Globalisierung der Religionen


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Launischer Esel

Eine Posse

Andreas Mertin

Das Auslegen von Sprachbildern zur moralisierenden Belehrung des Volkes ist immer ein riskantes Geschäft, denn nicht jedem will die Zuordnung, die man bei verschiedenen Teilen eines Sprachbildes zu Phänomenen der Gegenwart vornimmt, einleuchten. So erging es mir mit der Auslegung der Bileamsgeschichte durch einen Salzburger Weihbischof.[1] Die Überschrift zu seiner Allegorese hatte noch ihren ironischen Reiz, aber dann schlug das ganze doch in eine stupende Hybris um. Die ersten vier Worte der Überschrift lauteten „Der Bischof als Esel“ und soweit hätte ich dem Kolumnisten auch noch folgen können. Aber dann betonte der Schreiber, so wolle er sich gerade nicht bezeichnen lassen, sondern allenfalls als „Esel des Bileam“, der Dinge sähe, die andere nicht sehen. Das hätte er wohl gerne, aber auf die Idee ist außer ihm selbst noch niemand gekommen.

Die Geschichte bzw. das Märchen von Bileam und dem Esel setze ich einmal als bekannt vor­aus. Bileam ist eine schwer zu charakterisierende Figur, zudem der einzige außerhalb des ATs bezeugte „Prophet“ bzw. „Seher der Götter“.[2] Die Wertungen dieser Gestalt changieren zwischen positiv und negativ. Bileam ist aber nur bedingt eine narrative Metapher und es handelt sich nicht um ein allegorisches Erzählelement, das wir hier vor uns haben.

Ganz anders die gewagte Auslegung durch unseren Weihbischof:

„Was hat diese Geschichte mit dem Bischof zu tun? Das: Der Bischof ‚trägt‘ das Volk Gottes auf seinem Rücken. Wenn er den drohenden ‚Engel des Herrn‘ sieht, den das Volk Gottes noch nicht sieht, muss der Bischof wie der Esel des Bileam stehen bleiben und das Volk warnen, auch wenn er dafür ‚geschlagen‘ wird – bis endlich auch das Volk erkennt: Es ist der Engel des Herrn, der den Auftrag hat, uns von unserem Irrweg abzubringen. ... Die ‚Moral aus der Geschichte‘: Der Esel sah den Engel, der Prophet aber nicht! In Bileam kann jeder Mensch sich selbst erkennen, im Esel sollten sich vor allem auch die Bischöfe selbst erkennen können: Sie ‚tragen‘ die vielen ‚Bileams‘ ihrer Gemeinde und sollten sie zum Gott gewollten Ziel tragen.“

Nun ist die Figur des Bileam ganz sicher kein Symbol für das Volk Gottes, kann es nicht sein, denn das wäre völlig paradox, weil am Ende Bileam vom Volk Gottes getötet wird. Und in der Auslegungsgeschichte bekommt Bileam immer kritischere Charakterisierungen, nicht zuletzt als Verführer der Gemeinde. Dann kann er aber nicht die Gemeinde selbst sein. Das wissenschaftliche Bibellexikon führt dazu aus:

Im Neuen Testament gilt Bileam als habgieriger, käuflicher Prophet (2Petr 2,15; Jud 11), der zudem zu Unzucht und zum Essen von Götzenopferfleisch aufrief (Apk 2,14). Damit war er als Vorbild libertinistischer Gnostiker gebrandmarkt, die die Gemeinde vom rechten Weg abbringen wollten.[3]

Es wäre also ziemlich frech, würde man Bileam als Metapher für das Volk oder die Gemeinde nehmen. Passend zu dessen Charakterisierung wäre jemand, der der Gemeinde bzw. dem Volk Gottes gegenübersteht und es (durch Segen oder Fluch) zu beeinflussen sucht. Angesichts mancher weltweit erörterter Vorfälle im römischen Klerus läge eine in dieser Tendenz gebildete Analogie zu Bileam nicht fern.

Auch im Blick auf die Frage, wer hier eigentlich wen trägt, kommen mir ganz andere Bilder aus der Geschichte in den Sinn, die auch an einen Esel und die von ihm getragenen Gestalten erinnern. Es sind jene Bilder, die zur Kritik der Ständelehre während der Französischen Revolution zirkulierten, bei denen das arme Volk und die Bürger den Klerus und den Adel tragen mussten.

Allegorisierungen haben natürlich immer eine Anwendung im Blick, ja in der Regel werden sie für diese Anwendung – wie auch im vorliegenden Fall – zurechtgebogen. Und was ist der moralische Sinn der Allegorisierung der Bileam-Geschichte durch den Weihbischof?

„Der Irrweg und die Gefahr ist heute die Gender-Ideologie: Die Bischöfe müssen die Gefahr erkennen, sie müssen versuchen, die ihnen anvertraute Herde auf den richtigen Weg zurück zu führen, sich schlagen lassen wie der Esel des Bileam, dann den Mund auftun mit den Worten, die von Gott kommen, und dies so lange, bis die Bileams endlich den warnenden Engel sehen und begreifen: Wir sind auf dem falschen Weg, Gott stellte uns den Engel in den Weg, der Bischof, unser Esel, hat ihn gesehen und hat recht, wenn er uns auf einen anderen Weg bringen will!“

Das ist die unheilige Einfalt, die hier spricht. Ja klar, weil die Menschen in der Gemeinde zu blöd oder zu blind sind, die Gender-Theorie zu begreifen, und die Bischöfe stumm bleiben, muss Gott selbst eingreifen und durch einen Engel klarstellen, dass er die Gender-Idee nicht mag und für schädlich hält (obwohl er am Anfang doch nur einen Menschen und nicht Mann und Frau erschaffen hat). Und nun dürfen und müssen die Bischöfe ihren Mund aufmachen und ihren Lasten, sprich der Gemeinde erklären, was Sache ist, damit die das endlich begreifen und nicht weiter Kritik an den sie tragenden Bischöfen üben.

Nur wirklich zu tragen vermag in diesem konkreten Falle die Analogie-Bildung nicht. Das Tragetier sagt Bileam in der biblischen Erzählung eben nicht, was Sache ist, da hält es schön das Maul! Es äußert drei Frage-Sätze: „Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? ... Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben?“ Ende der fraglichen Botschaft.

Nein, es ist Gottes Bote selbst, der zu Bileam und nicht zur Eselin spricht. Um im Bild des Weihbischofs zu bleiben: Gott spricht mit der Gemeinde, dem Volk Gottes, nicht mit den Bischöfen. Die mögen zwar Engel sehen, können aber deren Botschaft nicht verstehen. Das geht nur in direkter Ansprache. Aber, wie schon gesagt, ein richtig passendes Bild ist es nicht.

Wenn man nun aber so launisch sein will, aus diesem Märchen eine Allegorie zu machen, dann macht es Sinn, in Bileam einen Bischof zu sehen und im hellsichtigen Esel die Gemeinde. Wo auch immer der Bischof das Volk hintreiben wollte, dem Engel Gottes gefiel das nicht und er stellte sich in den Weg. Und Gott befähigte die Gemeinde, das Wort zu ergreifen und dem Bischof Einhalt zu gebieten. Und erst dann (!) wurde der Bischof einsichtig und wusste, welchen Weg er zu gehen hatte. So wird eine Geschichte daraus.

Man könnte sie als Allegorie auf die Familiensynode in Rom lesen, bei der das Volk, das bisher von den Bischöfen auf einen bestimmtem Weg festgelegt wurde, selbst seine Stimme erklingen ließ, damit den Bischöfen die Augen aufgehen. Leider endet an dieser Stelle die Allegorie, denn die Bischöfe haben das sie tragende Volk dieses Mal nicht verstanden. Schade. Manchmal sind diese Esel doch viel schlauer als die, die sie tragen.

P.S.: They exist

Für den Leitesel noch ein Videoclip zum Thema gesellschaftliche Akzeptanz von Ambiguitäten: „We exist“ von Arcade Fire

Anmerkungen

[1]    Der Text von Weihbischof Laun findet sich hier.

[2]    Vgl. Art. Bileam im Wissenschaftlichen Bibellexikon: http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15381/

[3]    Ebd.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/92/am488.htm
© Andreas Mertin, 2014