sein Bericht (zuerst veröffentlicht 1948) ist von großer Genauigkeit und Unerbittlichkeit, was das epochal Neue der Operation Gomorrha betrifft - wie die Stadt über Nacht durch die Zerstörungen zu etwas Fremden wird, sie ist nicht wieder zu erkennen.

Auf Straßen und Plätzen, ein Leben lang bekannt, findet man sich nicht mehr zurecht, so schrecklich sind die Zerstörungen. „Wir erwarteten, daß uns jemand anrufen würde: es ist doch nur ein schlechter Traum.“ Er beschreibt die Überlebenden, das Entsetzen in ihr Antlitz gezeichnet, wie sie nicht weinen oder klagen. Der Machtapparat des totalen Staates ist für kurze zeit völlig gelähmt. „Damals sprach jeder aus, was er dachte, kein Gefühl war den Menschen ferner als Furcht“.[44] Aber auch was die Schuldfrage betrifft, ist er klar: „Auch ich muß aufstehen und mich am Untergang meiner Stadt schuldig bekennen“[45] Besonders bemerkenswert: „Ich habe nicht einen einzigen Menschen auf die Feinde schimpfen oder ihnen die Schuld für die Zerstörung geben hören.“[46] Das Schicksal, die Nemesis, befürchtet oder herbeigesehnt, war an Hamburg vollzogen. Der Chronist, der die Zerstörung zunächst aus der Ferne beobachtet, „wankte am Ufer der zerstörten Welt auf und ab und es stöhnte durch mich hindurch: Ach Gott!? Ach Gott! das ist nicht mehr zu ertragen.“[47] Dann kehrt er in die Stadt zurück: „Wir gingen wie Tote durch eine Welt, die keinen Anteil mehr nehmen an den Kümmernissen der Lebenden.“[48]

Die Hamburger Kirche schwieg öffentlich zu der schrecklichsten Katastrophe ihrer Stadt. Mit der Zerstörung der Stadt wurde auch der äußere Bestand der Kirche fast völlig vernichtet. Unter den Opfern war ein Kirchendiener, aber kein Pastor. Große Teile der Hamburger Bevölkerung wurden evakuiert oder gingen freiwillig. Auch viele Pastoren, deren Zahl durch den Fronteinsatz ohnehin dezimiert war, waren wie viele Hamburger aus der Stadt geflohen, was auch zu Kritik Anlass gab. Der seit langem kranke Bischof Tügel weilte auf Kur außerhalb und kehrte auch nicht zurück, als die Nachricht von der Zerstörung ihn erreichte. Sein Stellvertreter[49], Pastor Reinhard aus Harvestehude, schickte aber am 27.Juli 1943 einen Brief an die Pastoren der Landeskirche, „in dem er vor einem zeitgebundenen harmlosen Optimismus“ warnte. „(Unsere Verkündigung) muss von dem verborgenen Gott, vor dem alle zittern, weiter führen zu dem in Christus offenbarten Gott, den wir trotz allem anreden dürfen: du, unser Vater.“ Herzliches Erbarmen mit den Opfern und Bekenntnis eigener Schuld sei angesagt. In einer Pastorenversammlung am 13. August 1943 wird Reinhard in einer Auslegung von Js 30,6-18 noch deutlicher. Er sieht eine Ursache für die damals drohende Katastrophe (Bündnispolitik mit Ägypten) in der „Gleichschaltung der Verkündigung des Willens Gottes mit zeitgebundenen menschlichen Wünschen, des Ewigen mit der Konjunktur“. Die sich davon hätten „abdrängen lassen, die Gewissen wach zu halten“, müssten jetzt ihre Schuld bekennen, alle müssten sich an dem „Stillesein und Hoffen“ Jesajas orientieren. Die damit angebotene Deutung der gegenwärtigen Katastrophe blieb jedoch hinter verschlossenen Türen[50].

Im Übrigen ordnete sich die Hamburger Kirche in die auch von der Parteiführung ausgegebene Losung ein, dass die Katastrophe eine Bewährungsprobe für die „Schicksalsgemeinschaft“ der Hamburger sei, die letztlich standgehalten und sich so als „Volksgemeinschaft“ bewährt habe. Trotz der vielen zerstörten Kirchen gab daher auch die Kirchenleitung die Parole aus „Die Kirche Hamburgs steht.“ Mit einem Vers des Evangelisten Lukas (9,62) appellierte Bischof Tügel an seine Gemeinden: „Wer die Hand an den Pflug legt und blickt zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.“[51] Pastor Isenberg im zerstörten Rothenburgsort griff den Gedanken auf und erinnerte an Lots Weib, die zurückstarrte und sich nicht losreißen konnte von ihrer Habe und Heimat. Ähnlich bemühte Pastor Kreye in Hamm Lots Weib, das zur Salzsäule erstarrte: „Nicht rückwärts schauen sondern aufwärts.“[52] Pastor Kreye, der sich schon früh mit einer Ergebenheitsadresse an Hitler hervorgetreten war, war es dann auch, der „inmitten der Ruinen (…) Lebenskraft und Lebenswille“ der Hamburger rühmte.[53]

Natürlich führte die große Zahl der Toten zur Erschütterung des Glaubens an einen gütigen Gott: „Wie kann Gott, den wir unseren Vater nennen, solch namenloses Leiden auf Erden zulassen?“ fragte der Barmbeker Pastor Neugeschwender in einem Gemeindebrief vom November 1943.[54]

Aber die Geistlichkeit wollte weder zu sehr die Theodizeefrage stellen noch ins Gewissen reden. Sie wollte eher mit in der Bibel enthaltenen tröstlichen Deutungen von kollektivem Stadtunglück die Gemeinden trösten und beruhigen. Bezeichnend ist hier die Predigt, die auf Einladung des Bischofs am 7. November 1943 Pastor von Bodelschwingh, der Leiter der Betheler Anstalten und vormalige Reichsbischof, in einem „Trostgottesdienst“ in St. Jacobi hielt

Die durch Bomben verwüsteten Städte Deutschlands werden verbunden mit den Visionen Jesajas über die Verwüstungen der Großstädte Damaskus, Tyrus, Babel. Die Männer der Bibel ringen mit dem Rätsel der Geschichte und fragen, warum lässt Gott mit den Schuldigen so viele Unschuldige sterben? Und dann der Trost: „Darum fällt das, was ihr hier in Hamburg erlebt habt, nicht aus dem Rahmen der Bibel heraus.“ Wir erleben den Druck von sichtbaren Gewalten, denn wir stehen in einer Weltenwende. Doch hinter den Schmerzen und den Leiden steht die Hand Gottes. „Es ist ein sehr großes Geschenk, das die Bibel uns hilft, unsere Kämpfe und Leiden einzuordnen in die Zusammenhänge der heiligen Gottesgedanken.“ Gott legt uns eine Last auf, aber er will uns auch aufrichten. Jesus kann uns auf jeder Stufe unseres Lebens begegnen, er begegnet auch den Ausgebombten und bettelarm Gewordenen. „Denke an das heilige Kind in der Armut seiner Geburt, denke an den Menschensohn, der nicht hat, wo er sein Haupt hinlege.“

Von Bodelschwingh blendet die politischen Ursachen der Bombenangriffe total aus, ordnet sie in das unbegreifliche Strafwalten Gottes in der Geschichte ein und verschicksalt sie auf diese Weise. Er fällt damit hinter die Einsicht zurück, die die Hamburger nach den Angriffen, wie Nossack berichtet, selber hatten: uns ereilt mit der Zerstörung eine gerechte Strafe, auf uns fällt zurück, was wir bei unseren Feinden angerichtet haben. Dies öffentlich zu thematisieren hätte allerdings Bekennermut gebraucht, der, ich sage es nicht im Ton des Vorwurfs, selten war in dieser Zeit.

Ein zentraler Gedächtnis- und Trauergottesdienst fand am Totensonntag 1943 in St. Petri statt, die Predigt hielt Volkmar Herntrich. Er konzentrierte seine Predigt nach „der Erfahrung des furchtbaren Todesschicksals“ unserer Stadt auf die „christliche Gewißheit eines Lebens nach dem Tod.“ Die Resonanz auf diesen Gottesdienst war gering, man zählte nur 91 Besucher, was u.a. darauf zurückgeführt wurde, dass es in der teilzerstörten Kirche kalt und zugig war. Eine Rolle spielte sicher auch die konkurrierende, von der Partei organisierte große „Gedenkfeier für die Opfer der Terrorangriffe auf Hamburg“ auf dem Adolf Hitler-Platz vor dem Rathaus, die mit ihrer sakralen Struktur den Beginn „der Kultivierung des Bombentodes“ (Thiessen) markiert. „Die Katastrophe verwandelte sich in Katharsis: Das Ritual des Totengedenkens stellte den Zyklus von Sterben und Gebären nach, aus dem die Trauer- zur Volksgemeinschaft und zu neuer Stärke erwachsen sollte.“[55] Auch die Rede des Gauleiters Kaufmann war ganz darauf gestimmt.

Gab es in der Kirche eine kritische Deutung des Feuersturms? In einer Hamburger Predigt nach dem Feuersturm wird der Gedanke des Gottesgerichts zumindest angedeutet. Pastor Zacharias-Langhans fragte seine Gemeinde in Fuhlsbüttel am 25. Juli. „Unsere Vaterstadt im Sterben. Sollen wir die Royal Air Force anklagen (…) Aber was hat das für Sinn? Hier ist mehr als der Engländer (…) Die Hand!! Die Hand, nicht des Feindes. Nein, seine Hand! (…) Und alles Hadern versteht die Stunde nicht. Denn hier (…) am Ende im Dunkel seiner unerklärlichen Führung sind wir gefragt nach dem Ende unserer Gottlosigkeiten. Nach unserem innersten Zurück zu ihm.“[56] Hier scheint die deutsche Verantwortung für die Kriegsverbrechen, sprich „Gottlosigkeiten“, die jetzt auf die Täter zurückschlagen, zumindest angedeutet. Und dies war ja auch die Stimmung in der Bevölkerung unmittelbar nach den Angriffen, wie Nossack und andere berichteten.

Nicht in Hamburg, aber in der Nachbarstadt Lübeck hat es einen Pastor gegeben, der nach den verheerenden Bombenangriffen auf Lübeck ein Jahr zuvor im April 1942 Stellung bezog, Karl Friedrich Stellbrink, gebürtig aus Westfalen, seit 1934 Pastor in Lübeck. „Übernächtigt, aufgewühlt von dem erschütternden Erleben, mit überwachen Nerven, sprach er von der Kanzel herab zu den Menschen, die sich trotz dieser Nacht im Gotteshaus eingefunden hatten und wies sie auf Gott hin, der in mächtiger Sprache zu uns Menschen geredet hatte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Wort Gottesgericht und wurde Anlass zur Gefangennahme meines Vaters. Er selbst hat das Wort Gottesgericht nicht ausgesprochen, wie er uns später sagte, doch die Menge fasste den Sinn seiner Rede in diesem einen Wort zusammen“ (so seine Tochter).[57] Stellbrink wurde von der Gestapo verhaftet. Mit den drei katholischen Geistlichen Prassek, Müller und Lange wurde ihm der Prozess gemacht. Sie wurden zum Tode verurteilt und im 10. November 1943 (3 Tage nach der Predigt Bodelschwinghs!) in dem zum KZ Fuhlsbüttel gehörenden Gefängnis am Holstenglacis hingerichtet. (Eine Tafel an der Mauer erinnert heute an ihr Martyrium. Für die katholischen Geistlichen ist inzwischen der Seligsprechungsprozess eingeleitet worden.) Stellbrink hat in den Verhören und im Prozess die Möglichkeit ausweichenden Antwortens ausgeschlagen; er hat sich deutlich zu seiner theologischen Kritik an dem Unrechtsregime bekannt und es abgelehnt, seine Predigt vom Palmsonntag zu widerrufen. Er ist gefasst und im Vertrauen auf den ihn haltenden Gott in den Tod gegangen.

Dass jemand für seine Gerichtstheologie bereit ist, Verfolgung und Tod auf sich zu nehmen, ist die Ausnahme. Aber es hat von Kassandra und den biblischen Propheten an immer wieder Zeugen für die Wahrheit gegeben, dass das Unrecht, das ein Regime verübt, eines Tages auf es zurückfällt. Die grauenhafte Vernichtung, die die deutschen Armeen und Bomber über die Völker und Länder Europas brachten, kehrte in den Bombenächten in die Städte der Täter zurück und traf vor allem die Zivilbevölkerung. Jedenfalls gaben die Alliierten ihrem Angriff mit dem Namen „Operation Gomorrha“ ebenfalls eine straftheologische Deutung, insofern sie damit das biblische Beispiel göttlichen Feuers vom Himmel auf das sündige Gomorrha zitierten. Die religiöse Umschreibung dieser Wahrheit heißt „Gottesgericht“. Dieser Begriff ist häufig missbraucht und moralistisch verengt von Hamburgs Predigern benutzt worden. Angesichts der Tatsache, dass ein Volk ein verbrecherisches Regime an die Macht kommen ließ, das Untat über Untat anhäufte und schließlich wie ein toll gewordener Hund totgeprügelt werden musste, ist die Deutung der alliierten Bombenangriffe als Gericht Gottes durchaus verständlich. Offensichtlich fand sie ja auch unter den Zuhörern Stellbrinks Zustimmung: Buße beginnt mit der Einsicht in die eigene Schuldverflochtenheit. Diese war aber in der Regel angesichts der angeblich schicksalhaften Widerfahrnis von Bombenterror und Vertreibung für viele offensichtlich schwer zu vollziehen. In der Erfahrung eigenen Leides gingen die mitverübten bzw. geduldeten Untaten an den anderen zunehmend unter. So entstand nach 1945 die „Unfähigkeit zu trauern“ (Alexander Mitscherlich) und die Flucht in den Wiederaufbau des Zerstörten. Erst mit dem Auschwitz-Prozess 1963 wurde das anders.

Hamburg wurde im April 1945 nicht verteidigt und entging so einer zweiten Zerstörung. Nachdem die harten Nachkriegswinter überstanden waren, begann der Wiederaufbau. Der aufmerksame Spaziergänger wird in den zerstörten Stadtteilen an den in den 50er Jahren wieder aufgebauten Häusern kleine Tafeln finden des Inhalts: „1943 zerstört. 1956 wiederaufgebaut“ - das ist alles. Die Erinnerung an den Feuersturm wurde also für den Wiederaufbau der Stadt funktionalisiert. Auch der kirchliche Wiederaufbau wurde als „Symbol des ungebrochenen Lebenswillens seiner Erbauer“, ja der Hamburger überhaupt interpretiert; das geschah besonders anlässlich der Einweihung der groß dimensionierten neuen Dreifaltigkeitskirche am 20.Oktober 1956 im wieder aufgebauten Hamm: Eindrucksvoll bringe die Einweihung „den energischen Willen“ zum Ausdruck, „nach den grausamen Jahren der Vernichtung Hamm und seine Kirche“ wiederaufzubauen ;Hamm sei, so der Kirchenvorstand, „wie ein Phönix aus seiner Asche erstanden“[58]. Ein selbstgewisser Ton wird hier laut, der die Ursachen verdrängt.

Am 16. August 1952 wurde das Mahnmal für die Hamburger Bombenopfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof unter großer Beteiligung der Bevölkerung und hoher Gäste offiziell eingeweiht. Große Balken mit den Namen der zerstörten Stadtteile stehen auf den Gräberfeldern. Das Denkmal von Gerhard Marcks greift auf die Antike zurück und zeigt den Totenfährmann Charon, der ein anmutiges Brautpaar, einen Mann, eine Mutter mit Kind und eine Greis über den Acheron setzt, den Strom, der die Oberwelt vom Reich der Schatten trennt. Er wirkt erstarrt und symbolisiert so die Gleichgültigkeit des organisierten Massentodes. Die anderen Figuren wirken teilnahmslos und tragen so, wie der Bildhauer erläuterte, „das Menschliche unberührt hinüber“. Eine christliche Todesauffassung, so Marcks, sei hier nicht am Platz gewesen: „Weder ist in dieser Art des Todes etwas Versöhnliches noch starben die Bombenopfer als Märtyrer für eine Idee, sondern alle Männer, Frauen, Kinder wurden in den Wahnsinn der Vernichtung gerissen ohne Antwort auf die Frage: Warum?“[59] Dass die Bombenangriffe eine Reaktion auf die Kriegführung der Nazi waren, wird so verschwiegen. Marcks benennt aber indirekt das Versagen der Kirche angesichts der Unrechtsherrschaft, wenn er eine christliche Symbolik ablehnt.

Bürgermeister Brauer sprach in seiner Einweihungsrede, nach dem Hinweis auf das Mahnmal als Ort der „Zwiesprache mit den Toten“, deutlich den Schuldzusammenhang an: Die Bombenangriffe von 1943 seien die Folge einer politischen Katastrophe, des Versagens von 1933, ein Narrativ, das erst 1993 wieder im kirchlichen Gedenken zum Tragen kam. Malte Thiessen hat neben den staatlichen die kirchlichen Gedenkveranstaltungen im Zehnjahresabstand zu Feuersturm und Kriegsende sowie die dazugehörigen Narrative untersucht. Er hat sie überzeugend in die verschiedenen Phasen des Erinnerns (Etablierung des Gedenkens 1945-1955; Erinnern in bewährten Mustern 1956-1979, Gedenken im Erinnerungsboom 1989-1995; Gedenken im neuen Jahrtausend 2003 und 2005) eingeordnet.[60]

Erwähnen will ich die wichtige Rolle der Hamburger Kirche für die Gestaltung der Ruine von St. Nikolai als Mahnmal für die Opfer von Verfolgung und Krieg. 1960 hatte es dafür einen Wettbewerb gegeben, der Siegerentwurf wurde jedoch aus Kostengründen nicht umgesetzt. Auf Initiative von Bischof Wölber wurde der weltbekannte Maler Oskar Kokoschka dafür gewonnen, für die neue Nikolaikirche am Klosterstern ein farbiges und für die Ruine ein schwarzweißes Mosaik mit einer Kreuzigungsszene zu gestalten – unter dem Motto Ecce Homines zeigt es einen feixenden Soldaten mit Lanze vor dem Gekreuzigten.[61]

Im Mahnmal wurde das Mosaik an der inneren Turmseite angebracht und am 21. Juli 1977 von Bischof Wölber eingeweiht – es soll nach Auskunft des Künstlers zeigen , was der Mensch dem Menschen millionenfach antut: So sind die Menschen. Bischof Wölber wies in seiner Ansprache auf diese von Kokoschkas Bild ausgehende Deutung der Bombenangriffe hin und zugleich auf das Schweigen der Hamburger angesichts der Deportation der jüdischen Mitbürger - denn auf der gegenüberliegenden Turmseite wurde der Vers angebracht: „Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ (Spr. 31,8) In den Jahren danach wurde es still um das Mahnmal St. Nikolai, die Ruine verfiel zusehends. Dank dem von Ivar Buterfas gegründeten Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche“ konnte aber die Ruine saniert und 1992 ein Dokumentationszentrum mit einer Dauerausstellung über die Operation Gomorrha eingeweiht werden. Die Kokoschka-Kreuzigung ist inzwischen im zerstörten Chor der Nikolai-Ruine wie ein Altarbild aufgestellt. 2013 wurde das neu gestaltete Museum Mahnmal St. Nikolai in der Krypta eröffnet. Jährlich findet vor dem Mosaik am 24. Juli ein Gedenkgottesdienst statt.[62]


6. „Die Flut steigt, wo wir Gott vergessen“ ‚
Die Flutkatastrophe von 1962

Bei einer Erörterung der theologischen Deutung Hamburger Katastrophen muss auf die Katastrophen eingegangen werden, die Hamburg seit seiner Gründung bis in die unmittelbare Gegenwart immer wieder heimgesucht haben - die Flutkatastrophen und Überschwemmungen in dieser Stadt am Wasser.

Als der Reformator Johann Bugenhagen „der ehrbaren Stadt Hamburg” im Jahre 1529 „christliche Ordnung” gab, verringerte er auch hier, nach evangelischen Grundsätzen, die große Zahl der kirchlichen Feste, besonders der heiligen Tage. Einige wenige behielt er bei, mit feinem Verständnis für eine sinnvolle Ortssitte. So auch den St. Cäcilientag am 22. November, als den traditionellen Hamburgischen Gedenktag an die große Flut des Jahres 1412, bei der an die 30.000 Menschen ertrunken sein sollen. Doch im 17. Jahrhundert verschwand die Begehung dieses Gedenktags und im 20. Jahrhundert wusste in Hamburg niemand mehr von ihm.

Am 12. Februar 1962, am Montag der Unglückswoche, tobte in Hamburg ein Sturm, dessen Stärke ungewöhnlich war; am 16. Februar, dem Freitag, erreichte er Orkanstärke und ging darüber hinaus. Niemand in Hamburg konnte sich erinnern, dergleichen erlebt zu haben. In der Nacht zum Sonnabend brach das Unheil über die Stadt herein. Eine ungeheure Flutwelle kam die Elbe herauf. Das Alte Land wurde überschwemmt. Am Nordrand von Wilhelmsburg brachen an fünf Stellen die Deiche, am Reiherstieg drang das Wasser an zwei Stellen über die Deiche hinweg, ein ganzer Stadtteil wurde völlig überflutet. Die Menschen, die am Abend schlafen gegangen waren, wie sie es immer taten, wurden in den Morgenstunden des 17. Februar grausam hochgeschreckt, Wasser umbrandete sie, Häuser brachen unter der Wucht der Fluten zusammen, Laubenkolonien wurden zersplittert hinweggefegt, ausgelöscht, Bäume entwurzelt, Autos aufeinander geschoben. Brodelnd drang das Wasser in die Straßen, in die Keller und Wohnungen hinein. Die Menschen versuchten in die oberen Stockwerke oder auf die Dächer der Häuser zu fliehen. Vielen gelang es nicht mehr, sie ertranken in der Flut, die mit Urgewalt über sie hereingebrochen war. Hamburg war nicht systematisch gewarnt worden; Sirenen gab es, aber keine verabredeten Sirenenzeichen für Sturmflut. Als die Stadt schließlich hochgeschreckt war, hatte das Wasser schon sein grausames Vernichtungswerk vollendet. Die Chronik dieser Tage ist geschrieben: Tage des Schreckens vom ersten Deichbruchalarm bis zur Totenfeier am Rathausmarkt am Nachmittag des 26. Februar. 314 Menschen ertranken im Hamburger Stadtgebiet, rund 18.000 wurden obdachlos, das Wasser zerstörte 7.000 Wohnungen und Behelfsheime, die Existenz von 2.000, die Habe von 7.000 Familien. Bei Rettungsaktionen kamen 12 Männer, zumeist Angehörige der Bundeswehr, ums Leben.

Wie hat die Kirche die Katastrophe gedeutet? Einige wenige Beispiele müssen genügen. Pastor Paul Barg von der Kirchengemeinde Kirchdorf berichtet über die Begräbnisansprachen, die nach der Katastrophe (auch von ihm selbst) gehalten wurden. Kirchdorf liegt auf der Elbinsel Wilhelmsburg, auf der besonders viele Opfer zu beklagen waren. Zusammenfassend sagt er:

„Es war klar, dass voller Bezug genommen werden musste auf das hinter uns liegende Geschehen der Flutkatastrophe und auf die damit gegebene neue Lage, in der wir uns alle befanden. D. h., es musste mit dem historischen Geschehen voller Ernst gemacht werden. Es durfte kein Beschönigen in Untertreibung erfolgen. Wir hatten Grauenhaftes hinter uns und standen noch darin. Aber war damit nicht aus zugleich etwas Gleichnishaftes an uns geschehen? Für die rechte Ausrichtung der Verkündigung musste also gelten, dass jedes Geschehen eine historische und eine gleichnishafte Bedeutung hat. In der gerechten Abwägung beider miteinander war die Möglichkeit ganz zeitnaher Verkündigung gegeben.”[63]

Trotz der Warnung vor dem Gleichnishaften setzt es sich dann stärker durch. Die Deiche brachen, der Fluss trat über die Ufer. „Die Uferlosigkeit ist auf fast allen Gebieten unseres Lebens zu Hause. Uferlosigkeit in Genuss, Begier, Habsucht, Freiheitsdrang. Sind wir nicht weithin aus diesem Grunde ‚innerlich überflutete Menschen’ und damit gefährdet in unserer äußeren und innern Existenz?”[64] Spenden und Schadensersatz sind eines, wichtiger aber ist die Beseitigung der „inneren Schäden“ der Flutkatastrophe. Das muss Anliegen der Verkündigung sein. Barg unternimmt hier eine bedenkliche Spiritualisierung konkreter Leidensgeschichten in der Verkündigung, die die Leiden der Opfer funktionalisiert für den moralischen Appell.

Der Hauptpastor von St. Katharinen, Hartmut Sierig, beschäftigt sich unter der Überschrift „Der Protest Gottes” mit der Frage, wie Gott die Katastrophe zulassen konnte.[65] Er korrigiert sie dahingehend, dass er von Schickung spricht: „Gott selbst sendet, schickt das, was geschieht, im Guten und im Bösen, im Glück und Übel”. Und weiter: „Sagen wir es ganz deutlich: In jeder Katastrophe verbirgt sich Gottes Gericht. Aber was heißt das? Gott setzt den Menschen ihre Grenze, und zwar weil er sieht, dass der Mensch mit seinen Fähigkeiten die Welt gewinnt und Schaden nimmt an seiner Seele.” Gott setzt diese Grenze, so Sierig weiter, „damit wir menschlich werden, damit jene Ordnung der Welt hergestellt wird, die allein das Chaos aufhält, das Chaos, das überall dort entsteht, wo der Mensch sich Gott entfremdet”. In jeder Katastrophe wird also der Mensch an seinen Ursprung, an Gott erinnert und an die damit gegebene Aufgabe der Menschlichkeit. Auch Sierig gerät dann allerdings in den Sog des Gleichnishaften der Flutkatastrophendeutung, wenn er fortfährt: „Die Flut steigt, wo wir Gott vergessen, das Tohuwabohu des Uranfangs stürzt in unsere scheinbar so geordnete Welt... Die Katastrophe ist das Spiegelbild unserer Herzen. Die Flut stieg genauso hoch wie die Verwirrung unserer Herzen. Das Chaos entsprach unserer Seele.”

Angesichts der Konkretheit des Leidens wirkt auch bei diesem klugen Prediger die Spiritualisierung der Flut wie ein Hohn auf die Opfer. Auf die Frage, warum gerade diese Menschen den Tod erleiden mussten, antwortet Sierig mit dem Stellvertretungsgedanken:

„Sie sind einen Tod gestorben, der uns ebenso hätte treffen können. Sie sind gleichsam an unserer Stelle gestorben. Und das heißt: Wenn wir nicht umkehren, wird es uns ebenso ergehen. Wir sind die Gefragten. Bei uns wird ein Protest angemeldet, der Protest Gottes, den zu hören bedeutet, Gericht in Gnade, Zorn in Liebe zu verwandeln ...”

Diese Theologisierung der Katastrophe führt zu Halbwahrheiten und gewagten Thesen. Die Opfer der Flut sind nicht stellvertretend oder zufällig Opfer, sondern die, die bei Hochwasser und Flutalarm stets am meisten gefährdet waren, weil sie in den Elbniederungen, direkt am Wasser wohnten und lebten. Es sind nicht zufällig die unteren Schichten, die in dieser gefährlichen Situation sich befinden, nicht die Wohlhabenden und Gebildeten, die auf den Elbhängen wohnen. Seit dem Jahre 1000 sind an die 100 Sturmfluten über die Hamburger Elbniederung gekommen und haben vor allem die Ärmsten getroffen.

Die Ohnmacht, die die Menschen an der Küste gegenüber den Naturgewalten von Wasser und Wind immer wieder erfahren haben, ist im 20. Jahrhundert dank der größeren Naturbeherrschung sicher geringer geworden. Weil in Hamburg die letzte große Flut über 100 Jahre zurücklag, sie ereignete sich 1855, war zudem das Bewusstsein einer Gefahr aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es gab keine Gedenktage, die öffentlich begangen wurden, die Lehren der Geschichte waren nicht präsent. Umso mehr erschütterte der Orkan die Menschen in Hamburg und rüttelte sie aus ihrer Sicherheit und Gedankenlosigkeit auf. Aber auf diese Erschütterung jetzt, salopp gesagt, theologisch eins draufzusetzen und vom Zeichen zu reden, das Gott im Aufruhr der Elemente gesetzt hat, scheint in dieser Situation wenig angebracht. Es hätte genügt zu sagen, dass der Mensch sich immer noch und wie am ersten Tag Naturgewalten gegenübersieht, die mächtiger sind als er und alle seine Werke und dass er dieses Wissen nicht verdrängen darf. (So stand es in einer Sonderausgabe des Hamburger Abendblattes im Februar 1962). Es hätte genügt, weil die Erschütterung bei allen vorhanden war, ebenso wie der Zweifel an der endgültigen technischen Beherrschbarkeit der Naturkräfte. Was hilft das Wettern gegen menschliche Hybris, wo sie in diesem Fall doch nicht die Ursache dieser Katastrophe war, eher seine Vergesslichkeit, in welcher Gefahr er sich trotz der Fortschritte des Deichbaus und der Wettervorhersage immer noch befindet? Die Zustimmung des Predigers zur allgemein empfundenen Ohnmacht des Menschen gegenüber Naturgewalten hätte dann auch Platz gemacht für die Tröstung aus der christlichen Tradition heraus, die bei aller Sinnlosigkeit der Naturgewalten doch vom Vertrauen in Gott als die Macht des Seins getragen ist. Es hätte Platz gemacht für einen Trost, wie er in dem Wort Gorch Focks anklingt: „Auch das Meer ist die aufgespannte Hand Gottes, in die wir fallen”. (Diesen Satz zitierte Pastor Besch bei der offiziellen Trauerfeier für die Flutopfer in Bremen.[66])

Aber der Einfluss jener jüdisch-christlichen Tradition, die das Unglück, das ein christliches Gemeinwesen betrifft, als eine göttlich gewirkte Strafe für menschliche Verfehlung interpretiert, war bei den zitierten Verkündigern noch lebendig. Auch wenn wir den Predigern abnehmen, dass sie mit dieser geschichtstheologischen Tradition den modernen Zeitgenossen an die Verantwortung für das menschliche Maß seines Handelns erinnern wollten, es bleibt eine fragwürdige Deutung, zumal mit den moralistischen, allgemein kulturkritischen Untertönen.


7. Wie heute theologisch angesichts von Naturkatastrophen reden und predigen?
Schlussbemerkung

Ich bin der Meinung, dass kirchliche Rede angesichts von Katastrophen dieses überholte pädagogische Gottesverständnis aus Gründen theologischer Redlichkeit nicht mehr benutzen sollte. Theologie und Kirche müssen sich der Einsicht stellen, dass die Naturerscheinungen sich nach inneren Notwendigkeiten von selbst abwickeln. Der erste Schritt dazu war ja der Glaube an einen einzigen Schöpfergott. Gestirne und Naturerscheinungen sind nur noch die Werke dieses Schöpfergottes. Mit Genesis 1, sprich der Rationalisierung des babylonischen Schöpfungsmythos, beginnt die Entzauberung der Natur, die Rationalisierung der Welt. Die Natur objektiviert sich zur Gesamtheit gesetzesartig verknüpfter Zustände und Ereignisse, die man noch mit einem transzendentalen Schauder bewundern kann (man denke an Kants „der bestirnte Himmel über mir“) oder aber als „schrankenlose Willkür der Natur“ (so Goethe angesichts des Erdbebens von Lissabon) fürchten muss . Blitze werden nicht von Gott-Zeus geschleudert, sondern sind elektrische Aufladungen in der Atmosphäre. Sturmfluten wie die in Hamburg 1962 sind ebenfalls in ihrer meteorologischen Entstehung erklärbar. Voraussagen und Frühwarnsysteme können die gefährlichen Auswirkungen lindern helfen.

Gleichwohl bleibt es die Aufgabe der Religion die Angefochtenen zu trösten, „die Schrecken der Natur zu bannen, mit der Grausamkeit des Schicksals zu versöhnen und für die Leiden und Entbehrungen zu entschädigen“[67]. Das kann sie aber nicht mehr mit Katastrophenpredigten, die Gottes züchtigendes und bewahrendes Vaterhandeln ins Zentrum stellen. Damit verharrt sie im Kindheitsstadium der Naturdeutung (so Sigmund Freud). Wer am Schöpfungsglauben festhält, muss in letzter Konsequenz sagen: Das Katastrophische der Naturgewalten gehört zur „Zulassung Gottes“. Zur „guten Schöpfung“ gehören auch die tektonische Verschiebung der Erdplatten und die daraus folgenden Erdbeben, die Vulkanausbrüche und Überschwemmungen. Auch das Zerstörerische gehört zu Gott als Dimension der Wirklichkeit. Theologisch gesprochen: Gott ist nicht nur der Gute sondern das Ganze.

Naturkatastrophen sind nicht zu vermeiden, sie sind allenfalls zu lindern, durch rasche Hilfe oder vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen. Kulturen, die um die Gefahren einer nicht gebändigten Schöpfung wissen, bauen nicht zu nah am Meeresufer oder in erdbebengefährdeten Zonen. Wenn die neuzeitliche Gotteserfahrung im Geschick Christi Gott mit der Erinnerung an die von Menschen verursachten Leiden zusammenzubringen versucht - „Gott steht als Leidender gegen das Leiden“, so wird deutlich, dass dieser Satz in den Naturkatastrophen eine schmerzliche Begrenzung seiner Trag- und Trostfähigkeit erfährt. Die Flutkatastrophe damals in Hamburg wie das Erdbeben 2003 im Iran, der Tsunami von 2004, das Erdbeben in Haiti 2010 und der Tsunami in Japan 2011 haben das auf schreckliche Weise deutlich gemacht. Eine religiöse Sinngebung dieser Katastrophen versagt ähnlich wie beim Erdbeben von Lissabon. Und doch wird auf religiöse Sprache und Deutungen auch in der Gegenwart zurückgegriffen.

Bei dem schrecklichen Seebeben vom 26.12.2004 war zuerst von 4.000 Toten die Rede, dann wuchs die Zahl der Opfer ständig, 50.000, 165. 000, schließlich 230.000. Eine religiöse Sinngebung schien angesichts dieser „Heimsuchung“ geradezu blasphemisch. Robert Leicht, prominenter Laie und EKD-Synodaler, titelte in der ZEIT vom 30. Dezember 2004 ausdrücklich: „Schuldlos in der Sintflut“: „Es drängt uns der Heimsuchung einen Sinn zu geben – und wir entdecken doch nur unsere Verwundbarkeit.“ Damit schien die alte straf- und mahntheologische Diskussion endgültig beendet. Doch die BILD-Zeitung titelte in der ihr eigenen Manier einer populären Theodizeefrage am 31.12.2004: „Wo warst du, lieber Gott?“. Der Versuchung zu einer von der Flut ausgelösten Metaphorik ist Bischof Huber bei dem offiziellen Gedenkgottesdienst am 9.1.2005 im Berliner Dom nicht entgangen, wenn er davon sprach, dass die Flut auch den Zweifel an Gott „hochgespült“ habe und die Menschheit „von Wellen der Hilflosigkeit“ erfasst wurde. Kardinal Lehmann hingegen nannte die Folgen des Seebebens ein „unverständliches Leid“. Die beiden ranghöchsten Geistlichen der evangelischen und katholischen Kirche waren sich einig in dem wider alle Sinnlosigkeit zugesagten Trost: „He’s got the whole world in His hand“ und: „Die Liebe ist stärker als der Tod“. (Die Welt, 9.1.2005). Es gilt also im Jahr 2011 wie im Jahr 1750, dass im Grunde der Rückbezug auf das Religiöse zwar nicht „das einzige“ aber ein „Mittel bleibt, der inneren Unruhe einen Sinn zu geben und sie zu beschwichtigen.“[68]

Kollektive Ängste werden so zur Sprache gebracht und beruhigt. Ob religiöser Trost noch individuell erfahrbar ist, hängt davon ab, ob man sich durch das Bild des Gekreuzigten trösten lassen kann und will, ob man sich im Bösen wie im Guten einem persönlichen Gott anvertrauen möchte oder nicht. Ob der von Leid Betroffene wie Hiob sagen kann und will: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“

Die Gebete zu Gott angesichts übermächtiger Bedrängnisse, wie der Krieg und Naturkatastrophen es sind, die Bitten um Verschonung und Beistand Gottes gehören auch nach dem Hamburger Feuersturm weiter zur Tradition der allgemeinen Kirchengebete. Millionenfach wenden sich die persönlichen Gebete bedrängter Menschen an den Plätzen des Schreckens in dieser Welt an barmherzigen Gott. Wir wissen, dass Gott nicht eingreifen und die Bombe im Flug stoppen kann. Deswegen finde ich eine Gebetssprache, die dieses Eingreifen nach wie vor unkritisch suggeriert, fragwürdig. Trotzdem verschafft das Stoß- und Not-Gebet Erleichterung. Predigten in Katastrophensituationen, die die Ängste der Menschen aufnehmen und tröstend von einem Gehaltensein in Gott sprechen, sind nach wie vor genuine Aufgabe kirchlicher Verkündigung. Kirche begleitet heute die Überlebenden der sich häufenden Technikkatastrophen, seien es ein Barkassenunglück im Hamburger Hafen, ein Hubschrauberabsturz, ein Eisenbahn- oder Busunglück, in dem Hamburger zu Tode kamen, vor allem mit ihrer Notfallseelsorge und spricht an den Gräbern der Opfer von dem abgebrochenen Leben der Verunglückten und auch vorsichtig-tastend von der Hoffnung über den Tod hinaus. Dabei ist erzählende Einfühlung in das schreckliche Geschehen, das Aufgreifen der Deutung durch die Hinterbliebenen wichtiger als eine vollmundige theologische Hoffnungssprache. Die Kirchen öffnen ihre Pforten für die von katastrophischen Weltereignissen Verängstigten (so in den Tagen nach dem 11. September 2001, während des Irak-Kriegs, nach Fukushima). Kirche arbeitet mit ihren Möglichkeiten daran mit, dass im Gedächtnis der Leiden der Vergangenheit und im aktiven Tun des Gerechten zukünftige politische Katastrophen vermieden werden. Von „der Stimme des Herrn im Feuer“ bzw. „vom gerechten Feuereifer Gottes über Hamburg“ aber schweigt sie.

Anmerkungen


[1]    Vortrag,gehalten im Heine-Haus Hamburg am 12.11.2014 , der auf meiner gleichnamigen Veröffentlichung in der Schriftenreihe Veröffentlichungen des Archivs des Kirchenkeises Hamburg-Ost Bd.9 Hamburg 2011 beruht.

[2]    Francois Walter, Katastrophen. Eine Kulturgeschichte vom 16. bis zum 21.Jahrhundert, Stuttgart 2010,12. Walter wendet sich gegen eine Position, die die religiöse Erklärung von Naturkatastrophen a priori als obsolet erklärt. Unter Rückgriff auf Mary Douglas hält er religiöse wie rationale Lesarten der Katastrophen für gesellschaftliche Konstrukte. An die Stelle der moralischen Verfehlung und Normverletzung tritt in der Moderne das Fehlurteil bei der Einschätzung der Gefahren. Es ist aber nicht minder symbolisch-moralisch.

[3]    Georg DAUR, Von Predigern und Bürgern. Eine hamburgische Kirchengeschichte von der Reformation bis zur Gegenwart, Hamburg 1970 geht zwei Mal kursorisch auf dieses Ereignis ein (S.99f)und dann in dem Kapitel Von Baumeistern, Türmen und Kirchen (S.145 ff), ohne den antiaufklärerischenTon der Bußpredigten zu erwähnen.

[4]    FRIEDRICH WAGNER: Der gerechte Feuereifer Gottes über Hamburg, Predigt 1750,Hamburger Staatsarchiv D 29 M

[5]    JOHANN LUDWIG SCHLOSSER: Die Stimme des Herrn im Feuer, Predigt 1750,Hamburger Staatsarchiv D 29 M

[6]    WAGNER: Feuereifer (wie Anm. 4), S.13

[7]    Ebenda S.29

[8]    Ebenda S.31

[9]    SCHLOSSER, Stimme des Herrn (wie Anm. 5), S.33

[10]   WALTER, Katastrophen (wie Anm.2),S.52

[11]   S.dazu PETER CORNEHL, Öffentlicher Gottesdienst. Zum Strukturwandel der Liturgie, in: Peter Cornehl/Hans-Eckehard Bahr (Hg), Gottesdienst und Öffentlichkeit,Hamburg,1970,S .118-196,hier S.167f

[12]   WALTER, Katastrophen (wie Anm.2)S.60

[13]   Ebenda S.61

[14]   SCHLOSSER, Stimme des Herrn (wie Anm. 5) S.12

[15]   Goethes keckes religionskritisches Prometheusgedicht aus dem Jahr 1777 mit der Zeile „musst mir meine Hütte doch lassen stehn“ setzt die Erfindung des Blitzableiters durch Benjamin Franklin und seine Kenntnis bzw. Einführung in Deutschland voraus.

[16]   S. dazu HANS-JÜRGEN BENEDICT: Der Aufklärer. Wie Gotthold Ephraim Lessing die Religionen zur Toleranz ermunterte, Berlin 2010

[17]   JOHANN WOLFGANG GOETHE: Dichtung und Wahrheit, Hamburger Ausgabe, Bd. 9, Hamburg 1961, S. 30 f. Zu den von Goethe erwähnten Geistlichen, die es „an Strafpredigten nicht fehlen ließen“, gehörte auch der gerade nach Hamburg berufene Hauptpastor Johann Melchior Goeze.

[18]   HANNAH GLEIS: Elise Averdiecks Lebenserinnerungen, Hamburg 1908,S.261f

[19]   Zitiert in DAUR, Von Predigern (wie Anm. 3) S.185

[20]   HEINRICH HEINE: Deutschland . Ein Wintermärchen, in: Heinrich Heine, Sämtliche Werke, Bd 1 Gedichte, Stuttgart 1978,S.411-468, hier S.460f

[21]   Quelle nicht bekannt.

[22]   HERMANN MUMSSEN: Die Hamburger Feuersbrunst und Gottes züchtigende Gnade und große Liebe,1842, Hamburger Staatsarchiv,Nr.8 in Smbd A323/001, S.4

[23]   Ebenda S.6

[24]   Ebenda S.8

[25]   JOHANN RAUTENBERG: Der Herr im Feuer, das unsere Stadt verheeret. Predigt am Pfingst-Sonntage, 15.5.1842, Nordelbische Kirchenbibliothek, Mi 2992/7, S.?

[26]   Zitiert in JOHANN HEINRICH HÖCK: Bilder aus der Geschichte der hamburgischen Kirche seit der Reformation, Hamburg 1900,Nordelbische Kirchenbibliothek 01:1215,S.347

[27]   JOHANN JOHN: Das Feuerzeichen des Herrn in den Flammen Hamburgs, Predigt am 15.6.1842, Kirchenbibliothek , Mi 2995/18, S.12

[28]   Bergedorfer Bote No 21,1842 (11.Juni 1842) Archiv des Rauhen Hauses

[29]   GOTTHOLD SALOMON: Gottes Stimme aus dem Feuer, am Tag der Gesetzgebung,1842, Hamburger Staatsarchiv , Nr.13 in Smbd A 323/0031,S.6

[30]   Ebenda

[31]   JOHN, Feuerzeichen (wie Anm. 27),S.15

[32]   FRIEDRICH SONNENKALB: Predigt am 2.Pfingsttage 1842 in der großen Michaeliskirche, Hamburger Staatsarchiv, Nr11 in Smbd A 323/0031, S.1

[33]   Es gibt die Theorie, dass der Brand von interessierten Spekulanten gelegt wurde, um Platz für neue Bauten an der Alster zu schaffen und den schon vorliegenden Stadterweiterungsplan endlich umzusetzen, s. den Kriminalroman von BORIS MEYN: Der Tote im Fleet, Hamburg 2000,S.170ff

[34]   HEINE, Deutschland (wie Anm.20), S.461

[35]   Hamburger Staatsarchiv A 835/0025 Kapsel 05

[36]   Zur Choleraepidemie allgemein s. RICHARD J.EVANS: Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830-1910,Reinbek 1991,zur Rolle der Kirche besonders S.447-455.

[37]   Zum folgenden s. G.SEVERIN: Jahre einer Gemeinde, Hamburg 1985, S.159f

[38]   Die Predigt ist in einem zusammenfassenden Zeitungsbericht wiedergegeben in SEVERIN, Gemeinde (wie Anm. 37),S.162f

[39]   Echo 26.7.1902

[40]   Die Ansprache Frohmes wird referiert in SEVERIN, Gemeinde,S.165f

[41]   SEVERIN,Gemeinde,S.169f

[42] MALTE THIESSEN, Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende 1943-2005,München/Hamburg 2007, S.36 . S. außerdem zum Feuersturm URSULA BÜTTNER, "Gomorrha" und die Folgen: Der Bombenkrieg, in: Hamburg im Dritten Reich; (2005), Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hrsg.). IRIS GROSCHEK, "Und dieser Krieg schien mir der einzige, der letzte Weg": Vor 60 Jahren: Luftangriffe auf Hamburg, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte; Band 89 (2003)

[43]   HANS ERICH NOSSACK: Der Untergang, Hamburg 1943.Fotos von Erich Andres, Hamburg 1981.

[44]   NOSSACK, Der Untergang (wie Anm. 43) S.64

[45]   Ebenda S.18

[46]   Ebenda S.65

[47]   Ebenda S.19

[48]   Ebenda S.98

[49]   Zit.VICTORIA OVERLACK, Zwischen nationalem Aufbruch und Nischenexistenz. Evangelisches Leben in Hamburg zwischen 1933 und 1945, München/Hamburg 2007,367

[50]   Zit.Overlack, Zwischen nationalem Aufbruch (wie Anm.49),S. 368

[51]   Zit. THIESSEN, Eingebrannt (wie Anm. 42)S.72

[52]   Zit Ebenda ,S. 73

[53]   Zit Ebenda, S.73

[54]   Zit Ebenda, S.74

[55]   THIESSEN (wie Anm. 42)S.64f

[56]   Zit Ebenda, S.78

[57]   ELSE PELKE: Der Lübecker Christenprozeß 1943, Mainz 1961,S.190

[58]   Zit.THIESSEN (wie Anm.42) S.237

[59]   So der Text der Information des Friedhofs Ohlsdorf über das Mahnmal, Archiv des Rauhen Hauses.

[60]   Darauf gehe ich ausführlich in meiner Broschüre, Die Stimme des Herrn im Feuer (wie Anm.1) S.59ff ein

[61]   Zur Geschichte der Entstehung der Kreuzigungsszene von Kokoschka s. die Broschüre:So sind Menschen. Kokoschkas Kreuzigung in St.Nikolai, Hamburg oJ.

[62]   Die Predigt,die ich in dem Gottesdienst am 24.Juli 2011hielt,ist abgedruckt in Benedict, Die Stimme des Herrn (wie.Anm.1),S.95ff.

[63]   PAUL BARG: Stützpunkt Kirchdorf-Kirche in: Hamburger Kirchenkalender 1962 ,Hamburg 1963 ,S.38-52, hier S.50

[64]   Ebenda. Haben diese Bemerkungen den Trauernden geholfen? Eine homiletische Einzelanalyse der Ansprachen gibt es nicht.

[65]   HARTMUT SIERIG: Der Protest Gottes, in: Kirche in Hamburg H. 9 (4. März 1962), S. 1. Alle folgenden Zitate ebenda.

[66]   Nach einer Meldung von epd-Bremen 22.2.1962

[67]   SIGMUND FREUD: Die Zukunft einer Illusion, in: Sigmund Freud, Gesammelte Werke Bd XIV, (1948), Frankfurt/M. 1999, S. 325-380,hier S.339

[68]   Walter, Katastrophen (s.Anm.2) S.,51

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/93/hjb35.htm
© Hans-Jürgen Benedict, 2015