Jesus, Ufos, Aliens

Hinter dem vielleicht etwas zu stark auf ein weiteres Publikum zielenden Titel verbirgt sich ein durch und durch seriöses Buch über das "faszinierendste Projekt“, mit dem der Autor sich je befasst habe (S. 7). Wenn es überhaupt Menschheitsfragen gebe, zähle die Frage, ob wir "allein" im Universum sind, mit Sicherheit dazu. Da damit die erste deutschsprachige Monographie seit mehreren Jahrzehnten zum Thema vorliegt, ist sie hier sicher einer Besprechung wert.

Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste Teil widmet sich der genannten Menschheitsfrage, der zweite den spezifisch christlichen Implikationen des Themas. Da der Autor mit einer Verdrängung dieses Themas in christlichen Kreisen rechnet, ist dieser zweite Teil als Versuch einer "Exotheologie“ (der neuere Ausdruck "Astrotheologie" erinnert Kreiner zu sehr an "Astrologie") nicht weniger bedeutsam. Die beobachteten Berührungsängste seitens der Theologie sind auch sicher real, gibt man sich für theologisch unbewanderte und christlich Distanzierte mit dem hypothetischen Thema doch "der Lächerlichkeit preis“ (S. 202).

Der Autor beschränkt sich in seinem Konzept nicht auf eine Abgrenzung des Themas im wissenschaftlich engeren Sinne, geht in seiner Argumentation nichtdestotrotz aber streng wissenschaftlich vor. So werden im ersten Teil neben der Ufo-Debatte auch "Begegnungen der dritten Art" bis hin zu Entführungsschilderungen sowie deren Vorläufer in den "Kontaktaufnahmen" (à la Swedenborg) früherer Jahrhunderte in eigenen Kapiteln analysiert. Ein kurzgefasster, aber durchaus kundiger geschichtlicher Überblick eröffnet diesen ersten Teil, an dessen Ende auch das SETI Programm und astrobiologische Erkenntnisse und Kritiken nicht zu kurz kommen. Allerdings sei angemerkt, dass diese untergeordnete Verortung der beiden letztgenannten Themenkomplexe ihrem wissenschaftlichen Gewicht sicher nicht entspricht. Die Entdeckung unzähliger Exoplaneten in den letzten beiden Jahrzehnten (der erste Exoplanet wurde 1992 aufgespürt) ist ja der eigentliche wissenschaftliche Beweggrund für das Wiederaufleben der Thematik, was Kreiner wenig deutlich macht.

Interessant sind seine Analysen des wissenschaftlichen Ertrags von Kontaktaufnahmen und Entführungsschilderungen jedoch durchaus. Dieser Ertrag ist nämlich tatsächlich positiv, fällt aber in den Zuständigkeitsbereich der Psychologie. Neben der Möglichkeit einer Wahnerkrankung und simplen Betruges sei vor allem die Struktur einer fantasy-prone personality (FFP) in Betracht zu ziehen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstruktur können zwischen Phantasie und Wirklichkeit nicht richtig unterscheiden. "Kontaktler wären dann eher Opfer ihrer eigenen blühenden Phantasie“ (S. 41). Umso erstaunlicher, hier ist dem Autor zuzustimmen, dass solchen Berichten Glauben geschenkt wird. In der Tat könnte dies der Fall sein, weil Außerirdische diejenigen Bedürfnisse erfüllen, die einst durch Götter, Geister und Engel befriedigt wurden (S. 42). Die Anfrage auch an den christlichen Glauben wird von dieser Beobachtung aus deutlich, aber von Kreiner nicht bearbeitet. Ein Abgleich mit den Auseinandersetzungen um die subjektive und objektive Visionshypothese der Erscheinungen Jesu wäre sicher sinnvoll gewesen.

Der zweite Teil beginnt mit einem Zwischenfazit, das nüchtern festhält, die Wahrscheinlichkeit der Existenz Außerirdischer sei weder exorbitant hoch noch verschwindend gering. Allerdings verlief das einzige seriöse Programm, das diese Frage nachprüfbar hätte klären können, das SETI Projekt, bisher ergebnislos. Insofern sei das theologische Zögern, sich mit dem Thema zu befassen, verständlich. Allerdings sei der Glaube an die Existenz Außerirdischer eine "unbestreitbare Tatsache“, im Umkreis des SETI Projekts auch oft mit dem Verdacht auf Unverträglichkeit mit der Theologie gekoppelt. Das könne der Theologie nicht gleichgültig sein, der es immer wieder gelungen sein, "ihr Bekenntnis unter veränderten kulturellen Bedingungen neu zu interpretieren und ... anzupassen“ (S. 141).

Besonders die Inkarnation bereitet natürlich bei dem Szenario der Existenz außerirdischer Intelligenzen Schwierigkeiten, wie Kreiner bereits im Zwischenfazit treffend darstellt. Der eigentliche zweite Teil eröffnet mit drei Szenarien Teilhard de Chardins, wie mit diesen christologischen Irritationen umgegangen werden kann (S. 143). Szenario (1) träte ein, wenn die Erde der einzige bekannte bewohnte Planet des Universums bleibt. Szenario (2) würde die Erbsünde und die damit zusammenhängende Erlösungsbedürftigkeit auf Erde und Menschheit begrenzen. Szenario (3) versteht die Erbsünde als universale Größe, während die göttliche Erlösungstat aber ganz biblisch (man denke an Kolosser 1,15-20) lediglich auf der Erde geschieht, was erforderlich mache, dass "von hier aus die andernorts gefallenen Wesen irgendwie darüber informiert werden müssen.“ (S. 143) Im Rahmen dieser Szenarien diskutiert Kreiner exemplarisch die Positionen Brian Hebblethwaites und Mary Georges, wobei sicherlich noch ein breiteres Spektrum an Autoren denkbar gewesen wäre.

Im anschließenden 12. Kapitel werden theologische Einwände von Evolutionsgegnern gegen ETI diskutiert, sei es von kreationistischer oder auch kreatianistischer Warte. Diese haben unterm Strich – natürlich wenig überraschend – nicht genügend Substanz, um einen echten Diskussionsbeitrag zu liefern. Hier gibt es andernorts sicherlich auch erschöpfendere Darstellungen zum Themenkomplex. Wieder Interessanter sind dann die exotheologischen Optionen, die Kreiner aufzeichnet (Kap. 13), und die letztlich um die Frage der Universalität oder Partikularität der Inkarnation kreisen. Insofern ist der Fokus auf die Frage Cur Deus homo? in Kap. 14 konsequent und richtig. Letztlich bleibt Kreiner hier aber im Anschluss an Roger Haight bei einer Problemanzeige stehen, während es doch anderweitig durchaus diskussionswürdige Lösungsansätze der Problematik gibt. John Polkinghorne z.B. zieht unter dem Einfluss der Prozessphilosophie eine zweipolige Struktur in die trinitarischen Personen ein, und es gelingt ihm so auch, das augenscheinliche Dilemma der Pluralität der Inkarnationen ansatzweise zu lösen (Science and Providence, S. 91).

Erfreulich ist das abschließende Kapitel 15 "Haben Außerirdische Religion?“, in dem es um die möglichen Folgen eines Kontaktes mit Außerirdischen geht. "Die kontroversen Einschätzungen machen deutlich, dass Außerirdische vorläufig nichts anderes sind als eine Projektionsfläche für unsere Ängste und Hoffnungen“ (S. 188). Anders als Jill Tarter, Direktorin des SETI-Projektes erwartet, sind viele Gläubige dem möglichen Kontakt zu Außerirdischen gegenüber allerdings aufgeschlossen (so eine Studie von Ted Peters). In diesem Kontext wird auch die Säkularisierungsthese diskutiert (weil Außerirdische auch hierin ggf. fortgeschrittener sein sollten), allerdings nur die positiven Ergebnisse der Studien von Larson/Witham rezipiert. Wichtig wäre es gewesen, auch die kritischeren Ergebnisse teilweise derselben Autoren zu beachten. Hochinteressant sind dagegen die Vergleiche und Beobachtungen, die eine Prämisse Tarters mit Erkenntnissen aus der Geschichte der Kolonisierung hinterfragen.

Kreiner schließt mit der Überlegung, man solle die Gedanken zu ETI nicht auf die lange Bank schieben. Selbst wenn niemals ein Kontakt hergestellt würde, so wären doch auch diese Gedankenexperimente wertvoll als ein Weg, "sich der Grundfrage des Christentums zu nähern, der Frage, wer dieser Jesus von Nazaret war.“ (S. 203) Genau zu dieser Frage hätte man sich aber in diesem Buch mehr gewünscht, und vielleicht weniger Schilderungen diverser Uforeligionen etc. Kreiner hat mit seinem breiten Ansatz sicherlich ein weites Feld abgesteckt, und konnte von daher die einzelnen Gebiete einschließlich der Exo-Christologie nicht wirklich tiefgehend diskutieren. Mit dem Buch ist dennoch nach vielen Jahren ein wichtiger Neuansatz gemacht, dieses potentiell äußerst wesentliche und intellektuell in jedem Fall hochspannende Thema zu bearbeiten.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/89/al01.htm
© Andreas Losch, 2014