Deutung – Kunst – Inszenierung

Caravaggio (Detail)

Buchvorstellungen

Andreas Mertin

Standhartinger / Schwebel / Oertelt (Hg.), Kunst der Deutung – Deutung der Kunst. Beiträge zur Bibel, Antike und Gegenwartsliteratur, Münster 2007.

Eine Reihe von interessanten Aufsätzen versammelt die Festschrift für Sieghild von Blumenthal, die sich alle im weitesten Sinne um Deutungsfragen drehen. Dabei bilden antike Stoffe, biblische Überlieferungen und die Kultur der Moderne den Fokus der Betrachtungen. Erörtert werden Fragen des Nutzens historischer Bildung (Tomi Glaser), des Nutzens der Musik (Frederike Oertelt), aber auch Aspekt biblischer Überlieferungsgestalten wie Adam (Friedrich Avemarie), Eva (Angela Standhartinger), Judas (Horst Schwebel), Maria Magdalena (Judith Hartenstein). Der im Titel der Schrift angedeuteten Frage der Kunst der Deutung geht Bernhard Dressler unter dr Überschrift „Verstehst Du, was Du liest“ nach.


Frank Hiddemann, Site-specific Art im Kirchenraum. Eine Praxistheorie. Berlin 2007.

Dem Verhältnis von Kunst und Kirche bzw. Theologie in Theorie und eigener Praxis geht dieses Buch von Frank Hiddemann nach. Dazu bezieht er sich theologisch auf Paul Tillich und ästhetisch auf die angelsächsische Theorie der Site-specific Art. Im Grunde handelt es sich um eine wissenschaftliche Reflexion und Disputation der eigenen Arbeit des Autors. Gegenüber anderen Ansätzen der Ausstellung von Kunstwerken in Kirchen oder der religiösen Deutung von Kunst macht Hiddemann die kontextsensible Kunstinstallation stark. Nun ist Kunst im Kontext seit vielen Jahren in Deutschland ein kunsttheoretisches Thema und im Bereich von Kunst und Kirche auch in Deutschland und Österreich ein guter Teil kirchlicher Ausstellungspraxis (vgl. etwa die Aktivitäten von Walter L. Buder in Vorarlberg oder die des Rezensenten seit 1997 in Kassel zur jeweiligen documenta). Auch wenn der Begriff der Site-specific Art – aus übrigens nachvollziehbaren Gründen – nicht in die deutsche Diskussion übernommen wurde, so ist derartige Kunstpraxis und Kunstinszenierungspraxis dennoch in Deutschland und Österreich üblich. Hier hätte ein Blick auf verwandte Projekte in Köln, Basel, Berlin oder Graz der Studie gut getan. Wie überhaupt eine Bündelung auf die im Titel angekündigte Fragestellung produktiver gewesen wäre. So aber kommt nun wirklich alles zusammen: von Zinzendorffs Wundlitanei über den Film und den Tanz bis zum Paul Gerhardt Lied. Die zur Abgrenzung der eigenen Theoriebildung herangezogenen Positionen von M. Zink, W. Gräb und A. Steinmeier sind dagegen in der in Frage stehenden Debatte von Kunst und Kirche eher nachgängig. Keiner der drei zeichnete sich bisher durch eine irgend wie relevante kirchliche Kunstinszenierungspraxis aus. Hier wären Fr. Mennekes, H. Winde, R. Siewerth, K.J. Maßen oder H. Schwebel interessanter gewesen. Sie vertreten alle aus der Praxis gewonnene theoretische Positionen, die zum Vergleich und zur Überprüfung hätten herangezogen werden können. Ansonsten aber ist das Buch ein Gewinn zur Reflexion der Möglichkeiten der Begegnung von Kunst und Kirche und präsentiert zugleich einige Beispiele einer konsequenten kunst- wie religionsästhetischen Praxis.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/48/am221.htm
© Andreas Mertin