Battlestar Galactica

Aspekte von Sünde und Erlösung[1]

Michael Waltemathe

Die Neuauflage der Fernsehserie “Battlestar Galactica”, die in Deutschland seit 2006 im Fernsehen zu sehen ist, erzählt die Geschichte der “Zwölf Kolonien” der Menschen, die auf der Suche nach der mythologischen dreizehnten Kolonie – der Erde – sind, nachdem sie in einem nuklearen Überraschungsangriff durch intelligente Maschinen – die “Zylonen” fast vollständig vernichtet worden sind. Die Zylonen sind von den Menschen konstruiert und gebaut worden. Die neue Serie spielt 40 Jahre nach der Originalserie von 1978. Schon die erste Serie thematisierte den Krieg zwischen Zylonen und Menschen, vor allem aber den Exodus der Menschheit an Bord einer Flotte von Raumschiffen auf der Suche nach der Erde. Geführt wurde dieser Konvoi vom “Battlestar Galactica” unter “Commander Adama”. Der Arbeitstitel der ersten Serie war “Adamas Ark”, der biblische Verweis auf die Arche lässt vielfache biblische Parallelen in den erzählten Geschichten innerhalb der Serie erahnen. Die zwölf Kolonien und die zwölf Stämme Israels, Adama und Moses, die einen Exodus aus der Vernichtung hin in ein gelobtes Land führen, sind nur die offensichtlichsten Motive, die die Serie verarbeitet.

Im Vergleich zur Originalserie hat sich in der Neuauflage einiges geändert. Die Zylonen sehen nicht mehr wie chromblitzende Toaster aus, die Charaktere haben nicht mehr die unmenschliche Perfektion der 80er Jahre, die Geschichte ist elaborierter, auch wenn sie wieder eine Exodus-Geschichte ist und vor allem sind die Schauplätze vielfältiger geworden. Gleich geblieben ist aber die drohende Vernichtung der Menschheit durch die Zylonen.

Die interessanteste Änderung hingegen ist eine Wendung in den theologischen bzw. religiösen Gehalten der Serie. Während in der Originalserie vor allem biblische Bezüge als kurze Bibelgeschichten in einem Science-Fiction-Setting dominierten, stellt die neue Serie zwischen Weltraumschlachten und Liebesgeschichten immer wieder theologische Diskussionen und religiöse Diskussionen in den Vordergrund.

Monotheismus und Polytheismus sind in den beiden kämpfenden Parteien repräsentiert, Sünde und Sündenvergebung stellt ein Hauptmotiv aller Handlungsmuster eines der Hauptcharaktere dar, die Unsterblichkeit der Seele und die Wiedergeburt ist eines der zentralen Probleme der Zylonen und die Menschheit wird regiert von einer “wiedergeborenen” Prophetin, die in ihrer Person die Verknüpfung von religiösem Eifer und politischer Macht repräsentiert, während sie die Überlebenden der zwölf Stämme in das gelobte Land führt.

Die religiöse Dimension der Serie ist sehr viel komplexer als es beim Original von 1978 der Fall war. Dies mag auf religiöse Pluralisierung zurückzuführen sein, ist aber vor allem deshalb so faszinierend, weil keine starren gut-böse Zuschreibungen erfolgen.

Die Menschen der zwölf Kolonien sind Polytheisten nach klassisch griechisch-römischen Muster während die Zylonen an den einen Gott glauben und an die Unsterblichkeit ihrer Seelen. Außerdem sind die monotheistischen Zylonen auf einem Kreuzzug um die ungläubigen Menschen auszurotten. Gleichzeitig gibt es aber auch immer wieder Bekehrungsversuche von Seiten der Zylonen, um einzelne Menschen von ihrem Unglauben abzubringen.

Während die Zylonen alle gläubig sind, gibt es bei den Menschen Atheisten und die, die an die Götter glauben. Die oben schon erwähnte Präsidentin Laura Roslin erlebt unter dem Einfluss einer Chemotherapie gegen ihre Krebserkrankung Visionen, die sie selbst und dann auch andere davon überzeugen, dass sie in der religiösen Tradition der zwölf Kolonien diejenige ist, die als Prophetin die Menschheit in das heilige Land, zur Erde führen wird.

Einer der Berater von Präsident Roslin hingegen, Gaius Baltar, wird als Atheist dargestellt, der sich von einer menschlich aussehenden Zylonin verführen lässt und unwissend den Zylonen Militärgeheimnisse zugängig macht. Dadurch ermöglicht er die nahezu vollständige Auslöschung der menschlichen Rasse. Ziemlich zu Beginn der Serie offenbart er sich der Zylonin als Atheist und spottet über ihren Glauben an den einen Gott. Baltar überlebt den Angriff der Zylonen durch ihren Schutz und hat im Verlauf der Serie regelmäßig Visionen der Zylonin, in denen sie ihm zukünftige Ereignisse offenbart oder Geschehnisse in einen größeren Kontext einordnet. Interessanterweise versucht die ihm erscheinende Zylonin ihn offensiv zu bekehren und dem Glauben an den einen Gott näher zubringen. Dazu gehört vor allem, dass sie ihm seinen Platz in Gottes Plan erklärt und ihm seine Rolle als Werkzeug des einen Gottes nahe bringt.

Während also die Menschen mehr oder weniger religiös sind, ist es vor allem der religiöse Eifer der Zylonen, der die Handlung der Serie vorantreibt. Die Zylonen beschäftigen sich mit Fragen nach der Seele von Maschinen und der Natur ihrer Seelen, sie diskutieren ihren Glauben an den einen Gott und die daraus resultierende Notwendigkeit einer von Gott gegebenen Seele in Analogie zu den Seelen der Menschen, die von den Göttern gegeben wurden.

Nummer Sechs, die oben erwähnte weibliche Zylonin spielt dabei eine herausragende Rolle. Während Sie Gaius Baltar gleichzeitig bekehren will und seine Liebe gewinnen will, fordert sie ihn beständig auf, seine Sünden zu bereuen und den wahren Weg zu finden. Nummer Sechs wird als eine Art Roboter-Missionarin dargestellt, die den ungläubigen Menschen die wahre Religion nahe bringen will oder sie komplett auslöschen möchte.

Dies führt in der Rezeption der Serie dazu, dass dem Konflikt zwischen Zylonen und Menschen sofort eine Parabelfunktion bezüglich des Konfliktes zwischen “westlicher Welt” und “fundamentalistischem Islam” zugeschrieben werden kann. Dadurch, dass die Menschen Polytheisten sind und die Zylonen Monotheisten, scheint der Parallele ein wenig die Schärfe genommen. Nun ist die Darstellung innerhalb der Serie aber zum Glück viel komplexer als eine solche Interpretation. Was wäre, wenn die Roboter eine Kritik an christlichem Fundamentalismus sind und eine Art amoklaufende Evangelikale darstellen? Wieso können die Zylonen – wenn die Parallele so simpel wäre – dann trotzdem Konzepte von Wiedergeburt der Seele in einem neuen Körper haben? Es scheint, als ob die Religion der Zylonen im Gegensatz zu der der Menschen eher ein postmodernes Patchwork vieler religiöser Strömungen gepaart mit einer großen Menge religiösem Eifers ist. Denkt man zurück an Untersuchungen zur Religiosität von Jugendlichen aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, so ist man versucht die Zylonen zu beschreiben als in der BRD religiös sozialisierte Jugendliche die ihre Patchwork-Religion missionarisch den Ungläubigen nahe bringen wollen.

Das Faszinierende an der Darstellung von Religionen in der Serie Battlestar Galactica ist die Offenheit der Darstellung und die Möglichkeit der Diskussion über und von Religion ohne Definitionen und festgelegte Antworten.

Man kann sich über die Serie ärgern und sie als Angriff auf das Christentum begreifen, das nur die negativen Aspekte von Mission und Evangelisation und den Absolutheitsanspruch eines eifersüchtigen Gottes thematisiert, oder man kann die Serie lesen als respektlose Karikatur des Islam als kriegstreibende Religion, die die Unmenschlichkeit fanatischer Gläubiger durch die Roboter-Metapher überhöht. Beide Deutungen – und noch viele andere - sind möglich und machen das Potenzial der Serie aus.

Ein interessanter Aspekt der Serie, der sich an einer Person darstellen lässt, ist der des Zusammenhangs von Sünde und Vergebung bzw. Erlösung. Die oben schon kurz beschriebene Person des Gaius Baltar stellt die Verbindung zwischen Menschen und Zylonen dar. Baltar hat eine Affäre mit der Zylonin Nummer Sechs und ermöglicht es den Zylonen unabsichtlich, die menschlichen Verteidigungsanlagen komplett auszuschalten. Er ist also verantwortlich für die fast vollständig Vernichtung der Menschheit.

Baltar wird hier als selbstverliebte Person, die nur auf den eigene Vorteil bedacht ist, dargestellt. Diese Haltung, die der Superbia und der Vana Gloria aus dem Lasterkatalog des Evagrius Ponticus entspricht, bestimmt Baltars ganzes Handeln. Während Baltar im Verlauf der Serie den gesamten Laster-Katalog von Ponticus durchläuft, werden alle daraus resultierenden Sünden von seinen Mit-Menschen als Charaktereigenschaften, wenn auch durchaus negativ, so doch nicht als unverzeihlich wahrgenommen. Avaritia (Habsucht), Luxuria (Ausschweifung), Ira (Zorn), Gula (Maßlosigkeit), Acedia (Trägheit des Herzens, Feigheit) und Tristitia (Trübsinn) bestimmen ihn als Menschen unter anderen und sind so durch sein Mensch-sein verzeihlich und werden von den anderen Menschen vergeben. Was ihn aus der Gruppe der anderen Menschen herausstechen lässt, ist seine Egomanie, die Tatsache, dass er in allen seinen Handlungen vor allem in seiner Selbstverliebtheit geleitet wird und sich deshalb selbst schon immer aus der Gruppe der Menschen herausstellt. Die einzige Sünde, die aus dieser Haltung, einer Mischung aus Superbia und Vana Gloria, resultiert, ist dann konsequenterweise aus Sicht der Menschen auch unverzeihlich, nicht zu vergeben: der Verrat an den Menschen und die daraus resultierende nukleare Vernichtung der zwölf Kolonien. Interessanterweise bildet aber gerade die Haltung der Superbia die einzige Möglichkeit für Baltar, diese Sünde doch noch vergeben zu bekommen. Wenn, so schließt Gaius Baltar im Verlauf der Serie, er gar kein Mensch ist, dann ist der Verrat auch keine Sünde. Vergebung kann also allein von den Zylonen kommen. Hier kommt der eine Gott der Zylonen und Baltars Rolle im Plan Gottes ins Spiel. Zylon Nummer Sechs spiegelt Baltar immer wieder in Visionen seine Rolle im Plan Gottes. Er wird Vater sein für ein gemeinsames Kind von Menschen und Zylonen und so die Zukunft garantieren. Dazu muss er aber erst ganz Mensch werden. Menschwerdung funktioniert aus Sicht der Zylonin nur so, dass er einen anderen Menschen tötet. Der Brudermord stellt ganz in biblischer Tradition in zylonischer Sicht eines der Erben der Menschheit dar. Nicht der Sündenfall im Garten sondern die Kains-Geschichte macht aus zylonischer Sicht das Mensch-sein und damit auch den sündigen Charakter des Menschen aus. Während die Zylonin auf alle Sündhaftigkeit Baltars die Außenperspektive behält und damit in den Begegnungen zwischen den beiden immer wieder Vergebungsinstanz ist, charakterisiert sie gleichzeitig das Töten von Menschen als gemeinsames Merkmal von Mensch und Zylon. Diese Menschwerdung ist also mehr als nur die Beschreibung von Baltar als Mensch. Es dient der Charakterisierung seines Brücken-Charakters. Baltar tötet Menschen wie die Zylonen es tun, entspricht damit der zylonischen Definition des Menschen und verwischt so exemplarisch die Grenze zwischen den beiden Spezies.

Die Zylonin Nummer Sechs etabliert sich für Baltar durch die Beschreibung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede als Erlösungsfigur. Nur durch sie kann Baltar Erlösung von seiner großen Schuld, von der Vernichtung der Menschheit erlangen. Erst indem dieses Ereignis mit Sinn gefüllt wird, ist er nicht mehr der Verräter, nicht mehr der Sünder, der er für die Menschheit ist. Die folgende Darstellung – eine Werbung für die vierte Staffel der Serie – stellt diesen Zusammenhang eindeutig dar:

Diese Anlehnung an Leonardo da Vincis “Das Abendmahl” stellt die Zylonin Nummer Sechs an Stelle von Christus und Gaius Baltar sitzt zu ihrer rechten. Konzentriert man den Blick allein auf diese beiden Figuren, so wird der Zusammenhang zwischen Sünder und Erlöserin mehr als deutlich. Auch die Person des Baltar wird auf einleuchtende Weise durch die parallele Inszenierung noch genauer bestimmt. Baltar nimmt auf dem Bild den Platz ein, den im Original Judas, Petrus und Johannes einnehmen.

Baltar sitzt also an der Stelle, die derjenige innehat, der später Jesus verraten wird. In der Darstellung da Vincis hat Judas den Beutel mit den Silberlingen schon in der Hand. Aber er sitzt dort nicht allein. Hinter ihm beugt sich Petrus zu Johannes und reagiert möglicherweise auf Jesus Ankündigung des Verrats. Johannes ist der Jünger, der traditionell mit dem Lieblingsjünger Jesu identifiziert wird. Petrus ist derjenige, der im Matthäusevangelium zum Grundstein der Kirche erklärt wird.

An Stelle dieser drei sitzt nun in der Battlestar Galactica Werbung Gaius Baltar. Baltar der Verräter, Baltar der Liebling der Nummer Sechs und Baltar der Stein für die Kirche des einen Gottes der Zylonen. So wird aus der Geschichte des Verrates von Gaius Baltar im Verlauf der Serie die Geschichte der Erlösung eines Sünders, der die unvergebbare Sünde begangen hat. Allerdings kommt die Erlösung von außen. Auch in der zylonische Erlösungsvariante erlöst nicht der Mensch von der Sünde, sondern der eine Gott. Aber nicht durch den Tod des Erlösers, sondern durch die Geburt eines Kindes aus beiden Spezies, für die sowohl Nummer Sechs als auch Baltar nur Mittler sind. Das Kind selbst wird in einem sexuellen Akt gezeugt, der zwischen einer Zylonin und einem Menschen vollzogen wird. Baltar und Nummer Sechs sind in den Visionen nur diejenigen, die das Kind erkennen, aber durch ihr Handeln die Geburt des Kindes erst möglich gemacht haben. So stellt sich in dieser Inszenierung Sünde – vor allem Baltars Superbia – als notwendige Voraussetzung für die Erlösung seiner Person und durch die Geburt des Mensch-Zylon-Babys als Zukunftsperspektive für die Menschheit dar.


Anmerkungen

[1]   Dieser Text ist die geringfügig überarbeitete und ergänzte Version eines Workshop-Beitrages im Rahmen der Summerschool „Media and Religion“ 2010 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar zum Thema „Die sieben Todsünden“

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/66/miwa2.htm
© Michael Waltemathe, 2010