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Magazin für Theologie und Ästhetik


Virtuelle Räume V

Ein Ausblick

Andreas Mertin

Wer in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia unter dem Stichwort "Raum" nachschlägt, stößt auf eine Fülle von Differenzierungen unterschiedlicher Raumbedeutungen. Und wer dann im WikiWörterbuch die Begriffsbestimmung nachliest, wird ebenfalls zu einer reichen Bedeutungspalette geführt. In der Folge der Vorstellung virtueller Räume im Internet ging es bisher eher um architektonische Räume, kultureller und dabei vor allem religiöser Prägung. In der vierten und letzten Folge soll es um eine andere Form von Räumen gehen, um Räume der Natur, der Leere und der Fülle. Auch Wüsten und Vulkane, ja selbst der Mond lassen sich mit dem Instrumentarium des Quicktime-Filmes virtuell begehen.

Andererseits stellt sich angesichts etwa der Wüstensimulationen noch einmal verschärft die Frage stellen, was diese Bilder eigentlich vom Gefühl dessen vermitteln, der die Wüste zum Rückzug von der Welt aufsucht oder als Nomade in ihr lebt. Eckhard Nordhofen hat schon vor Jahren in seinem schönen Vortrag "Der Fromme hat kein Bild. Ikonoklasmus und Negative Theologie" einleitend gesagt: "Daß man in der Wüste nichts hört, würde niemand erstaunlich finden. Und doch ist es falsch. Die Abwesenheit des Geräusches, des Rauschens, aus den fernen und nahen Explosionen zusammengesetzt und verschliffen, ist so ungewöhnlich, daß meine Ohren, die das Durchlassen gelernt haben, wie ein Magen die ständige Verdauung, in einen fast schmerzhaften Entzug geraten. Am Ende steht die Musik der Stille. Sie wird zur Kurfür Herz und Verstand. Im Sinai kommt hinzu, daß die hochdramatischen, ja geradezu pathetischen Steine, Gebirge, Felsen, wenn es denn stimmt, daß die Steine reden können, in ein Geschrei ausbrechen, wie in eine Klage darüber, daß sie nackt sind. Nach einigen Tagen kannst du den Wunsch verstehen, hier zu bleiben, gerätst in einen Zustand überempfindlicher Wahrnehmungslust. Dann bist du bereit, das Kloster der heiligen Katharina zu betreten." Keine dieser Erfahrungen kann virtuell restituiert werden. Allenfalls für Menschen, die noch nie eine Wüste gesehen haben, vermittelt sich ein ungefährer Eindruck. Und natürlich kann man Wüsten auf diese Art und Weise vergleichen und lernen, dass Wüste nicht gleich Wüste ist.

Katharinenkloster

Bei den vorgestellten Adressen ist ein Quicktime-Player die Voraussetzung, um in den Bildern 'spazieren' zu gehen.

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! [Moses Berufung (2. Mose 3, 1-5)]

Was so im Buch Exodus beschrieben wird ist einer der legendären Orte der christlichen Religion, bedeutsam nicht nur als jener zugewiesene Ort an dem Mose mit dem brennenden Dornbusch konfrontiert war, sondern auch, weil hier einer der ältesten Handschriften der Bibel aufbewahrt und gefunden wurde.

"Das orthodoxe Katharinenkloster in Ägypten wurde zwischen 548 und 565 gegründet. Es liegt im Herzen des südlichen Sinai in der Nähe der Ortschaft Milga unterhalb des 2.285 m hohen Djebel Musa (Mosesberg) auf dem Gelände einer ehemaligen Marienkapelle, die bereits im 4. Jahrhundert hier am Platz des brennenden Dornbuschs für Pilger auf den Spuren Moses von Mönchen errichtet wurde. In der ältesten Quelle über das Kloster, den Chroniken des Patriarchen Eutychios von Alexandria aus dem 9. Jh., wird Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, als Gründerin der Marienkapelle genannt. Das Katharinenkloster wurde unter dem oströmischen Kaiser Justinian I. zum Schutz der Mönche gebaut. Zu den Schätzen des Klosters gehören bzw. gehörten wertvolle Handschriften aus der Frühzeit des Christentums. Die wertvollste ist der Codex Sinaiticus, eine handgeschriebene Bibel aus dem 4. Jahrhundert. Heute gehört sie zu den Beständen des Britischen Museums in London. Der islamische Prophet Mohammed soll hier mehrmals zu Gast gewesen sein, bevor er als Prophet auftrat. Nach seinem politischen Aufstieg schrieb er dann einen Brief an das Kloster, in dem dessen Fortbestand garantiert wurde. Diese Garantie ist durch die Jahrhunderte von den islamischen Herrschern anerkannt worden und hat die Existenz des Klosters gesichert. Dieser Brief liegt heute im Museum in Istanbul. Im Katharinenkloster liegt nur die Kopie dieses Briefes von einem osmanischen Sultan. Auch Napoleon Bonaparte hat dem Kloster einen Schutzbrief geschrieben. So blieb das Kloster über die Jahrhunderte unversehrt. Im Kloster finden sich wegen seiner isolierten Lage im islamischen Gebiet auch einige der wenigen Ikonen, die den byzantinischen Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts unzerstört überstanden, und die damit zu den ältesten noch existierenden Ikonen zählen (siehe Acheiropoieta). Das Katharinenkloster bildet zusammen mit wenigen Beduinenfamilien im Umkreis die kleinste der Orthodoxen Kirchen, die Kirche des Sinai. Um angesichts der großen Anzahl von Besuchern (etwa 50.000 jährlich) den Klosterbetrieb aufrechtzuerhalten, wurden die Öffnungszeiten sowie die zugänglichen Bereiche des Klosters inzwischen stark eingeschränkt. Im Mai 1844 besuchte der Leipziger Theologe Konstantin von Tischendorf das Kloster zu Forschungszwecken und fand ein Exemplar des Codex Sinaiticus aus dem 4. Jahrhundert, die er mitnahm. Dies führte dazu, dass Agnes Smith-Lewis die 1892 dort entdeckte altsyrische NT-Handschrift nur abschreiben durfte." [ wikipedia]

Tito Dupret hat im Rahmen seiner World-Heritage-Tour (s. Heft 39 des Magazins für Theologie und Ästhetik) auch das Katharinenkloster fotografiert.





White Sands National Monument in New Mexico

Noch aus dem Weltraum dürfte die White Sands Wüste in New Mexico deutlich erkennbar sein, wie die Satellitenaufnahmen bei GoogleMaps zeigen. Die White Sands waren jenes Gebiet, in dem "Trinity", die erste Atombombe der USA getestet wurde, bei deren Anblick Robert Oppenheimer aus dem Bhagavad-Gita zitierte, dem heiligen Gesang der Hindus:

"Wenn das Licht von tausend Sonnen
am Himmel plötzlich bräch' hervor,
Zu gleicher Zeit - das wäre
Gleich dem Glanze des Herrlichen...
Ich bin der Tod, der alles raubt,
Erschütterer der Welten"

Aber die White Sands sind auch ein für die Raumfahrt wichtiges Gebiet: "White Sands ist der Name einer Gipswüste im Tularosa-Becken im Süden des US-Bundesstaates New Mexico. Sie ist der ungewöhnlichste Teil der Chihuahua. Das Gebiet wurde im Jahre 1933 zum White Sands National Monument deklariert. Eigentlich handelt es sich bei dem „weißen Sand“ um Gips. Dieser Gips gelangt aus den umliegenden Bergen durch Niederschlag in den Lake Lucero, der sich in der südwestlichsten Ecke von White Sands befindet und keinen Abfluss hat. In den Sommermonaten mit zum Teil extremer Hitze trocknet dieser See aus und es bleiben lediglich die Gipskristalle zurück, die von den Südwestwinden zu Dünen aufgeworfen werden und mit ca. 700 km² die größte Gipswüste der Welt bilden. Im Gebiet der White Sands befindet sich die White Sands Missile Range, ein Raketen-Testgelände der US-Army, auf dem 1945 die erste Atombombenexplosion (Trinity-Test) stattfand. Außerdem war die Basis bisher einmal Ausweichlandeplatz für das Space Shuttle, so geschehen 1982 bei der STS-3-Mission der Columbia. Von der NASA wird der Ausweichlandeplatz daher auch White Sands Space Harbour (WSSH) genannt." [ wikipedia]

Das Fullscreen-Panorama lässt kaum vermuten, dass man sich hier in einer Gipswüste mit einer derartigen Geschichte befindet. Noch heute ist es während der Raketentests zeitweise für den Publikumsverkehr gesperrt. [ White Sands National Monument (National Park)]





At the foot of Mount Whitney-Sierra Nevada

"The Sierra Nevada mountains of California rise slowly from the west, mantled with forest and dotted with lakes. But on the eastern side they drop away abruptly, enormous cliffs facing the desert of Owens Valley. This eastern escarpment is a massive wall of granite rising as much as 10,000 feet above the valley floor. This picture was taken on a stormy spring day, right at the eastern base of the range. Elevation here is about 6500 feet above sea level, the valley below is at 3700, and the mountains to the west rise to over 14,000 feet. The temperature that day was just above freezing, and roving thunderstorms were dropping rain and snow on the mountains and over the valley. The vegetation here is characteristic of the high desert, with sagebrush and pinyon pines, both highly aromatic."

Weitere Informationen zum höchsten Berg der USA außerhalb Alaskas finden sich hier. Der Panoramablick vermag kein rechtes Wüstengefühl zu erzeugen, aber beeindruckend ist der Blick dennoch.



Australia Pinnacles Desert

Der Nationalpark Nambung in Australien mit seinen berühmten Kalksteinsäulen ist im Panoramablick überaus faszinierend:

"These peculiar Limestone formations can be found in Western Australia two-hundred and forty-five kilometres north of Perth. The area is part of the Nambung National Park. The raw material for the pinnacles came from sea shells which millions of years ago became lime-rich sands which by the wind were carried inland. Read more about how the pinnacles were formed at Nambung National Park"

Was aus der Satellitenperspektive bei GoogleEarth wie ein riesiges Sand- und Dünenfeld aussieht und sich vom Boden aus wie eine Landschaft mit Termitenhügeln oder eine Szenerie aus einem Science-Fiction-Films darstellt, ist in Wirklichkeit eine große Ansammlung von Kalksteinsäulen.



Der Mann im Mond ...

... existiert natürlich nicht, auch wenn die freie Online-Enzyklopädie ihm einen anregenden Artikel widmet.

Aber auch wenn der Mann im Mond nur eine optische Illusion ist, kann man sich optisch doch den Besuchen der Menschen auf dem Mond nähern. Quicktime-Fullscreen-Bilder gleich von mehreren Apollo-Mondexpeditionen sind im Internet abrufbar, auf denen auch die Astronauten auf dem Mond zu sehen sind.

Angesichts der weiter wuchernden geradezu irrationalen Diskussion darüber, ob die Landungen auf dem Mond jemals wirklich stattgefunden haben und ob sie nicht vielleicht doch bloß Fakes sind (die so genannte Mondlandungslüge), sind Panorama-Rundblicke auf dem Mond in einem mehrfachen Sinne virtuell.

Die Bilder jedenfalls, die man im Internet abrufen kann, sind überaus beeindruckend.

Der allgemeine Eindruck ist- neben der technischen Faszination und dem Wissen um die Distanz zur Erde - allerdings auch der einer unendlichen Ferne und Verlassenheit.





Keinen Mann auf dem Mars ....

... und auch keine grünen Marsmännchen, dafür aber Marswüsten und -berge sieht man auf den verschiedenen 360°-Panoramen, die sich diesem Planeten unseres Sonnensystems widmen.

Zwar hat die Möglichkeit von "Leben" auf dem Mars die Menschen seit langem und in veränderter Form bis in die Gegenwart fasziniert (bis hin zum so genannten Marsgesicht, das die Sonde Viking 1976 fotografierte), aber tatsächlich ist das zu beobachtende Panorama "nur" ein Wüstenpanorama.

Da finden sich dann faszinierende Bilder von der so genannten Pathfinder-Mars-Mission, aber auch von den jüngeren Missionen der Sonde Opportunity. Langfristig soll der Mars ebenso wie schon der Mond auch durch Astronauten besucht werden, so dass wir dann auch Menschen auf dem Mars beobachten können.


© Mertin 2006
Magazin für Theologie und Ästhetik 40/2006
https://www.theomag.de/40/am180.htm