Yves Netzhammer

Eine Buchvorstellung

Andreas Mertin

Netzhammer, Yves (2008): Yves Netzhammer. Unter Mitarbeit von Wulf Herzogenrath u.a.: Hatje Cantz Verlag.

Yves Netzhammer gehört sicher zu den vielversprechendsten Medienkünstlern unserer Zeit. In der Begegnung mit seinen Arbeiten, seinen luziden Bildern und Inszenierungen erschließt sich eine neue Welt, wird Vertrautes in Frage gestellt und werden neue Realitäten konstruiert. Alle Bilder von Yves Netzhammer sind extreme Herausforderungen an die Wahrnehmung, es sind im eigentlichen Sinne Grenzgänger zum Vexierbild. Theodor W. Adorno schreibt in der Ästhetischen Theorie, aus der man unter dem Stichwort Rätselcharakter der Kunst viel über die Bilder von Yves Netzhammer lernen könnte, zum Verhältnis von Kunst und Vexierbild: „Nicht minder strikt sind die Kunstwerke Rätsel. Sie enthalten potentiell die Lösung, nicht ist sie objektiv gesetzt. Jedes Kunstwerk ist ein Vexierbild, nur derart, dass es beim Vexieren bleibt, bei der prästabilierten Niederlage ihres Betrachters. Das Vexierbild wiederholt im Scherz, was die Kunstwerke im Ernst verüben.“  

In seiner neuesten in Buchform erschienenen Werkdokumentation stellt Netzhammer vier Installationen mit in situ Aufnahmen, Zeichnungen zu den Projekten und Videobildern vor, dazu präsentiert er Essays und Einsichten in weitere Arbeiten. Die vier zentralen Projekte sind:

  • Die Möbel der Proportionen, eine Video- und Objektinstallation, 2008 im San Francisco Museum of Modern Art
  • Die Subjektivierung der Wiederholung Projekt A, eine Rauminstallation mit Wandzeichnung, Architektur und Videoprojektionen, 2007 im Schweizer Pavillon der 52. Biennale in Venedig
  • Die Subjektivierung der Wiederholung Projekt B, ein Raumobjekt mit Spiegelwänden , Projektionskörper, Bodenrelief, Deckenbemalung, Projektionen, 2007  in der Begleitausstellung zur documenta 12 in der Karlskirche Kassel
  • Nistplätze für Berührungen, Video- und Objektinstallation, 2006 im Museum Roietberg Zürich.

Alle vier Projekte werden durch das Bildmaterial gut erschlossen und geben einen präzisen Einblick in das Schaffen des Künstlers. Die iterative Anordnung der Präsentation (zuerst vier in situ-Dokumentationen, dann vier Zeichnungsblöcke zu den Installationen und dann vier Abschnitte zu den Filmarbeiten) lässt auch einen Einblick zu in die Beziehungen der Arbeiten untereinander. Bei der „Subjektivierung der Wiederholung“ ist das evident, wurden doch Projekt A und Projekt B zeitgleich entwickelt und parallel in Venedig und Kassel ausgestellt. Aber auch im Blick auf die anderen Arbeiten erschließen sich so Querverbindungen.

Das Buch ist sehr schön gemacht und bietet die Zeichnungen in großem Format, so dass man sie gut studieren kann. Ergänzt wird der Bildteil durch ein einführendes Wort von Wulf Herzogenrath (Wandbildstatik und Videobewegung) sowie Essays von Nils Röller (Figur und Instrument), Sabine Maria Schmidt (Die Beredsamkeit der Bilder) und Julia Draganovic (Vom Mitfühlen). Wie schon bei den vorherigen Büchern von Yves Netzhammer ist so aus der Dokumentation ein Kunstwerk für sich geworden.

Eine unbedingte Empfehlung!

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/56/am265.htm
© Andreas Mertin, 2008