Die Schwarzen Kanäle hat die bisherige Kolumne "Was ich noch zu sagen hätte - Ein Bloggsurrogatextrakt" nach 27 Folgen abgelöst. Ich fokussiere mich in der neuen Kolumne, das Projekt Netzteufel der Evangelischen Akademie Berlin als Anregung aufgreifend, auf Meldungen und vor allem Leserkommentare der Plattformen idea und kath.net. Weiterhin bleibt diese Kolumne eine ironische und satirische Kolumne. Auch wenn ich die Kritisierten beim Wort nehme, kann ich sie dennoch nicht ernst nehmen. Sie sind und bleiben ein Element der Kategorie Realsatire.


Peter Winnemöller fiebert über meine Kirche

In seinem Montagskick fabuliert P.W. mal wieder über seine Gegner in der katholischen Kirche. Diese wollten „die Kirche sturmreif schießen“. Angesichts dessen, dass diese Gegner gut 90% der Kirchenmitglieder und -Vertreter nicht nur in Deutschland stellen dürften, ist das schon eine merkwürdige Vorstellung. Man muss sich als exotische Minorität schon sehr aufplustern, um der Majorität vorzuwerfen, diese wolle die eigene Kirche umgestalten. Nun kann P.W. keine seiner Kolumnen schreiben, ohne zugleich gegen Protestanten zu hetzen. Das macht ihn so sympathisch, weil er seine genuine Nähe zum Denken der Pius-Brüder nie verhehlt. Mit der Kirche, die Papst Franziskus vertritt, hat das wenig zu tun. Im protestantischen Bereich würde man das freikirchlich nennen. Aktuell sieht P.W. die offizielle katholische Kirche mit ihrem synodalen Weg auf einem solchen in den Abgrund. Dann brechen die Phantasien aus ihm heraus und er schreibt:

Historische Vergleiche zu ziehen ist immer sehr problematisch, daher sollte man vorsichtig sein. Bei aller Vorsicht, kann man dennoch einmal 500 Jahre zurück schauen. Ein Martin Luther, ein Calvin oder ein Zwingli sind nicht vom Himmel gefallen und auch nicht, selbst wenn es sich mancher so denkt, aus der Hölle gekrochen. Sie waren Kinder der Kirche ihrer Zeit und hatten die allerbeste Absicht, die Kirche wieder aus der Krise in eine heile Gestalt zurück zu führen. Der Fehler war, die Einheit in der Lehre und der Leitung nicht wahren zu wollen. Die Reformideen standen über allem anderen.

Mancher glaubt, dass Luther, Zwingli und Calvin aus der Hölle gekrochen seien? Waren die zuvor schon in der Hölle? Oder waren sie gar keine Menschen, sondern anthropomorphe Teufel? Das ist ein bisschen viel Fantasy. Und man würde doch gerne wissen, wen P.W. meint, wenn er solche Thesen aufstellt. P.W. glaubt das ja angeblich nicht, wer aber dann? Grenzt ja an Volksverhetzung und wäre vielleicht sogar justitiabel.

Aber wir lernen etwas anderes bei P.W.: manche Reformatoren waren schon als Kinder hochbegabt. Denn vor 500 Jahren, also 1519, war Johannes Calvin gerade einmal 10 Jahre alt. Insofern war er tatsächlich ein Kind der französischen Kirche und als solches, wie die Quellen gut belegen, lammfromm. Vor 1531 kann Calvin kaum evangelisch genannt werden. Das ist das Jahr, in dem wiederum Huldrych Zwingli stirbt. 1519, also vor 500 Jahren, leidet Zwingli in Zürich unter der Pest, die er freilich dank Gottes Gnade überlebt. Erst 1522 veröffentlicht er seine erste reformatorische Schrift. Bereits zuvor hatte er Kritik an der Kirche geäußert, die aber von dieser nicht beachtet wurde. Der Fehler war aber, dass die katholische Kirche ihre Einheit über die Wahrheit stellte. Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin waren fromme Gemeindeglieder, die das Evangelium von Jesus Christus und die biblische Botschaft vertraten. Erst als im Gegenzug nur die Autorität der Tradition und der Konzilien geltend gemacht wurden, spitzten sich die Verhältnisse zu. Es war daher keine Reform um der Reform willen, sondern eine Reform im Blick auf das Evangelium Jesu Christi. Und genau dies treibt auch jene an, die sich nun auf den synodalen Weg der katholischen Kirche machen. Das glaubt P.W. jedoch nicht. Er fährt nun fort:

An Ideen für „ihre“ Kirche mangelte es den historischen Reformern ebensowenig, wie es modernen Kirchenreformern unserer Tage mangelt. Schon wer den Ausdruck „meine Kirche“ verwendet, hat sich dem Grunde nach aus der Einheit verabschiedet.

Das ist schon arg demagogisch. Zunächst einmal sprechen die Reformatoren ja 1519 gar nicht von „ihrer Kirche“. Jedenfalls bleibt P.W. dafür jeden Beleg schuldig. Er konstruiert einen falschen historischen Zusammenhang, um bestimmte heutige Katholiken damit zu kontaminieren (die seien wie Protestanten). Nur geht diese Denunziation fürchterlich daneben, denn sie trifft letztlich seine besten Freunde, die gerne „ihre Kirche“ gegen die Reformer beschwören:

Meine Kirche wird eine arme Kirche sein, die sich nicht mit Gender Studies, Klimaerwärmung und Laiengremiumskatholizismus beschäftigt. Sie wird sich mit Jesus Christus und seiner Lehre von Gott beschäftigen. Nur damit! Sie wird revolutionär sein und keine Kompromisse eingehen. Und sie wird eine strahlende Zukunft haben …

Wie meinte P.W. noch einmal? „Schon wer den Ausdruck ‚meine Kirche‘ verwendet, hat sich dem Grunde nach aus der Einheit verabschiedet.“ Da wird sich Klaus Kelle aber freuen, so aus der katholischen Kirche ausgegrenzt zu werden. Klaus Kelle hat nämlich dezidierte Vorstellungen von „seiner Kirche“ und äußert sie auch. Wie gesagt: die Gegner des synodalen Weges sprechen dezidiert von „ihrer Kirche“, nicht die anderen. Und was findet man noch so?

Meine katholische Kirche ist immer noch das Haus meines Herrn Jesus Christus, auch wenn der Antichrist seine Vasallen seit dem II. Vaticanum darin platzieren konnte.

Oh, das war wohl ein Piusbruder, auch diese sind Gegner des synodalen Weges. Die haben sich ja schon lange von der Einheit der Kirche verabschiedet. Immerhin tröstlich, dass die keinen Unterschied zwischen Rom und Luther, Zwingli und Calvin erkennen können: alles gleich teuflisch. „Und wenn die Welt voll Teufel wär' / Und wollt' uns gar verschlingen, / So fürchten wir uns nicht so sehr, / Es muß uns doch gelingen! / Der Fürst dieser Welt, / wie saur er sich stellt, / tut er uns doch nicht; / das macht, er ist gericht': / ein Wörtlein kann ihn fällen.“ Das schrieb Martin Luther und so soll’s sein. Es ist gut evangelisch. Und das ist meine Kirche.


"Paul Willig" als Adam reloaded

Auf kath.net preist sich ein Mensch namens Paul Willig als „Klimaaktivist wider Willen“. Nun ist dieser Selbstruhm schon deshalb fragwürdig, weil man bei nun wirklich jedem vernünftigen Menschen dieser Erde die Bewahrung der Schöpfung als erstrebenswertes Anliegen voraussetzen sollte. Das scheint hier nicht selbstverständlich (wider Willen) zu sein. Klima-Aktivismus soll offenbar als etwas Negatives dargestellt werden. Wenn ich das auf ein anderes Beispiel transferiere, so würde ich ja auch nicht sagen, ich bin ein Nicht-Mörder wider Willen. Es sei denn, ich wollte eigentlich Menschen töten, aber es gelingt mir nicht. Eigentlich möchte unser Rentner die Umwelt also nicht schützen, tut es aber dennoch? Merkwürdige Logik. Ein Satz, der beim paulinischen Selbstruhm sinnvoll sein mag, ist es beim Schutz der Umwelt nicht.

Nun ist er aber dennoch, wie er behauptet, ein Klima-Aktivist, wenn auch widerwillig. Das erinnert an den berühmten Gestus des Adam im Garten Eden, der zu Gott sagt: nicht ich habe gesündigt, sondern die Frau, die du mir gegeben hast. Aber wir alle wissen, es war Adam, der gesündigt hat. Und das gilt auch für Paul Willig. Es ist nicht möglich, in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 67 Jahren in Sachen Klima-Bilanz vorbildlich zu leben. Das kann keinem Deutschen gelingen. Man kann auf vieles verzichten – auf Reisen, auf PKWs, auf Fleisch etc. – aber man wird dadurch keine Ökobilanz erreichen, die irgendwie vorbildlich wäre. Unser Rentner verweist darauf, dass er nie oder selten verreist sei, immer öffentliche Verkehrsmittel nutze, erst spät einen Führerschein erworben habe und sich beim Obst aus regionaler Versorgung ernähre. Das alles ist lobenswert. Aber nicht einmal im Ansatz sorgt es für ein CO2-Fußabdruck, der für diese Erde und ihre Erhaltung vorbildlich wäre.

Es ist auffällig, dass die entscheidenden Punkte im Selbstruhm des „Paul Willig“ nicht vorkommen. Wie wohnt er? Eigenheim, Mietwohnung, Mehrfamilienhaus, Mietskaserne? Wohnt er allein oder mit mehreren? Wie heizt er (Gas, Öl, Strom, Solar) und welche Sanierungsmaßnahmen hat sein Wohngebäude in den letzten 10 Jahren erfahren? Wie kleidet er sich und welche Nutzungsdauer hat seine Kleidung? Isst er vegetarisch oder vegan und/oder aus regionalem Anbau? [Wie viele Kinder hat er in die Welt gesetzt?] Der durchschnittliche Deutsche, der seinen CO2-Abdruck beim CO2-Rechner des Umweltbundesamtes überprüft, kommt auf einen Verbrauch von 11,6 Tonnen CO2 im Jahr. Als klimaverträgliches Jahresbudget eines Erdenmenschen werden aktuell 2,3 Tonnen CO2 im Jahr angegeben! Selbst wer in Deutschland ökologisch höchst bewusst lebt, hat nicht den Hauch einer Chance, vorbildlich zu leben. Wir vernichten die Welt!

Ich unterstelle unserem Klimaaktivisten wider Willen, dass er regelmäßig in den Gottesdienst der katholischen Kirche geht. Hat er anteilig den extremen CO2-Verbrauch dieses Gebäudes in seine persönliche Bilanz mit einbezogen? Geht er ab und an in öffentliche Gebäude oder durch hellerleuchtete Straßen? Hat seine Stadt schon LED-Laternen oder noch „normale“? Berechnet er das in seiner persönlichen Ökobilanz? Rühmen sollte man sich selbst nur, wenn es auch etwas zu rühmen gibt. In der Klimafrage sind wir in Deutschland allzumal Sünder, deshalb sollte man nicht so tun, als wäre man aus purem Zufall (wider Willen) keiner. Doch, Paul Willig sündigt in Klimafragen, vielleicht nur etwas weniger als andere. Ein Klimaaktivist ist er nicht.

Die Redaktion garniert seinen peinlichen „Selbstruhm“ mit einem Bild von Greta Thunberg [übrigens juristisch nicht korrekt, weder nach der Logik der Wikipedia, noch nach der des europäischen Parlaments, das über das Urheberrecht an diesem Foto verfügt]. Paul Willig benennt Greta Thunberg auch im Artikel (Ich achte Greta, frage mich aber, ob jeder Bischof oder Politiker, der sie lobt, eigentlich weiß, was er sagt, oder ganz ehrlich ist). Er scheint sie privat zu kennen, denn er duzt sie, ansonsten wäre das doch arg paternalistisch. Was seine Ausführungen mit ihrem Engagement zu tun haben, wird nicht einmal im Ansatz erkennbar. Greta Thunberg wendet sich an die Politik mit der Aufforderung, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Erde erhalten bleibt. Sie versucht, durch Zeichenhandlungen diesem Anliegen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Mir ist jeder, der Greta Thunberg dafür lobt, um ihrem Anliegen der Bewahrung der Schöpfung noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, lieber, als ein Unwilliger, der sich selbst lobt, obwohl er überhaupt nichts geleistet hat, sondern munter oder meinetwegen auch widerwillig zur Zerstörung unserer Umwelt beiträgt. In der gegenwärtigen Situation hilft uns die Haltung des Adam (Nicht ich, sondern die …) überhaupt nicht. Was hilft, ist eine globale Veränderung der Politik. Daran arbeitet Greta Thunberg, daran arbeiten die Jugendlichen mit der Fridays for Future-Bewegung. Es ist ihre Zukunft, die wir über 60-Jährigen gefährdet haben. Und deshalb steht am Anfang kein paulinischer Selbstruhm, sondern ein entschiedenes „Mea Culpa“.

„Confiteor […] quia peccavi nimis cogitatione, verbo, opere et omissione:
mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa […]“

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/121/am680.htm
© Andreas Mertin, 2019