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Magazin für Theologie und Ästhetik


Grenzüberschreitungen

Mit Kunst Menschen helfen

Andreas Mertin

Im Heft 9 des Magazins für Theologie und Ästhetik hat Paul Gräb über seine Erfahrungen im Verhältnis von Kunst und Kirche berichtet. Paul Gräb ist der protestantische Nestor der Begegnung von Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert, der mit seinem "Öflinger Modell" in geduldiger und kontinuierlicher Arbeit die Grundlagen dafür gelegt hat, dass beide heute unverkrampfter und selbstverständlicher miteinander ins Gespräch kommen.

Mit dem Öflinger Modell ist aber mehr verbunden, als nur der Dialog von Kunst und Kirche, es ist vor allem auch eine Art sozialer Interessensgemeinschaft. Seit 1968 arbeiten Künstler und Gemeinde Hand in Hand für ein Diakoniezentrum, das 1985 eingeweiht werden konnte und 30 Wohnheimplätze für geistig Behinderte und 12 Altenwohnheimplätze hat, und das seit dem von den Künstlern kontinuierlich durch Jahresgaben und Kunstausstellungen unterstützt wird.

Diakoniezentrum Wehr-Öflingen

Damit wird zugleich eine der großen Fragen der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgegriffen, nämlich die nach dem alltäglichen Zusammenhang von Kunst und Leben. Letztlich geht es um jenen Beitrag, den die Kunst wie auch die Religion zu dem leisten können, was der Romantiker Novalis das Projekt Menschwerdung genannt hat. Kunst wie Religion sollen nicht mehr nur neben oder am Rand des Lebens stehen, sondern, wie in den ästhetischen und religiösen Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, direkt und konkret auf das Leben bezogen sein, sie sollen ihre Sprengkraft im gelebten Leben erweisen. Das können sie je für sich tun, aber sie können es auch gut miteinander tun. Und genau dies macht den eigentümlichen Reiz der Ausstellungen des Öflinger Modells aus.

Karl Heinz Bohrer hat 1992 in seinem Eröffnungsvortrag zum Kongress "Die Aktualität des Ästhetischen" für die Einhaltung der Grenzen des Ästhetischen plädiert: "Die Grenzziehung (scil. des Ästhetischen) ist notwendig, weil sonst die ... banalisierenden Missverständnisse des Ästhetischen als das Hedonistische oder das Humane oder das Soziale auftreten. Je reiner der ästhetische Kern erhalten ist, um so größer die Strahlkraft nach außen. Dies geschieht allerdings nicht als sozialkritische Korrektur des generellen Diskurses, sondern vielmehr als dessen Irritation" (Karl Heinz Bohrer, Die Grenzen des Ästhetischen, Die Zeit Nr. 37, 4. Sept. 1992, S. 56f.)

Es gehört zum Faszinierenden des Öflinger Modells, dass es die Grenzziehung zwischen dem Ästhetischen und dem Sozialen immer beachtet und dennoch beharrlich am gemeinsamen sozialen Engagement festgehalten hat.

Aktuell findet wieder eine sehenswerte Ausstellung zeitgenössischer Bildender Kunst statt, deren Verkaufserlös zwei soziale Projekte zugleich fördert: das erwähnte Diakoniezentrum in Wehr-Öflingen und ein Heim für geistig behinderte junge Menschen in Samara an der Wolga (Russland), das von der Geigerin Anne-Sophie Mutter unterstützt wird.

Fast 100 namhafte Künstlerinnen und Künstler (siehe nebenstehende Liste) beteiligen sich mit Werken an diesen Projekten.

Der Blick auf Ausstellung und Verkaufsprospekt (Adressen s. u.) lohnt für jeden, der sich für zeitgenössische Kunst interessiert.

  • Die sehenswerte Ausstellung ist vom 04.08. bis zum 01.09. 2001 in der Galerie Alfred Knecht, Baumeisterstr. 4 in Karlsruhe und anschließend vom 7.09. bis zum 31.10. 2001 im Evangelischen Oberkirchenrat Karlsruhe, Blumenstr. 4 zu besichtigen.
  • Die Verkaufszeitung mit den abgedruckten Werken ist bei Kunst + Diakonie e.V., Brühlstraße 34, D-79664 Wehr-Öflingen (Fax 07761/59822) gegen die Erstattung der Porto- und Verpackungskosten erhältlich.
  • Auskunft über das gesamte Projekt "Kunst - Kirche - Diakonie" gibt der Katalog "Fließende Zeit - Kunst für Diakonie", der unter der gleichen Adresse erhältlich ist.
Künstlerliste der Ausstellung "kunst kaufen - menschen helfen"

Aare, Mette
Adochi
Alt, Otmar
Angermann, Peter
Asensi, Enrique
Assefiah, Mojé
Bach, Elvira
Bachmayer, Hans Matthäus
Barth, Thom
Baschang, Hans
Bergmann, Ottmar
Berner, Bernd
Bernhard, Franz
Bier, Gerda
Bindl, Andreas
Bindl, Thomas
Bücheler, Josef
Budian, Stefan
Burger, Peter
Dahl, Isa
Dietz, Madeleine
Fahl, Menno
Falken, Herbert
Fischer, Lothar
Foerg, Günther
Galli
Gecaj, Rifart
Geier, Helmut
Gerhart, Nikolaus
Gerz, Jochen
Girke, Raimund
Goertz, Christa
Göhringer, Armin
Graubner, Gotthard
Grieshaber, HAP
Grossert, Michael
Grunert, Andreas
Güdemann, Cordula
Haas, Willibrord
Hartlieb, Ingrid
Heindl, Elisabeth
Hitzler, Franz
Kaden, Siegfried
Kälberloh, Thomas
Kanz, Gerd
Kitzel, Herbert
Kitzel, Mareile
Klötzer, Bernd
Knaupp, Werner
Krieg, Dieter
Lechner, Alf
Linssen, Jupp
Linxweiler, Dieter
Loko, El
Maier, Herbert
Merkel, Klaus
Mess, Heinz-Josef
Moor, Claus-D.
Mühlenbrink, Jochen
Müller, Herta
Müller, Josef Felix
Münzer, Michael
Neumann, Max
Pavlova, Valentina
Petri, Bernd
Peyrer, Uta
Pokorny, Werner
Prangenberg, Norbert
Rech, Karin
Reiling, Erich
Rennertz, Karl Manfred
Risch, Paul
Santarossa, Hella
Schad, Felix
Schlenker, Felix
Schmetjen, Arno C.
Schneider, Claudia
Schreiter, Johannes
Schuler, Alf
Schult, Frank
Schwarze, Michael
Stäglich, Nicola C.
Stober, Michael
Stöhrer, Walter
Stoll, Arthur
Trost, Barbara Salomé
Wachter, Emil
Wagenplast, Daniel
Weiss, Lothar
Wentscher, Herbert
Wetter, Helmut
Wiedemer, Reinhard
Zech, Sati
Zimmermann, Rolf
© Andreas Mertin 2001
Magazin für Theologie und Ästhetik 12/2001
https://www.theomag.de/12/am33.htm