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Magazin für Theologie und Ästhetik


Sonderbare Welten

Anmerkungen zur "christlichen Qualitätssuchmaschine" crossbot

Jörg Mertin

Seit neuestem gibt es im Internet eine "christliche Qualitätssuchmaschine". Sie heißt "crossbot" und wird vom Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik unter dem Logo der EKD in Zusammenarbeit mit dem Suchmaschinenbetreiber abacho präsentiert.

Sie kommt auf den ersten Blick recht aufgeräumt daher. Probiert man sie aus, findet man manches, anderes wieder nicht. Aber die Suchmaschine steht ja auch erst am Anfang und verweist augenblicklich auf nur 300000 Webseiten.

Wahrscheinlich hat das GEP bzw. die EKD einiges Geld dafür bezahlt, das renommierten kirchlichen Zeitschriften weggenommen wurde. "medien praktisch" wurde ja eingestellt. Dass Geld wieder hereinkommen muss, merkt man daran, dass zwar die Nutzung der Suchmaschine kostenlos ist, aber für ihren Betrieb etwa auf der eigenen Website intensiv um Spenden gebeten wird. Die ganze Sache wird vermutlich trotzdem einigen Erfolg haben, im kirchlichen Bereich jedenfalls.

Je länger ich über diese Suchmaschine nachdachte, desto merkwürdiger und problematischer erschien sie mir. Das fing mit dem unglaublichen Begriff "christliche Qualität" an, den man nur mit Handschuhen / Anführungszeichen anfassen kann. Wenn man auf das Ganze sieht, hat diese Unverschämtheit aber sogar eine gewisse Logik. Denn "christliche Qualität" scheint das zu sein, was man mittels der Suchmaschine finden kann. Es geht nicht um eine "christliche" Art des Suchens, sondern um die (horribile dictu) "Christlichkeit" der Inhalte. Schnell wird klar, dass diese Suchmaschine eigentlich nur ein einfacher Katalog ist. Solche Kataloge gibt es auch als Teil normaler Suchmaschinen wie Yahoo oder Google. Sie bieten ebenfalls gute Möglichkeiten, sich zu informieren. Mit jeder dieser vorhandenen Suchmaschinen lässt sich vieles, was in Bezug auf Kirche und Christentum im Internet vorhanden ist, finden.

Aber es stimmt: Kirchliches steht selten ganz oben in den Suchergebnissen. Offenbar zu selten für die Internet-Verantwortlichen der EKD. Warum aber stehen die kirchlichen Seiten nicht oben? Weil die User des Internet sich nicht dafür interessieren. Das ist die bittere Wahrheit. Es stimmt zwar, dass die Kirchen zu den großen Informationsanbietern im Netz gehören, aber der Internetuser greift lieber zu anderen Informationen. Das wird sich durch diese Suchmaschine nicht ändern. Jetzt werden sogar nur noch die kirchlichen User überhaupt auf die Idee kommen, Kirchliches zu suchen.

Warum um Gottes Willen bezeichnet man diesen Katalog nicht als das, was er ist, eine in vielen Einzelheiten tatsächlich hilfreiche Versammlung von Webseiten und Informationen aus dem Bereich der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland? Und warum begnügt man sich nicht damit, einen spezifischen Katalog als Kooperation innerhalb der etablierten Suchmaschinen zu redigieren? Muss die Kirche immer eine eigene Welt aufmachen?

Eine "christliche" Suchmaschine ist ein mehrfacher Widerspruch in sich. Eine neutrale, prinzipiell auf sämtliche Wissensbestände ausgerichtete Technologie wird mit einem begrenzten Inhalt kombiniert. Diese Suchmaschine findet nicht in allem etwas, sondern findet nur ganz bestimmte Inhalte. Genauer gesagt, wird nahezu ausschließlich auf Webseiten verwiesen, die im weiten Bereich der evangelischen (!) Kirche (!) existieren. Man ist vieles gewohnt, aber diese selbstherrliche Identifikation von "Christlicher Qualität" und evangelischer Kirche lässt einen schaudern. So auch das Bewertungssystem innerhalb der Suchmaschine. Vielleicht nicht zufällig gerät das zur Peinlichkeit. Denn die Seiten der EKD wurden dabei anfangs generell mit 5 Sternen bewertet, unabhängig davon, ob es darin überhaupt einen Link oder einen Inhalt gab. Diese Koinzidenz von Selbstlob und Ideologie erinnert irgendwie an einen kommunistischen Parteitag und wurde von den Usern bereits internet-angemessen kommentiert.

Diese Suchmaschine soll also dem Nutzer nur die "wichtigen" und "richtigen" Seiten anzeigen. Wenn er zum Beispiel nach Abendmahl sucht, soll er nicht mehr auf ein Restaurant kommen, sondern nur auf die kirchlich verantworteten Seiten. (Die Pressemitteilung der EKD zum Auftritt der Suchmaschine wirbt damit, dass der "christliche" User beim Stichwort Abendmahl nun nicht mehr auf ein Restaurant verwiesen wird. Crossbot führt den User stattdessen zu "Gottes tollen Typen".)

Ich will es deutlich sagen: Hier wird der User vermeintlich hilfreich entmündigt. Gerade der Verweis auf das Restaurant in Berlin ist sehr interessant!

Wer fällt das Urteil über die angebliche "Christlichkeit"? Ach, es ist nur was ganz formales, und gleichzeitig ist es zum Weinen: Man darf die Begriffe eigentlich gar nicht so ernst nehmen, es geht bloß darum, ob die Website aus dem kirchlichen Bereich kommt.

Wenn die Vermutung sich bewahrheitet, dass diese Suchmaschine im kirchlichen Bereich Erfolg hat, würde sich daran ein tiefgreifendes Problem der evangelischen Kirche in der Gegenwart zeigen: das Bedürfnis nach identifizierbarer Präsenz in der Öffentlichkeit wird als Sonderwelt gestaltet. Dahinter steckt Angst vor der Nichtwahrnehmung und zugleich ein Kontroll- und Begrenzungsbedürfnis, das die Freiheit berührt. Der Erfolg der Suchmaschine würde das Einverständnis mit ideologischen Grenzziehungsmaßnahmen dokumentieren, die die Institution der Kirche gegenwärtig als Elemente ihres Identitätsdiskurses durchführt. Die Kernstrategie der evangelischen Kirche läuft zur Zeit auf eine offensive institutionsbezogene Identitätspräsentation in der Öffentlichkeit hinaus. In der Suchmaschine stellt sich diese Identität als klerikal-selbstreferentiell dar. Dazu gehört die ideologische Differenzierung zwischen Drinnen und Draußen. Da befindet man sich aber in einem Machtdiskurs, denn irgendjemand bestimmt, wer dazu gehört und wer nicht (insofern ist diese Suchmaschine geradezu die Inszenierung dieses Machtdiskurses, weil sie darstellt, wer "drin" ist). Vielleicht ist es ja so, dass die evangelische Kirche gegenwärtig eine Machtdemonstration der Institution gegenüber der Freiheit des Einzelnen erlebt (institutionelle Katholisierung könnte man das nennen). Offen sagt man das alles nie, man ist sich des Problems vielleicht auch gar nicht bewusst. Jedenfalls versucht man, alles zu vermeiden, um solche Eindrücke hervorzurufen. An einem vermeintlich harmlosen Ding wie einer "christlichen" Suchmaschine kommt "es" aber heraus.

Gott sei Dank hat so ein ideologisches Programm, selbst wenn sich alle evangelischen Kirchengemeinden darauf stürzen, nichts mit dem Internet zu tun. Jeder, der nun auf "normale" Suchmaschinen verzichtet, ist selber Schuld.

In Wirklichkeit ist also diese Suchmaschine eine Art Fachkatalog für alles, was mit (evangelischer?!) Kirche zu tun hat (aber schon "Religion", "Religionen" usw. gehören offenbar nicht mehr zum Thema des Katalogs). Wenn man von der unverschämt-selbstherrlichen Präsentation einmal absehen könnte, könnte man sagen: Der Katalog ist oft gut. Aber die Kataloge in den normalen Suchmaschinen sind auch sehr gut und haben den Vorteil der prinzipiellen Offenheit. Schade eigentlich: Wäre man mit einem evangelischen Kirchen-Katalog in die gängigen Suchmaschinen eingestiegen, wäre man in der Internetwelt viel präsenter gewesen. So wird zur Sonderwelt, was Salz der Erde sein sollte.

Wer (evangelisch-)kirchlich geprüfte Informationen haben will, mag crossbot nutzen. Wer mehr wissen will, muss im Internet schwimmen.


© Jörg Mertin 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 25/2003
https://www.theomag.de/25/jm2.htm