Globalisierung der Religionen


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Christentum und Islam

Ein Handbuch

Andreas Mertin

Nach dem 2013 erschienenen Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam ist nun im Herder-Verlag, ebenfalls von der Eugen-Biser-Stiftung gefördert, das Handbuch zum Thema erschienen:

Rohe, Mathias; Khorchide, Mouhanad; Engin, Havva; Schmid, Hansjörg (Hg.) (2014): Handbuch Christentum und Islam in Deutschland. Grundlagen, Erfahrungen und Perspektiven des Zusammenlebens. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder.

Dieses Mal geht es nicht um einzelne Stichworte, sondern um Grundlegungen in überblicksartigen Artikeln. Auf mehr als 1200 Seiten in zwei Bänden werden die Voraussetzungen geklärt, unter denen die Begegnung beider Religionen in Deutschland unter religionssoziologischen, rechtlichen, gesellschaftlichen, interreligiösen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aspekten stattfindet. Selbstverständlich gibt es in den deutschen überregionalen Zeitschriften zahlreiche Beiträge zu diesem Thema, was aber fehlte, was eine systematisch nahezu alle Aspekte abdeckende Darstellung, die von Fachleuten der beiden Religionen erstellt wurde. Diese liegt nun vor. Und das ist wirklich ein außerordentlicher Gewinn. Ich empfehle dieses – wirklich aus sehr preiswerte – Handbuch jedem, der in seiner Berufspraxis mit der Begegnung und dem Dialog von Muslimen und Christen zu tun hat. Es ist weniger das Neue, was man hier lernen kann, als vielmehr das Umfassende, das überzeugt.

Das Handbuch eröffnet mit einem Segment zur religionssoziologischen Ausgangslage, das einen Überblick über die empirischen Fakten verschafft und dann die einzelnen religiösen Gruppen in den Blick nimmt. Im zweiten Segment geht es um die juristischen Fragestellungen, zum einen natürlich grundsätzlich um die Stellung der Religionen im Staat, dann aber auch en Detail zu den Menschenrechten, der Scharia, aber auch zu den Bildungsinstitutionen und die religiöse Beteiligung daran. Hier findet sich auch ein Text zum Thema „Islamismus und Verfassungsschutz“. Das dritte Segment beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Christen und Muslimen zur säkularen Gesellschaft, einsetzend mit dem Menschenbild beider Religionen, der Frage nach dem Pluralismus und der öffentlichen Verantwortung, den öffentlichen Debatten und Konferenzen, der Diskussion um die Familie, die Medien und schließlich die Bundeswehr. An dieser Stelle, so sei kurz angemerkt, fehlt ein Abschnitt zum gesellschaftlichen Diskurs der Rechte Homosexueller – ein gerade religiös heikles Thema. Das vierte Segment an Texten widmet sich dem Gespräch von Christen und Muslimen, den Voraussetzungen des Dialogs, den theologischen Grundlagen und den bestehenden Initiativen. Die beiden letzten Segmente wenden sich konkreten politischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen zu, bei denen dann auch die etwas zu sehr verbandstechnisch geratene Stellungnahme des Deutschen Kulturrates auftaucht.

Kritisch anmerken lässt sich bei diesem Handbuch im Wesentlichen nur, dass es ab und an zu Überschneidungen in den Inhalten kommt, wenn etwa im zweiten Band noch einmal die rechtlichen Grundlagen dargestellt werden, die schon ausführlich Thema des ersten Bandes waren. Aber vermutlich lässt sich das bei einem Handbuch, bei dem die Autoren ja weitgehend unabhängig voneinander agieren, nicht vermeiden. Was mir auch gefehlt hat, sind Reflexionen zu einer interkulturellen Theologie, die die Einzelreligionen übersteigt. Huer scheint mir die Theoriebildung weiter, als es das Handbuch erscheinen lässt. Dramatischer aber ist das Fehlen eines Registers und zwar sowohl, was die Personen, wie was die Sachen angeht. Ich weiß, dass Derartiges unendlich aufwendig und mühsam ist, aber zumindest ein Sachregister hätte dieses Handbuch verdient. Das Handbuch kulturelle Bildung ist den Weg gegangen, nach einer gewissen Zeit ins Internet zu gehen und so das Handbuch zu einer Wissensplattform zu erweitern, auf der nicht nur die Texte des Handbuchs abrufbar sind, sondern auch laufend Aktualisierungen eingetragen werden können und vor allem, alles auf Stichworte durchsucht werden kann.

[Nebenbei bemerkt: Dort habe ich einmal in das Suchfeld das Stichwort „Islam“ eingetragen und bekam als Antwort: Diese Suche lieferte keine Ergebnisse. Ich konnte das kaum glauben, aber es war so. Das zeigt, wie viel beim Themenfeld „Islam in unserer Gesellschaft“ unter dem Aspekt „Kultur“ noch zu tun ist. Aber auch umgekehrt ist zu fragen, warum grundsätzlich die Kultur und die kulturellen Einzelsparten eine so geringe Rolle im Handbuch Christentum und Islam spielen. Spätestens seit der Rede von Navid Kermani im Deutschen Bundestag sollte deutlich sein, welche Bedeutung die Kultur in der Begegnung von Religion und Gesellschaft haben kann.]

Insgesamt aber ist dieses Handbuch ein sehr empfehlenswertes Werk, um die Gespräche zwischen den Religionen, aber auch die Gespräche der Religionen mit dem Staat und der Gesellschaft auf eine solide Basis zu stellen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/92/an489.htm
© Andreas Mertin, 2014